Verkehr in Berllin

Sanierung der lautesten Straße Berlins startet erst 2027

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Langwieriger Totalumbau: Die Friedrich-Engels-Straße im Pankower Ortsteil Rosenthal wird komplett neu gestaltet. Aber das dauert.

Langwieriger Totalumbau: Die Friedrich-Engels-Straße im Pankower Ortsteil Rosenthal wird komplett neu gestaltet. Aber das dauert.

Foto: Thomas Schubert / BM

Pankows Friedrich-Engels-Straße bleibt noch jahrelang eine Rüttelpiste mit Tempo 10. Neue Details versetzen Anwohner in tiefe Sorge.

Berlin. Sie bleibt ein Unikat. Nirgends sonst in Berlin gilt auf einer Einfallstraße Tempo 10. An keinem anderen Ort springen Autos auf einer derart wichtigen Strecke über ein solch grobes Pflaster. Die Friedrich-Engels-Straße im verkehrsreichen Pankow könnte auch in einem uckermärkischen Dorf liegen. Und dürfte ihren Status als lauteste Straße Berlins viele weitere Jahre erhalten. Denn die Sanierung des nördlichsten, 1,6 Kilometer langen Abschnitts der Engels-Straße wird voraussichtlich nicht vor 2027 starten. Erst ganz am Ende der Projektvorstellung im Pankower Verkehrsausschuss hörten die Gäste diese neue Informationen.

"Dieser Zeitpunkt ist nicht aus Luft begriffen", sagte der Ausschussvorsitzende Wolfram Kempe (Linke) nach seiner Analyse des Bauvorhabens, an dem das Bezirksamt schon seit 2004 plant. 23 Jahre bis zur Umsetzung einer Straßensanierung - "das ist ein beeindruckender Planungshorizont", kommentierte Marc Lenkeit von der SPD sarkastisch die Lage.

Neues Straßenbahn-Gleis der BVG führt zu komplizierter Planung

Aber warum sind zwei Abschnitte der Engels-Straße seit 2015 fertig gebaut und warum zieht sich die Vorbereitung dieses dritten Parts oberhalb der Nordendstraße so lange hin? Eine Mitarbeiterin der Abteilung von Verkehrsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) versuchte, die komplizierte Vorgeschichte zu rekapitulieren. Eigentlich sei die Planung für den völlig maroden dritten Abschnitt in den 2010er Jahren schon weit gekommen gewesen – da habe die BVG überraschend verkündet, im Straßenraum ein zweites Gleis der Tramlinie M1 nach Rosenthal-Nord zu platzieren.

Ein Vorhaben, das nicht einfach so in die Planung des Bezirks einzufügen ist. Plötzlich war das Projekt zurückgesetzt auf Null. Es braucht nun ein sehr zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren mit Einzeluntersuchungen und formellen Hürden. "Die Friedrich-Engels-Straße hat große Defizite. Jetzt wird die Strecke umfassend verbessert, so dass sie ihrem Rang als übergeordnete Straße gerecht wird", versprach die Planerin.

Der künftige Straßenquerschnitt wird nach dem Umbau der Holperpiste ähnlich aussehen wie in den fertig sanierten Abschnitt südlich der Kreuzung Nordendstraße: In der Mitte laufen zwei Straßenbahn-Gleise, links und rechts je eine Fahrbahn mit 3,25 Metern Breite. Daneben kommt je ein Fahrradstreifen mit zwei Metern Breite und ein auf 2,50 Meter dimensionierter Gehweg. Große Kreuzungen, etwa der Knoten an der Kastanienallee, erhalten neue Ampelanlagen. Ihre Schaltung soll ermöglichen, dass die Tram-Linie M1 künftig von der Wendeschleife in Rosenthal im Zehn-Minuten-Takt in Richtung Museumsinsel verkehrt.

Wenig Platz für Radfahrer an schmalen Stellen der Friedrich-Engels-Straße

Man werde für die bessere Anbindung in Pankow moderne, 40 Meter lange Züge einsetzen, erklärte ein Sprecher der BVG. Die noch neueren 50 Meter-Straßenbahnen seien für andere Strecken reserviert. "So reichen auch die vorhandenen 42 Meter lange Haltestellen", hieß es. Alle Stationen an der Engels-Straße würden künftig komfortabel und barrierefrei ausgestattet.

Fest steht auch, dass der urwüchsige Baumbestand erhalten bleibt, selbst wenn Planer die zerklüftete Problemmeile ansonsten komplett umkrempeln. Wie die Abläufe genau aussehen, wollen sich Pankows Bezirksverordnete, aufgeschreckt vom neuen Zeitstrahl des Bezirks, noch viel genauer beschreiben lassen. "Uns war nicht klar, was genau gewünscht ist. Wir werden Pläne nochmal an die Wand werfen", versprach Stadtrat Kuhn eine weitere Vorstellung mit mehr Details.

Fraglich ist vor allem die künftige Verkehrsführung in den engsten Stellen der Engels-Straße. Denn die Meile verläuft sehr unstet zwischen Einfamilienhäusern. Mal ist sie 30 Meter breit, aber manchmal sind es auch nur 14,50 Meter. Dann wird es für die Radfahrer eng. "Dort gibt es keine gesonderte Radanlage und nur eine Mindestbreite", räumte Kuhns Planerin Probleme ein. Beim Pankower ADFC gibt es deshalb die Sorge, dass die Verkehrsführung in den Engstellen der Engels-Straße nicht dem Berliner Mobilitätsgesetz entsprechen wird.

Pankow muss Nachbarn für die Sanierung der Straße Flächen abkaufen

"Wenn der Straßenquerschnitt teilweise so schmal, sollte nicht im Vordergrund stehen, dass Autos nach der Sanierung Tempo 50 fahren können", gab ein Sprecher des Fahrradclubs zu bedenken. Aber Tempo 50 ist tatsächlich geplant – das wäre ein Fünffaches dessen, was heute erlaubt ist.

Nur einer der Punkte, die Nachbarn wie Angelika Krüger Sorgen bereiten. "Es wird im Kiez einen Aufstand geben", befürchtet die Sprecherin der Initiative Friedrich-Engels-Straße wegen eines bislang kaum besprochenen Details: Der Bezirk muss für die Sanierung der Problemmeile Teile von Privatgrundstücken aufkaufen – obwohl Eigentümer sich wahrscheinlich dagegen wehren wollen. Der Bezirk müsse am besten sofort kommunizieren, um welche Flächen es geht, meint Krüger.

Und wenn die Engels-Straße tatsächlich für Tempo 50 freigeben werde, hätte man aus ihrer Sicht ein neues Extrem: "Dann wird das hier ein verlängerter Autobahn-Anschluss."