Neukölln. Im Jahr 2019 wird in der Hasenheide einer der größten Hindu-Tempel eröffnen. Er beeinflusst die Umgebung.

Zwischen den nur noch spärlich mit Laub behangenen Bäumen der Hasenheide ragt plötzlich ein 17-Meter-hoher Turm empor. Golden ist seine Kuppel, die über fünf Etagen hoch ist. Reich verziert mit 108 indischen Götterstatuen ist der spitz zulaufende Turm. Über dem Ein- und Ausgang thronen zwei große Bewacher-Statuen mit Waffen in den Händen.

Wie passend. Entsteht der Sri Ganesha Hindu Tempel doch unweit des berüchtigten Neuköllner Hermannplatzes, den die Polizei als „kriminalitätsbelasteten Ort“ einstuft. Wo sonst kleinkriminelle Junkies Drogen von Mitgliedern arabischer Clans kaufen, soll im kommenden Jahr ein Hindu-Tempel eröffnen – einer der größten Europas. Doch noch ist das 1300 Quadratmeter große Tempelareal eine Baustelle. Nackt und unverputzt steht lediglich der rechteckige Rohbau aus roten Backsteinen. Dem 18 mal 18 Meter großen Tempelraum fehlt aber noch sein Dach, weswegen der Boden eine einzige große Pfütze ist. Darin schwimmen unzählige weggeworfene Plastik-Kaffeebecher.

Vilwanathan Krishnamurthy ist im Vorstand der Hindu-Gemeinde.
Vilwanathan Krishnamurthy ist im Vorstand der Hindu-Gemeinde. © Anikka Bauer | Anikka Bauer

Schon 2004 bot ihm der damalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) den Bauplatz an, erzählt Vilwanathan Krishnamurthy, der im Vorstand des Hindu-Tempels sitzt. Zwischen den Augen des Tamilen ist ein roter und ein weißer Punkt gezeichnet. Sie sollen das dritte, das „böse Auge“ verdecken, erklärt er. „Ich kann nur dann ein guter Mensch sein, wenn das böse Auge verdeckt ist.“ Gerade hat er eine fünfstellige Summe aus eigener Tasche für den Weiterbau des Tempels gespendet.

Seit 2009 wird an dem Tempel gebaut, aber Probleme mit der Finanzierung brachten das Vorhaben immer wieder ins Stocken, berichtet Krishnamurthy. „Aber jetzt steht die Finanzierung“, sagt der 65-Jährige stolz. Neben ihm haben noch vier weitere Tempel-Vorstandsmitglieder ähnlich hohe Summen wie er gespendet. „Ende 2019 werden wir eröffnen. Und wir haben auch keine andere Wahl mehr“, sagt Krishnamurthy mit Blick auf die auslaufende Baugenehmigung. Immer wieder wurde sie verlängert. Ende 2018 aber läuft sie nun endgültig aus. Bis dahin muss der Rohbau stehen. Der Innenausbau soll dann 2019 abgeschlossen sein. Insgesamt werden sich die Baukosten wohl auf rund eine Million Euro belaufen, schätzt Krishnamurthy.

Aus altem Gebetsraum soll Begegnungsstätte werden

Bisher halten die Gemeindemitglieder ihren täglichen Gottesdienst in einer alten Sporthalle hinter dem Tempelgelände ab. Wenn der Neubau erst eröffnet ist, soll daraus dann ein interkulturelles Begegnungszentrum werden. Rund 220 Mitglieder hat die Sri Ganesha-Gemeinde im Moment. „Aber wir sind eine wachsende Community“, sagt Krishnamurthy. „Viele IT-Techniker und Software-Ingenieure kommen nach Berlin“, viele von ihnen sind Hindus. Er schätzt, dass zwischen 5000 und 6000 indische Hindus in Berlin leben. In dem Neubau soll Platz für bis zu 300 Gläubige sein.

„Im Hinduismus gibt es mehr als 33 Millionen Götter“, erklärt Krishnamurthy. „Aber wenn ich Ihnen jetzt alle Namen aufzählen würde, wäre unsere Lebenszeit vorüber“, sagt er und lacht laut. Im neuen Tempel in der Hasenheide werden die Gläubigen vor allem Ganesha, dem Elefantengott, huldigen. Eine überlebensgroße Statue von ihm soll später in der Mitte des Tempels thronen.

Für die Arbeiten an den filigranen Götterbildnissen und Verzierungen am Eingangsturm wurden extra drei indische Gastarbeiter angeheuert, die in Indien Tempelbau studiert haben. Schritt für Schritt bauen sie immer dann an den Tempelverzierungen weiter, wenn neues Geld fließt. Und wenn das Wetter mitspielt. „Den Winter über sind sie zurück nach Indien gegangen“, erzählt Krishnamurthy. Er selbst kam vor 43 Jahren aus dem indischen Bangalore als Gastarbeiter nach West-Berlin. Damals war er Schweißer, heute ist er in Rente und hilft Flüchtlingen.

„Einmal wurde ich überfallen und ausgeraubt“

Neukölln, den Hermannplatz und die Hasenheide kennt er gut. Seit 43 Jahren lebt er hier im Kiez. Und hat schon einiges erlebt. „Einmal wurde ich überfallen und ausgeraubt“, erzählt Krishnamurthy. Er konnte deshalb verstehen, weshalb einige Gemeindemitglieder zuerst Sorge hatten, den Tempel in der Hasenheide zu bauen. Aber er beobachtet eine Veränderung in dem Park. „Im Sommer kommen viel mehr Deutsche, fahren Rad, grillen, liegen auf der Wiese“, erzählt er.

Vor einiger Zeit ging Krishnamurthy direkt auf die Drogendealer vor seinem Tempel zu. Er erklärte ihnen, dass Mütter und Kinder Angst vor ihnen hätten und sich unwohl fühlten, wenn neben dem Tempel gedealt würde. „Die hatten dafür Verständnis und haben uns versprochen, nicht mehr so nah an unseren Tempel zu kommen“, erzählt Krishnamurthy. Und es hat tatsächlich geholfen: „Hier wird deutlich weniger gedealt.“

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