Peter Durek trägt Jeans und T-Shirt, raucht Selbstgedrehte ohne Filter. 1992 kam er nach Berlin, weil er einer „glutäugigen Schönheit“ hinterher jagte. Inzwischen ist Durek Besitzer eines Plattenladens. Des „Jazz Dreams“ an der Hermann-Hesse-Strasse 25 in Pankow.
So wenig er selbst dem wirren, kulturbeflissenen Klischee des Jazzkenners entspricht, so wenig hat sein Geschäft mit klassischen Plattenläden zu tun. Statt staubiger Kisten voll alter Cover reihen sich gut sortierte Regale aneinander. Statt sündhaft teurer Silberkabel und Goldklinken gibt Durek Ratschläge, wie man auch für überschaubare Summen eine wunderbare Musikanlage zusammenstellt.
Ein Amateur ist er deswegen aber nicht. Im Gegenteil. Auch er kann, wenn es sein muss, stundenlang über die Unterschiede zwischen Hard- und Bebop fachsimpeln. Er tut es nur nicht besonders gerne. „Die meisten Leute wollen so einen Quatsch auch nicht hören“ sagt er dazu. „Worum es denen geht, ist doch, dass die Musik ihnen gefällt, nicht welchen Namen sie trägt.“
Ihm selbst ist es egal, ob seine Kunden ewige Jazzfans sind oder nur neugierig, was er so zu verkaufen hat. Was sie eint, ist die Liebe zur Musik. „Die Leute, die hierher kommen, sind Ärzte, Fliesenleger, Dachdecker – von allem ein bisschen.“
„Ist das wirklich Jazz?“
Vor allem kämen viele, die nicht genau wüssten, nach was sie suchen oder welche Musik sie interessiert. Ihnen spielt Durek dann Platten vor. Eine nach der anderen. Bis irgendwann ein Fuß zu wippen anfängt und Finger den Rhythmus mittrommeln. „Bis jetzt hat fast jeder etwas gefunden“, sagt er. Und nicht selten komme es vor, dass die Leute dann fragen: „Und das ist jetzt wirklich Jazz?“
Der unprätentiöse Umgang mit Musik, den man im „Jazz Dreams“ pflegt, spiegelt sich auch in der Auswahl der Hifi-Komponenten wieder, die Durek hier verkauft. Gleich hinter der Eingangstür steht eine Reihe älterer Plattenspieler. Modelle aus den 70er- und 80er-Jahren, fachgerecht restauriert. Hat er einen Plattenarm durch einen moderneren ersetzt, liegt das ausgewechselte Teil ordentlich verpackt auf dem Gerät. „So hat der Kunde einen Ersatz und muss nicht gleich für einen neuen bezahlen.“
Durek verkauft aber auch moderne Spieler und Boxen. Er führt kleine Kunststoffspieler mit masse-reduzierten Tonarmen. Die Motoren der Geräte sind ausgelagert, damit keine überflüssige Vibration den Lauf der Platte stört. „So etwas hat absolut keinen Schnickschnack und ist trotzdem von höchster Qualität“, sagt Durek.
Waschmaschine reinigt alle Platten
„Qualität“ ist das Wort, das Durek gerne bemüht. Man kann es verstehen. Er selbst ist ein Perfektionist, in dessen Geschäft sogar eine Platten-Waschmaschine steht. Jede verkaufte Scheibe wird dort mithilfe einer eigens angefertigten Tinktur gereinigt. Kunden, die ihre Plattensammlung von jedem Staubkorn und jeder in die Rillen eingefrästen Unreinheit befreien wollen, können den Vinyl-Waschgang im „Jazz Dreams“ als Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Rund um die Geräte stehen Tausende Platten in staubfreien Regalen. Die Pflichtauswahl an Rockmusik, Blues, Soul und viel, sehr viel Jazz. Im Keller geht es weiter. Dort stehen um Bar und Kamin die Auswahl von Musicalaufnahmen und alte Schelllack-Platten. Manche davon sind an die 100 Jahre alt. Schelllack ist das Gegenteil von digital. Schwer und schwarz sind die Platten. Lässt man eine fallen, kann sie in tausend Stücke zerspringen. Modernen Ohren erscheint die Musik, die ihnen eingraviert wurde, häufig etwas dumpf. „Das liegt daran, dass Schelllack-Platten noch keine Höhen wiedergeben“, erklärt Durek. „Die sind tatsächlich nur etwas für Nostalgiker.“
Fromme Gefühle
Durek sagt, für ihn habe das Auflegen von Platten, das Greifen, die Haptik des Mediums fast etwas Religiöses. Vielleicht geht es auch anderen so. „Platten werden immer beliebter. Das ist kein Hype, sondern eine kontinuierliche Entwicklung“. Somit hat er sich mit seinem gerade einmal einen Jahr alten Plattenladen gut positioniert. Bei rund 30.000 Jazzplatten hat er ein Angebot, das in Deutschland seinesgleichen sucht.
Doch der Verkauf von Schallplatten und Hifi-Komponenten sind nur eines der Anliegen Dureks. Zudem sollen Menschen hierher kommen, um gemeinsam Musik zu hören, sich über Platten zu unterhalten und Ideen auszutauschen. Einmal im Monat veranstaltet er eine „Listening Party“, bei der er auflegt. Aber die Gäste entscheiden, welche Musik gehört wird. Der Gastgeber greift bei besonders guter Laune selbst zur Trompete. Jedermann ist gern gesehen. Solange man ehrlich begeistert ist von Musik.
Jazz Dreams Hermann-Hesse-Str. 25, Pankow, Tel. 54 84 05 50, Angebot und Elektronik unter jazz-dreams.de, geöffnet von Montag bis Freitag 11–17 Uhr