Die „Stasi-Stadt“ in Lichtenberg, zwischen Frankfurter Allee, Ruschestraße, Normannen- und Magdalenenstraße ist eines der historisch bedeutsamsten Gelände in Berlin. Dort steuerte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR die Überwachung und Unterdrückung eines ganzen Volkes.
Der einstige Ort der Repression soll zum Campus für Demokratie werden, zu einem Zentrum, an dem erfahrbar wird, wie die Stasi gearbeitet hat und wie Oppositionelle gegen den Machtapparat aufbegehrten. Zugleich, so wünscht es sich der Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde, Roland Jahn, soll das Gelände der Ort sein, an dem die Akten der Staatssicherheit langfristig aufbewahrt werden und zur Aufarbeitung zur Verfügung stehen.
Das Campus-Konzept basiert auf drei Säulen: dem Stasi-Museum, der Open-Air-Ausstellung zum Ende des SED-Staates sowie dem Archiv der Stasi-Unterlagen-Behörde.
Freiluftschau zum Ende der SED
Das berüchtigte Haus 1, 1960 erbaut, war das Kernstück des 22 Hektar großen, zu DDR-Zeiten hermetisch abgeriegelten Geländes. Es beherbergte die Zentrale der Staatssicherheit und den Dienstsitz des Ministers. Als „Schild und Schwert der Partei“ dirigierte sie von dem Karree in Lichtenberg aus fast 40 Jahre lang ihren Kampf gegen diejenigen, die sich den Vorgaben des SED-Regimes nicht fügten. Nach der Besetzung der Stasi-Zentrale im Januar 1990 durch Bürgerrechtler eröffnete die Antistalinistische Aktion Berlin Normannenstraße im November 1990 Haus 1 als Forschungs- und Gedenkstätte.
Damit wurde die ehemalige Zentrale der DDR-Geheimpolizei öffentlich zugänglich. Das Büro des Ministers und seine Privatgemächer, die Arbeitsräume der engsten Mitarbeiter sowie der große Konferenzsaal sind weitestgehend im Originalzustand erhalten und der beeindruckendste Teil des Stasi-Museums. Die Ausstellung im Museum hat derzeit einen etwas provisorischen Charakter, wird aber zu einer Dauerschau „Staatssicherheit in der DDR“ ausgebaut, die im Januar 2015 eröffnet werden soll.
Zweiter Baustein des Campus für Demokratie ist die Open-Air-Ausstellung der Robert-Havemann-Gesellschaft zur Friedlichen Revolution und dem Ende der SED-Diktatur. Sie beschäftigt sich mit Vorgeschichte, Ablauf und Folgen des Umbruchs und stellt jene Menschen und Gruppen in den Mittelpunkt, die die Revolution vorantrieben und die Demokratie erkämpften.
Die Schau war 2009/2010 ein großer Publikumserfolg auf dem Alexanderplatz. Lottomittel und Geld aus dem Etat der Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) machen es möglich, sie dauerhaft zu zeigen. Die Freiluftschau soll im Spätsommer 2015 eröffnet werden, rechtzeitig zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit.
Stasi-Unterlagen-Behörde zieht komplett nach Lichtenberg
Schließlich gehört zum Campus für Demokratie das einzigartige Archiv der Stasi-Unterlagen-Behörde: 111 Kilometer Akten, 39 Millionen Karteikarten, 1,8 Millionen Fotos und Dias sowie mehr als 30.000 Film- und Tondokumente spiegeln das Herrschaftswissen des Stasi-Apparates wider. Knapp die Hälfte dieser Akten und Dokumente sind im einstigen Zentral-Archiv der Staatssicherheit in Lichtenberg gelagert. Bei geführten Rundgängen erfahren Besucher, wie die Staatssicherheit arbeitete.
Wichtig für die Entwicklung und Bedeutung des Geländes ist aber auch, dass die Stasi-Unterlagen-Behörde komplett dorthin ziehen wird. Ihre Standorte in Mitte, also die Zentrale an der Karl-Liebknecht-Straße und die Ausstellung an der Zimmerstraße, werden aufgegeben. Das neben Haus 1 liegende Haus 7 soll nach einer Sanierung neuer Sitz der Jahn-Behörde werden. An der Karl-Liebknecht-Straße arbeiten derzeit 600 Mitarbeiter. Roland Jahn möchte für einige Jahre ein weiteres Haus auf dem Gelände mieten, das nicht mehr benötigt wird, wenn die Zahl der Anträge auf Akteneinsicht einmal spürbar zurückgeht. Zurzeit sind es 5000 Anträge pro Monat.
Dieser Umzug, ebenso wie die Planung für den Campus für Demokratie, habe nichts mit der Diskussion zu tun, wie es nach 2019 mit den Beständen der Stasi-Unterlagen-Behörde weitergeht, macht Roland Jahn deutlich. Bis dahin ist die Arbeit der Behörde festgeschrieben. Das Archiv müsse für Forschung, Medien und vor allem für die betroffenen Bürger, „die wissen wollen, wie es war und wer wen für die Geheimpolizei bespitzelt hat“, zugänglich bleiben, fordert Jahn. Das sei wichtig, „was unten am Türschild steht, ist zweitrangig“.
Und die ehemalige Stasi-Zentrale solle ein Lernort für Demokratie werden. Jahn kann sich dabei auf prominente Fürsprache berufen: Das Areal „als Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand zu nutzen und fortzuentwickeln“ ist im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD festgeschrieben.
Dauerhafte finanzielle Sicherung für das Archiv
Es gibt etliche Ideen, den Campus für Demokratie weiterzuentwickeln. Die Havemann-Gesellschaft würde beispielsweise gern ihr Archiv der DDR-Opposition dort unterbringen. Die jetzigen Räume in Prenzlauer Berg seien zu klein, zudem sei die Miete sehr hoch, sagt Olaf Weißbach von der Havemann-Gesellschaft. Ein weiteres Projekt: Roland Jahn möchte den Bund überzeugen, das ehemalige Offizierscasino auf dem Hof der „Stasi-Stadt“ zurückkaufen, das heute einem Privatmann gehört. Dort könnte die Bibliothek der Stasi-Unterlagen-Behörde einziehen.
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat in einem Antrag den Senat aufgefordert, eine landeseigene Projektgesellschaft zu gründen, um das Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale zum Campus der Demokratie zu entwickeln. In einem Antrag der Grünen, die ebenfalls die Beteiligung des Senats fordern, heißt es, dass neben der Jahn-Behörde „weitere Initiativen und Träger der politisch-historischen Bildungsarbeit wie die Robert-Havemann-Gesellschaft ihren Teil zu einem umfassenden Bildungsangebot beitragen sollen“.
Neben der Open-Air-Ausstellung solle auch das Archiv der DDR-Opposition dauerhaft finanziell gesichert werden. Die Grünen schlagen vor, dafür Geld aus den Novum-Mitteln, also dem ehemaligen SED-Vermögen, zu verwenden. Demnächst erwarte das Land Berlin nach Abschluss mehrerer Gerichtsverfahren noch einmal bis zu 20 Millionen Euro aus diesem Topf. Damit den Campus für Demokratie zu unterstützen wäre angesichts der Jubiläen von Mauerfall und Deutscher Einheit ein gutes Signal, meinen die Grünen.