Berlin. Berlins Bezirke sollen ab 2024 weniger Geld vom Land erhalten. In Neukölln hat das drastische Folgen. Die Sparliste des Bezirksamts.
Berlins Bezirksbürgermeister haben bereits in einem Brandbrief vor erheblichen Einsparungen ab dem kommenden Jahr gewarnt, nun wird in Neukölln deutlich, was das konkret heißen könnte: Weil dem Bezirk eigenen Angaben zufolge im kommenden Doppelhaushalt 22,8 Millionen Euro pro Jahr fehlen, um den Status quo zu halten, müssten diverse Projekte gestrichen werden. Dazu gehören der Wachschutz an zwölf Schulen, die Tagesreinigung in den Bildungseinrichtungen und der beliebte Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt. Einen entsprechenden Eckwertebeschluss habe das Bezirksamt gefasst, heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch.
Insgesamt werden zwölf Maßnahmen genannt, die in den Jahren 2024 und 2025 getroffen werden sollen, um die 22,8 Millionen Euro pro Jahr einzusparen. Zu den weiteren Punkten gehört auch, dass die Müllentsorgung in den Grünanlagen halbiert werden soll. Außerdem kündigt der Bezirk an, drei Jugendfreizeit- beziehungsweise Familieneinrichtungen zu schließen, freie Stellen im Bezirksamt temporär nicht nachzubesetzen, Wasserspielplätze zu schließen und kaputte Spielgeräte auf Spielplätzen nicht mehr zu erneuern. „Wir haben bei Krisensitzungen im Bezirksamt miteinander gesprochen“, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) auf Nachfrage. „Was dort drin steht, ist das, was wegfällt, wenn sich an der Zuweisung der Mittel an die Bezirke nichts ändert.“
Die Einsparmaßnahmen in Neukölln im Überblick:
- Wachschutz an zwölf Neuköllner Schulen entfällt
- Tagesreinigung an den Neuköllner Schulen entfällt
- Obdachlosenhilfe wird reduziert
- Wegfall der aufsuchenden Suchthilfe
- Wasserspielplätze werden geschlossen
- Kaputte Spielgeräte auf Spielplätzen werden nicht mehr erneuert
- Müllentsorgung in Grünanlagen wird halbiert
- Schließung von drei Jugendfreizeit- bzw. Familieneinrichtungen
- Reduzierung der Stadtteilkoordination ab 2025
- Jugendreisen für besonders betroffene Jugendliche werden nicht mehr finanziert
- Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt fällt weg
- Freie Stellen im Bezirksamt werden temporär nicht nachbesetzt
Berlin: Neukölln kündigt an, Müllentsorgung in Parks zu halbieren
Wie das Neuköllner Bezirksamt weiter erklärt, sei ein erheblicher Teil der verfügbaren Mittel durch gesetzliche Pflichtleistungen und zentrale Vorgaben gebunden. Die Kürzungen würden deshalb insbesondere Angebote betreffen, „die direkt in die Kieze hineinwirken und sich unmittelbar an den Erforderlichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ausrichten – kurzum, die jeder und jede im Alltag spüren wird“. Besonders würden auch die Schwächsten im Bezirk getroffen, etwa, in dem die Obdachlosenhilfe reduziert werde oder die aufsuchende Suchthilfe wegfällt.
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„Unsere Politik hat sich darauf konzentriert, die Schwächsten unserer Gesellschaft zu unterstützen und Neukölln für alle lebenswerter zu machen: durch Drogensozialarbeit, bessere Bedingungen an den Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen oder durch gute Spielplätze für Familien in eng besiedelten Kiezen. Die Finanzplanungen des Berliner Senats werden auf viele Jahre die soziale Infrastruktur in Neukölln zerstören“, wird Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) in der Mitteilung zitiert. Dazu sei die Digitalisierung oder die Verwaltungsmodernisierung nicht zu stemmen, wenn nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt werde.
Neukölln ist mit diesem Vorpreschen offenbar Vorreiter. „Die anderen Bezirke haben ähnliche Probleme“, sagte Hikel der Morgenpost, der es für möglich hält, dass Bürgerämter schließen, falls Stellen nicht besetzt werden könnten. „Wir haben einen Vorschlag gemacht, ein Zeichen gesetzt und dem Senat signalisiert, dass wir dringenden Gesprächsbedarf haben.“ Man verlange nicht mehr als bisher, wolle nur den Status quo halten. „Man kann uns entgegenkommen, es gibt nur noch keinen Gesprächstermin“, sagte Hikel. „Der Termin wurde zwar angekündigt, aber ich habe noch keinen in meinem Kalender.“
Neukölln kritisiert: Inflation wird zu wenig berücksichtigt
Schon in ihrem Brandbrief hatten die Bezirke beklagt, dass der Senat sich bei der Aufstellung des neuen Doppelhaushalts am Budget des Jahres 2022 orientiert hatte. In dem Jahr galt jedoch sechs Monate lang eine vorläufige Haushaltswirtschaft, in der Ausgaben erheblich geringer waren, weshalb der Zeitraum nach Ansicht der Bezirke nicht repräsentativ sein kann. „Ebenfalls wurde trotz einer erheblichen Inflation und steigenden Mindestlöhnen für die Aufgaben der Bezirke nur eine pauschale Erhöhung um zwei Prozent berücksichtigt“, kritisiert Neukölln.
Noch ist aber Bewegung bei der Aufstellung des neuen Doppelhaushalts möglich. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat der Mitteilung zufolge im Rat der Bürgermeister Gesprächsbereitschaft signalisiert. Auch die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD dringen bei Evers darauf, die Bezirke besser zu finanzieren. SPD-Finanzpolitiker Lars Rauchfuß hatte geschätzt, dass es bei den Forderungen der Bezirksbürgermeister insgesamt um 200 Millionen Euro zusätzlich geht. Der Senat plant, bis Mitte Juli den Haushalt für 2024 und 2025 zu beschließen. (Jessica Hanack und Dominik Bardow)