Berlin. An der Markthalle Neun sollen sonnabends zusätzliche Stände stehen. Das sehen Gewerbetreibende und Bezirkspolitiker kritisch.

Der Streit um die mögliche Ausweitung eines Sonnabend-Marktes an der Eisenbahnstraße in Kreuzberg weitet sich zunehmend aus. Gegner haben jetzt eine Unterschriftenliste von Gewerbetreibenden der Nachbarschaft vorgelegt, die mit den von Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne) vorgetragenen Plänen nicht einverstanden sind. Es droht eine Auseinandersetzung wie im Fall der „Aldi muss bleiben“-Kampagne, die sich ab dem Jahr 2019 gegen die Betreiber der Markthalle Neun gewandt hatte.

Die Gegner formieren sich in der „Anwohnergruppe Kein (M9) Wochenmarkt auf Eisenbahnstraße“. Ihren Einwand sowie die Unterschriftenliste haben sie breit gestreut. Sowohl die Stadträte als auch Bundestagsabgeordneten und die Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) erhielten Mails.

Neuer Markt: Gegner sind Unternehmen ganz unterschiedlicher Art

Zu den Unterzeichnern zählen Unternehmen ganz unterschiedlicher Art. Dabei sind etwa ein Friseur, Gastronomen und das Feinkostgeschäft von Ioannis Sotiriadis. Er ist gegen die Pläne, weil er sein eigenes Angebot dadurch bedroht sieht. Bei früheren Food Märkten auf der Straße habe er um die Hälfte weniger eingenommen.

Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne).
Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne). © Kilian Vitt

Bis zur jüngsten BVV-Sitzung war sowohl den Anwohnern als auch vielen Bezirksverordneten gar nicht genau klar, was kommt. So gab es eine fünfteilige Einwohneranfrage an die zuständige Bezirksstadträtin Annika Gerold. Eine weitere, vom SPD-Verordneten Ahmet Iyidirli, hatte 18 Unterpunkte.

Voranfrage an den Bezirk

So war nun zu erfahren, dass die Betreiber der Markthalle Neun eine Voranfrage an den Bezirk auf Sondernutzung des Straßenlandes der Eisenbahnstraße gestellt haben. Zwei Stände bieten bereits sonnabends vor der Halle Lebensmittel an. Auf der nun beantragten Fläche würden bei Genehmigung vier weitere aufgestellt. Den Betreibern sei bei Übernahme der Halle 2012 eine Nutzung der Fläche davor im Kaufvertrag längst vertraglich zugesichert worden, sagte nun Gerold.

Daran entzündete sich nun die Debatte der Fraktionen. Iyidirli sagte, schon jetzt belasteten „Touristenströme“ das Umfeld. Die Anwohner wollten keinen zusätzlichen Publikumsverkehr. Er fordere eine Beteiligung der Anwohner vor einer möglichen Genehmigung durch Gerolds Amt. Sie hatte allerdings zuvor schon erklärt, dass vor der Erteilung einer Sondernutzungsgenehmigung durch das Amt ein öffentliches Planungsverfahren überhaupt nicht verpflichtend sei.

„Noch ein bisschen auf die Nerven gehen“

Gaby Gottwald von der Linken mahnte, dass beim aktuellen Konflikt auf jenen erneut „herumgetrampelt“ werde, die schon beim langjährigen Aldi-Streit unterlegen waren. Und: Die Gewerbetreibenden der Umgebung hätten Corona-Verluste hinnehmen müssen und stünden vor extremen Energiepreiserhöhungen. „Nun kommt die dritte Idee unter dem Motto: Was könnten wir noch machen, um denen ein bisschen auf die Nerven zu gehen?“.

Seitens der FDP sagte Co-Fraktionschef Michael Heihsel, mit einem Ablehnungsantrag gegen die Erweiterungspläne trieben SPD und Linke „eine populistische Sau durchs Dorf“. Er rechnete vor, dass in der angefeindeten Markthalle Neun 375 Menschen fest beschäftigt und elf Männer und Frauen ausgebildet werden.

Jan Thomas Alter von der CDU-Fraktion sagte, die Flächen an der Markthalle würden etwa durch Gastronomie schon jetzt sehr ausgenutzt. Als Kunde der Markthalle und zudem Anwohner könne er den Mehrwert einer Ausweitung der Stände „für die Menschen, die dort wohnen“ nicht erkennen. „Die Halle ist groß genug, ich würde es begrüßen, wenn es so bleibt wie es ist“, sagte Alter.

Markthalle Neun: Weiterer Ärger

Im Zuge der Markthallen-Diskussion gab es noch ganz anderen Ärger: Weil die Aversion in Teilen der Nachbarschaft besagte „Aldi-muss-bleiben“-Vorgeschichte hat, wollte eine Anwohnerin in einem BVV-Antrag wissen, wie es um die Ergebnisse eines früheren Dialogverfahrens stehe, das in Folge gestartet worden war.

Das hatte Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) zu beantworten. Da sie nicht anwesend sein konnte, verlas ihr Stellvertreter, Sozialstadtrat Oliver Nöll (Linke) ihre Antwort. Die bestand allerdings nicht aus einer üblichen Ausführung zum Thema. Stattdessen hatte er nur Drucksachen-Kennziffern herunterzurasseln, die auf frühere, online einsehbare Drucksachen verwiesen. So hatte es Clara Herrmanns Amtsvorgängerin Monika Herrmann (Grüne) im Januar 2021 bei einer verwandten Anfrage ähnlich getan.

Scharf formulierter Vorwurf

Das ließen sich allerdings die Fraktionen von Linke, SPD und FDP nicht bieten. Sie setzten einen Beschluss durch, in dem die BVV „das Bezirksamt und insbesondere die Bezirksbürgermeisterin“ aufforderte, die Einwohneranfrage „sachlich zu beantworten“. Scharf formulierter Vorwurf gegen Clara Herrmann in dem Beschluss: „Die bloße Aufzählung von Verweisen auf alte Drucksachen erachtet die BVV insbesondere gegenüber engagierten Bürger:innen und Bürgern dieses Bezirkes, die sich die Mühe machen, eine BVV aufzusuchen und ihr Fragerecht wahrzunehmen, als unangemessen.“ Hermann muss nun also nachliefern.

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