Hauptverdächtiger

Fall Georgine: Ali K. soll weitere Mädchen belästigt haben

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Alexander Dinger
Der Fall der 14-jährigen Georgine Krüger beschäftigte die Ermittler zwölf Jahre.

Der Fall der 14-jährigen Georgine Krüger beschäftigte die Ermittler zwölf Jahre.

Foto: Tom Maels/Davids/dpa

Der Hauptverdächtige hat offenbar nach der Tat weitere Mädchen belästigt. Die Polizei versäumte es, einen Zusammenhang herzustellen.

Berlin. Mehrere Tage hat sich die Berliner Polizei zum Fall Georgine Krüger nicht öffentlich geäußert. Am Mittwoch hat die Behörde gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Erklärungen zu den Ermittlungen veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass der Hauptverdächtige Ali K. offenbar weitere Mädchen belästigt hat. Zudem fehlte zunächst belastbares Material, um K. bereits früher in Haft nehmen zu können.

Laut Staatsanwaltschaft soll K. im Juli 2009 an der Stendaler Straße in Moabit zwei damals elf- und 13-jährige Mädchen, die ihm aus der Nachbarschaft und kurzen Gesprächen auf der Straße bekannt waren, verbal belästigt haben. „Aufgrund des anzüglichen Hintergrunds seiner Äußerungen wurde die aufgenommene Strafanzeige wegen Beleidigung an das für Sexualdelikte zuständige LKA 13 weitergeleitet“, heißt es in der von Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam veröffentlichten Mitteilung.

Die zuständige Sachbearbeiterin des LKA 13 informierte laut Polizei die 6. Mordkommission über die Anzeige, da Ali K. in der Straße wohnte, in der Georgine verschwand. Wenige Tage nach dem Verschwinden von Georgine war K. bereits im September 2006 im Zuge der Befragungen der Anwohner der Stendaler Straße in seiner Wohnung befragt worden. Er gab an, die Vermisste nicht zu kennen.

K. wurde laut Polizei 2009 vorgeladen und befragt. In dieser Befragung räumte K. den Kontakt zu den Mädchen ein, bestritt aber, dass es dabei zu Äußerungen mit sexuellem Hintergrund gekommen sei. Das LKA stufte den Sachverhalt damals als nicht strafrechtlich relevant ein. Angesprochen auf den Fall Georgine äußerte Ali K. lediglich, dass ihm bekannt sei, dass das Mädchen verschwunden sei.

2011 belästigte K. dann erneut ein Mädchen. In diesem Fall wurde er 2012 wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Allerdings wurde diese Erkenntnis wie vermutet offenbar nicht an die Mordkommission weitergeleitet. Erst Im Frühjahr 2016 erfolgte durch den Sachbearbeiter des Falles eine routine- und aktenmäßige Überprüfung von Personen, die im Verlauf der Jahre bei den Ermittlungen bekannt wurden. Dabei stieß der Sachbearbeiter bei K. auf die durch ihn begangene Sexualstraftat aus dem Jahr 2011. Zeugen aus den Jahren 2009 und 2011 wurden erneut vernommen.

Warum wurde Ali K. nicht schon früher festgenommen?

Erst in der Gesamtschau der zusammengetragenen Erkenntnisse erkannte die 6. Mordkommission im Frühjahr 2017 einen Tatverdacht gegen K. im Fall Georgine, den die Staatsanwaltschaft bestätigte. Daran schlossen sich umfangreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen an, die zuletzt zum Erlass eines Haftbefehls wegen Mordes und zur Festnahme des K. führten. Die Polizei wies Vorwürfe zurück, wonach sie Hinweise nicht ernst genommen habe. So sagte das Opfer der sexuellen Belästigung von 2011, dass sie die Polizei auf Verbindungen zu Ali K. hingewiesen habe, aber nicht ernst genommen worden sei. Die Anzeige wegen Vergewaltigung wurde damals von einer Sachbearbeitern der kriminalpolizeilichen Sofortbearbeitung der Direktion 3 gefertigt. Die junge Frau wurde damals von beiden Beamten vernommen. „Ob Äußerungen durch die Geschädigte mit Hinweis auf Georgine fielen, ist nicht dokumentiert und somit nicht mehr nachvollziehbar“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Damals seien diverser Kontaktpersonen aus dem Wohnumfeld der Geschädigten befragt worden und Untersuchungen vorgenommen worden. Von Ali K. wurden zudem Speichelproben für die DNA-Datei entnommen. „In der weiteren Sachbearbeitung im Fachkommissariat wurden von der Geschädigten keine Äußerungen in Bezug auf Georgine getätigt“, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Auf explizite Nachfrage am Ende der Vernehmung: „Haben sie noch etwas anzugeben, was bislang nicht zur Sprache kam?“ habe sie keine über den angezeigten Sachverhalt hinausgehende Angaben gemacht.

Die Polizei teilte außerdem mit, dass K zwar wenige Tage nach dem Verschwinden von Georgine Krüger im Zuge von Hausermittlungen, wie viele andere Bewohner der Stendaler Straße auch, befragt und dadurch formell Zeuge des Verfahrens wurde. Eine Erfassung aller Befragten im polizeilichen Informationssystem erfolge jedoch standardmäßig nicht. „Somit war für andere Dienststellen nicht erkennbar, dass der Tatverdächtige damals im Zuge der Hausermittlungen aufgesucht wurde“, sagte ein Polizeisprecher.

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