Berlin. Dem Bevölkerungswachstum im Berliner Nordosten steht marode Verkehrssysteme gegenüber – und Gehwege, die es schlicht nicht gibt.

Im Berliner Nordosten gibt es großstädtische Kieze - und es gibt dörfliche Viertel. Aber überall steht die die gleiche Prognose: Pankow boomt in all seinen Bezirksregionen gleichermaßen. Bis zu 50.000 Einwohner könnten hier ein neues Zuhause finden. Diese Prognose für 2030 gilt noch immer.

Und das trotz Defiziten bei Brücken, Straßen und Wegen. Welche Schwachpunkte die Verkehrsinfrastruktur im Gebiet zwischen Prenzlauer Berg und Buch aufweist, das hat die Senatsverwaltung für Mobilität nun im Detail aufgelistet. Zugleich präsentiert das Haus von Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) in Absprache mit dem Bezirksamt auch ambitionierte Pläne für die Modernisierung der Brücken. Abgefragt hat die Situation der Pankower Abgeordnete Johannes Kraft (CDU).

Brückenbaustellen prägen Pankow das gesamte Jahrzehnt

Besonders teuer und besonders wichtig für die schnelle Fortbewegung durch den Nordosten Berlins: intakte Brücken. Hier steht Pankow vor einem Jahrzehnt der Großprojekte. Bei sechs Überführungen kommt Berlin um einem kompletten Neubau nicht herum. Etwa 20 Millionen Euro soll die neue Sellheimbrücke in der Bauzeit von 2024 bis 2026 kosten. Für die östliche Bucher Straßenbrücke in der gleichen Bauzeit sind 21 Millionen Euro reserviert. Die Schönhauser Allee Brücke wird nach jetzigen Prognosen mit 34,5 Millionen Euro zu Buche schlagen und in der Bauzeit von 2025 bis 2030 zu massiven Sperrungen auf Straßen und Schienen führen. Gleich daneben bauen Bezirk und Senat die neue Dunckerbrücke für 5,7 Millionen Euro (2025 bis 2027). Die Schlossparkbrücke III in Niederschönhausen soll 0,5 Millionen Euro verschlingen (2024 bis 2025) und die Sudauer Brücke 0,3 Millionen Euro (2023 bis 2024).

Hier drohen monate- oder jahrelange Sperrungen: Die Ringbahn fährt in einem Graben direkt unter maroden Schönhauser Allee-Brücke in Prenzlauer Berg hindurch.
Hier drohen monate- oder jahrelange Sperrungen: Die Ringbahn fährt in einem Graben direkt unter maroden Schönhauser Allee-Brücke in Prenzlauer Berg hindurch. © Thomas Schubert

In allen Fällen führt ein „nicht ausreichender Zustand“ zu einem „unmittelbaren Sanierungsbedarf“, berichtet Staatssekretärin Meike Niedbal. Und damit nicht genug. Ebenfalls baureif: Die Schönfließer Brücke, die Kniprodestraßenbrücke, der Fußgängertunnel Greifswalder Straße, die Blankenburger Laakebrücke, die Ossietzkybrücke, die Bahnhofstraßenbrücke, die Industriebahnbrücke, die Fußgängerbrücke an der Straße 5 und die Schloßparkbrücke Buch VII. Hier sind die Kosten und Termin derzeit noch gar nicht abzusehen.

Diese Brücken in Pankow müssen saniert oder neugebaut werden
Diese Brücken in Pankow müssen saniert oder neugebaut werden © BM Infografik / Berliner Morgenpost | C. Schlippes

Einen kleinen Vorgeschmack liefert ein Projekt schon in diesen Sommerferien: So sollen in Kürze auf der Landsberger Allee-Brücke über den Graben der Ringbahn die Straßenbaumaschinen rollen – was zu Sperrungen in Höhe des S-Bahnhofs Landsberger Allee stadteinwärts führt. Kostenpunkt der Neuasphaltierung laut Senat: 60.000 Euro.

100 Kilometer unbefestigte Straßen – vor allem im Norden Pankows

Beim Autoverkehr zerfällt Pankow in zwei Welten. Neben breit ausgebauten Magistralen in Prenzlauer Berg existieren auch Siedlungsgebiete, die man selbst im Jahr 2022 nur auf Schotterpisten erreicht. Auf 75 Millionen Euro beziffert das Bezirksamt den aktuellen Sanierungsstau. „Von den circa 600 Kilometern an öffentlichen Straßen, welche der Bezirk Pankow verwaltet, sind ungefähr 100 km unbefestigt“, erklärt Niedbal auf Nachfrage von Johannes Kraft das gröbste Problem. Eine Statistik darüber, wie diese Pisten auf die einzelnen Ortsteile verteilt sind, liegt dem Senat nicht vor.

