Neukölln und Kreuzberg

Hausbesetzungen in Berlin: Senat streitet wegen Räumung

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Nina Kugler
Aus Protest gegen steigende Mieten und Wohnungsnot besetzten Aktivisten an Pfingsten mehrere Gebäude in Berlin wie dieses Haus in Neukölln

Aus Protest gegen steigende Mieten und Wohnungsnot besetzten Aktivisten an Pfingsten mehrere Gebäude in Berlin wie dieses Haus in Neukölln

Foto: Christian Mang

Bürgermeister Michael Müller verteidigt den Einsatz der Polizei - Bausenatorin Lompscher äußert Verständnis für die Hausbesetzer.

Berlin. Es gibt Streit: Der rot-rot-grüne Senat ist sich uneins, wie die Hausbesetzungen in Neukölln und Kreuzberg am Pfingstwochenende politisch zu bewerten sind. Vor allem die Räumung des Gebäudes an der Bornsdorfer Straße in Neukölln durch die Polizei sorgt für heftige Diskussionen. Während aus den Reihen der Linken und Grünen Verständnis für die Hausbesetzer geäußert wurde, stellte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag klar: „Hausbesetzungen sind kein probates Instrument, sie verletzen Recht und Gesetz. Und das können wir nicht zulassen.“ Berlin kenne politische Auseinandersetzungen, die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum, die Angst vor steigenden Mieten: Das seien reale Sorgen der Menschen. „Diese zu artikulieren, ist legitim. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel“, sagte Müller.

Unterdessen wird auch Kritik am Vorgehen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land laut. Grund: Geschäftsführer Ingo Malter verhandelte vor Ort mit den Besetzern und bot ihnen nach der Sanierung des Gebäudes einen unbefristeten Mietvertrag zu sozialverträglichen Mieten an. Dem Vorwurf, den Hausbesetzern damit in den Verhandlungen zu weit entgegengekommen zu sein, tritt Malter entschieden entgegen. „Das Angebot am Sonntag erging aus der Situation heraus“, sagte Malter der Berliner Morgenpost. Er erklärt,e er habe so eine Eskalation vermeiden wollen: „Deswegen habe ich weitgehende Angebote gemacht.“ Einzige Bedingung: Die Besetzer hätten das Haus freiwillig verlassen müssen. „Die Besetzer wollten aber erst die Garantie, dass sie im Haus bleiben können. Über diese Hürde sind wir nicht hinweggekommen.“ Die Folge: Etwa 100 Polizisten räumten das Haus, gegen 56 Teilnehmer wurden Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet. Malter versichert, dass er dennoch weiterhin zu Gesprächen mit den Aktivisten bereit sei. Aber: „Das uneingeschränkte Nutzungsangebot gilt nicht mehr.“

Gravierende Statikprobleme am Gebäude in Neukölln

Das Gebäude an der Bornsdorfer Straße steht seit rund fünf Jahren leer. Vor drei Jahren kaufte Stadt und Land das Haus. „Wir haben gedacht, sofort in die Sanierung gehen zu können“, sagte Malter. Bei den baulichen Voruntersuchungen wurden aber gravierende Statikprobleme festgestellt, die noch vor der Sanierung in Ordnung gebracht werden müssen. „Wir werden wahrscheinlich Beton unter die Fundamente pumpen und die rückwärtige Hauswand völlig ertüchtigen müssen. Das ist sehr aufwendig“, erklärte Malter.

Warum das Haus im Szenestadtteil Neukölln die vergangenen drei Jahre leer stand und nicht früher mit der Renovierung begonnen wurde, begründet Malter auch damit, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft Aufträge öffentlich ausschreiben müsse. „Da vergehen nach Ankündigung und Verhandlung mit den Bietern bis zu zehn Monate.“ Mittlerweile seien erste Verträge ausgehandelt worden, so Malter. Der Geschäftsführer ist „zuversichtlich, dass wir das Haus in acht bis zwölf Monaten fertig saniert haben“.

Verständnis von Bausenatorin Lompscher

Die rot-rot-grüne Koalition streitet dagegen, ob die Motive der Besetzer nachvollziehbar seien und ob die Räumung durch die Polizei gerechtfertigt war. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) äußert Verständnis für die Aktivisten: „Die Aktion zeigt, dass es in großen Städten wie Berlin für Menschen mit niedrigen Einkommen immer schwerer wird, eine Wohnung zu finden. Vor diesem Hintergrund ist die Motivlage der Besetzerinnen und Besetzer, ein deutliches politisches Zeichen zu setzen, nachvollziehbar.“ Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), äußerte Unverständnis über die Räumung des Hauses. „Die Räumung eines städtischen Hauses in Neukölln halte ich politisch für falsch“, sagt sie der Zeitung „Die Welt“. „Hier hätte die Regierung ein Zeichen setzen können, dass Berlin sich gegen den Ausverkauf der Stadt wehrt und darum neue Modelle ausprobiert.“ Innensenator Andreas Geisel (SPD) wies diese Kritik jedoch zurück. Die „Berliner Linie“ besage, Hausbesetzungen innerhalb von 24 Stunden zu beenden, so Geisel im RBB. Gespräche seien ergebnislos geblieben, er stehe voll hinter dem Einsatz der Polizei.

Die Opposition hingegen ist sich einig: Hausbesetzungen sind eine Straftat. Der wohnungspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Christian Gräff, erklärte: „Wir verurteilen diese illegale Aktion, Hausbesetzungen sind ein nicht hinzunehmender Rechtsbruch.“ FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja warf den Besetzern „asoziales Verhalten“ vor.

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