Lichtenberg

Bezirksstadtrat macht schwere Depression öffentlich

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Bezirksstadtrat Kevin Hönicke (SPD) aus Lichtenberg spricht offen über seine Erkrankung.

Bezirksstadtrat Kevin Hönicke (SPD) aus Lichtenberg spricht offen über seine Erkrankung.

Foto: Bezirksamt / BM

Kevin Hönicke, Bezirksstadtrat in Berlin-Lichtenberg, will Gerüchten zuvorkommen und macht schwere Depression öffentlich.

Berlin.  Manchmal kommt im Leben alles zusammen: Kevin Hönicke, Bezirksstadtrat und stellvertretender Bürgermeister von Berlin-Lichtenberg, machte in der Nacht auf Dienstag eine durchlittene Depression öffentlich, die ihn „fast sein Leben gekostet“ hätte. Damit will der SPD-Politiker nach eigenen Angaben Gerüchten vorbeugen, auch wenn er noch nicht absehen könne, welche Folgen das für ihn als Politiker und studierten Lehrer habe.

In den vergangenen Wochen stand Hönicke mehrfach im Licht der Öffentlichkeit, nachdem eine Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nach einem Wortgefecht von Hönicke mit der Vorsteherin abgebrochen wurde und vergessene Briefwahlstimmen im Amt aufgetaucht waren.

Eindrücklich schildert Kevin Hönicke im Blog auf seiner Homepage, wie die Erkrankung begann: „Angefangen hat es mit schlaflosen Nächten.“ Nie mehr als zwei Stunden Schlaf, dazu endloses Grübeln. Hinzu kommen körperliche Schmerzen und Atemnot. „Ich hatte, obwohl ich wusste, dass niemand da ist, das Gefühl, jemand drückt mir den Hals zu.“ Verantwortlich seien „private Schicksalsschläge“.

Depressionen: Stadtrat aus Lichtenberg wollte Erkrankung nicht wahrhaben

Hönicke sucht mehrere Notaufnahmen auf, doch die Ärzte können keine organische Ursache finden. „Obwohl mir bewusst war, dass ich wahrscheinlich an einer Depression erkrankt bin, wollte ich es nicht wahrhaben.“ Der Politiker macht im Beruf weiter, kümmert sich um seine Kinder und simuliert ein normales Leben, wie er schreibt.

Dabei ist davon an vielen Stellen nicht mehr viel übrig. „Ich war irgendwann so fertig, dass ich über eine halbe Stunde gebraucht habe, um mich für Socken zu entscheiden. Hönicke meidet die U-Bahn, läuft zu Terminen von Lichtenberg nach Charlottenburg, kann nicht mehr einkaufen.

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Dennoch sagt der Politiker: „Ich habe auf Arbeit noch funktioniert.“ Während er im Krankenhaus sitzt, nimmt er online noch an Besprechungen und Ausschüssen teil. Eine BVV-Sitzung steht Hönicke jedoch nur noch unter „höllischen psychischen und körperlichen Schmerzen“ durch. Danach verbot ihm sein Team, weiterzuarbeiten. Da hatte er schon 25 Kilo abgenommen.

Im nahe gelegenen Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge findet Kevin Hönicke schließlich Hilfe. „Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass man von einer sehr schweren Depression geheilt ist.“ Es gehe ihm jedoch heute besser als vor der Depression.

Kevin Hönicke will zu Akzeptanz der Erkrankung beitragen

„Ich danke allen Menschen, die ich bei dieser Reise zu mir selbst kennenlernen durfte.“ Einer dieser Menschen sei der Rapper Sido, der sich ebenfalls öffentlich zu seiner Depression bekannt habe. Es sei wichtig, dass die Depression eine in der Gesellschaft anerkannte Erkrankung werde. Es müsse genauso gefeiert werden, wenn jemand von einer Depression gesundet „wie ein Fußballer, der nach dem Kreuzbandriss nach Monaten mal wieder eingewechselt wird“.

„Wir müssen mehr werden und dazu stehen, weil die Scham vor der Krankheit Depression Menschen in den Tod bringt und wir alle zu lange gewartet haben, bis wir uns medizinische Hilfe geholt oder endlich bekomme haben.“ Er habe viele Menschen in der Klinik kennen gelernt, die bis heute unter der Krankheit litten. „Ich fühle mich geheilt, aber ich habe Respekt davor.“

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Heute tut es Hönicke leid, dass er Menschen bezüglich seiner Gesundheit belogen habe. „Ich schäme mich, dass ich so lange versucht habe, mich gegen die Anzeichen der Depression zu wehren und nicht Hilfe akzeptiert habe“, so der Politiker. Während er sich tagsüber habe behandeln lassen, habe er nachmittags und abends schon wieder Politik gespielt.

Hönicke schriebt, er sei sehr dankbar, „Teil der Menschheit auf dieser Erde“ zu sein. Er danke allen, die ihm Liebe schenken und ihn tragen. Vor allem aber habe er seinen drei und vier Jahre alten Kindern ein Versprechen gegeben: „Wir rocken das“, schreibt der Familienvater.

Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.