Der Abgeordnete kennt die Gegenden, zum Beispiel in Französisch Buchholz, Rosenthal oder Karow durchaus: „Es sind vor allem Siedlungsstraßen, die oft nicht befestigt sind“ bemängelt Kraft. Und das heißt: Bei Regenwetter wühlen sich Autos mitten in der Hauptstadt durch Pfützen und Schlamm. Müllunternehmen, Speditionen und Kuriere haben Mühe, mit größeren Fahrzeugen über die holprigen Gassen bis zu den Zieladressen zu gelangen. Gleiches gilt im Ernstfall für Krankenwagen und Feuerwehr.

Gerade dünn besiedelte Kieze mit Einfamilienhäusern nachträglich durch asphaltierte Straßen anzubinden, erweist sich als planungsintensiv und teuer. Auch die begrenzten Personalkapazitäten im Bezirk Pankow führen dazu, dass Projekte oft jahrelangen Vorlauf brauchen.

Typisch Pankow-Nord: Staustrecken wie die Schönerlinder Straße verlangen von Pendlern viel Geduld. Busse der BVG haben keine eigenen Spuren und geraten auf solchen Strecken leicht aus dem Takt.
Typisch Pankow-Nord: Staustrecken wie die Schönerlinder Straße verlangen von Pendlern viel Geduld. Busse der BVG haben keine eigenen Spuren und geraten auf solchen Strecken leicht aus dem Takt. © Thomas Schubert

„Und auf den Hauptstraßen und übergeordneten Straßen stehen nicht nur Autos im Stau, sondern auch Busse der BVG“, nennt Johannes Kraft das Kernproblem in den suburbanen Ortsteilen. „Dort gibt es im öffentlichen Nahverkehr leider nur diese Lösung.“

Gehwege in Pankows Norden sind oft gar nicht vorhandenen

Noch gröbere Defizite benennen Senat und Bezirksamt bei der Analyse für die Gehwege. Die sind nicht nur über weite Strecken marode – gerade im Norden Pankows sind sie noch gar nicht existent. „Circa 45 Kilometer öffentliche Straße haben keine baulich angelegten Gehwege beziehungsweise solche, bei denen keine bauliche Trennung zwischen Fahrbahn und Gehweg zu erkennen ist“, übermittelt Staatssekretärin Niedbal die Bilanz des Bezirks.

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Die meisten Platten sitzen schief, manche fehlen ganz: Solche Gehwege in Pankow sind noch nicht einmal das gröbste Problem. In den nördlichen Ortsteilen müssen sich Autos und Passanten die Fahrbahnen teilen.
Die meisten Platten sitzen schief, manche fehlen ganz: Solche Gehwege in Pankow sind noch nicht einmal das gröbste Problem. In den nördlichen Ortsteilen müssen sich Autos und Passanten die Fahrbahnen teilen. © BM | Thomas Schubert

Was das bedeutet, erleben Einwohner zum Beispiel in Karow oder Französisch Buchholz so: Als Fußgänger marschiert man in Ermangelung eines Bürgersteigs direkt auf der Straße, die man sich mit Autos teilen muss. „Auch Kinder, Mütter mit Kinderwägen und Rollstuhlfahrer müssen auf die Fahrbahn“, beklagt Johannes Kraft die Sicherheitsmängel. Ähnlich sehe es bei Radwegen in den Stadtrand-Kiezen aus. Hier sei das Netz im Vergleich zu Prenzlauer Berg so lückenhaft, dass viele auf die umweltfreundliche Fortbewegung verzichten. Priorität hätte wohl am ehesten die Verbesserung der Infrastruktur für Fußgänger. 30,9 Prozent der Wege legen Pankower laut der Senatsanalyse zu Fuß zurück, 22 Prozent mit dem Fahrrad, 19,4 Prozent mit dem Auto und 27,7 Prozent mit Bus und Bahn.

Ein Programm zur Erbauung von 45 Kilometer Bürgersteig-Flächen, dafür fehlt es in Pankow allerdings an Planern, Zeit und Geld.

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