Berlin. Eine Pankowerin konnte wegen fehlender Betreuung erst verspätet zurück in den Job. Nun muss der Bezirk zahlen.
Die berufstätige Mutter eines Kleinkindes, die wegen eines fehlenden Kitaplatzes nicht wie gewünscht in den Beruf zurückkehren konnte, sondern fünf weitere Monate bis zur Rückkehr an den Arbeitsplatz warten musste, hat nun vom Landgericht Berlin einen größeren Schadenersatz zugesprochen bekommen.
„Der Beklagte zahlt an die Klägerin 7500 Euro zum Ausgleich der Klageforderung und aller damit im Zusammenhang stehenden Schäden“, heißt es im Protokoll des Vergleichs vom Dezember 2019. Beklagter ist in diesem Fall das Land Berlin. Die Widerrufsfrist für die Entscheidung ist abgelaufen.
Kein Kitaplatz für: Suche nach Betreuung begann in der Schwangerschaft
Damit bekommt der Streit um den Rechtsanspruch eines Kitaplatzes eine neue Dimension – nun geht es auch um größere finanzielle Folgen, wenn der Bezirk keinen Kitaplatz anbieten kann. „Das Gericht hat sich unmissverständlich positioniert“, sagte Rechtsanwältin Madlen Peiser, die die klagende Mutter vor Gericht vertreten hat.
Ihre Mandantin habe bereits während der Schwangerschaft in ihrem Bezirk Pankow mit der Suche eines Betreuungsplatzes für ihr Kind begonnen, doch sie scheiterte. Damit konnte sie nach dem ersten Geburtstag des Nachwuchses nicht sofort wieder in den Job als Angestellte einsteigen. Auch Gerichts- und Anwaltskosten werden vom Land übernommen.
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Dass Klagen des Schadenersatzes aufgrund Verdienstausfalls in Zeiten der Kitakrise auf das Land Berlin zukommen könnten, war schon länger klar. Der Bundesgerichtshof hatte im Oktober 2016 drei berufstätigen Müttern aus Leipzig Schadenersatz bei ähnlichen Fällen zugesprochen; allerdings unter der Bedingung, dass nur gezahlt wird, wenn eine Kommune den Kitaplatzmangel mitverschuldet habe. Diese Mitschuld müsse vom Gericht anerkannt werden.
Landgericht sieht Versäumnisse beim Kitaplatz-Ausbau als gegeben
Das Landgericht habe nun „in mündlicher Verhandlung ausdrücklich den Anspruch von Eltern“ anerkannt und somit „die jahrelangen Versäumnisse beim Kitaplatz-Ausbau als gegeben“ gesehen, so die Anwältin Peiser. Mit einem Vergleich sind die Anwälte des Landes Berlin allerdings einem Urteil zuvorgekommen, indem womöglich dieses Verschulden des Landes Berlin bei der Kitaplatzschaffung schriftlich festgehalten worden wäre.
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Allein der Bezirk Pankow hatte 2019 zehn Schadenersatzklagen wegen Verdienstausfall durch fehlende Kitaplätze, von denen einige im Vergleich endeten, so die zuständige Bezirksstadträtin für Jugend Rona Tietje (SPD). Die danach gezahlten Summen waren aber deutlich geringer. In der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie weist man darauf hin, dass für die Bereitstellung der Kitaplätze die Bezirke zuständig seien. Deshalb müsse der Bezirk für den jeweiligen Schadenersatz aufkommen.
Bezirksstadträtin Tietje mahnte dagegen eine „Basiskorrektur“ an, Land und Bezirk müssten zukünftig diesen Schadenersatz anteilig übernehmen. Schließlich habe auch das Land bei der Kitaplatzausstattung seinen Anteil.
Auch Tempelhof-Schöneberg hat Schadenersatzklagen vor dem Landgericht
Spannend ist nun, ob sich der Vergleich auf andere Klagen auswirkt. So hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg zwei ähnliche Schadenersatzklagen vor dem Landgericht, in beiden Fällen war der Erwerbsausfall noch länger. 2018 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das Land verpflichtet, Kitaplätze für Kinder ab einem Jahr in allen Bezirken bereitzustellen.
Seitdem haben die Bezirke, wenn Eltern in einem Eil- oder Hauptverfahren klagen, fünf Wochen Zeit zu handeln. Notfalls finanzieren Bezirke dann eine private Übergangsbetreuungen. Laut Meldung der Bezirke, so die Senatsverwaltung für Bildung, werden momentan in 48 Fällen Ersatzbetreuungen finanziert.