Der Görlitzer Park ist Hauptumschlagplatz für Cannabis-Drogen in Berlin. Die neue Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), bereitet jetzt erste Schritte vor, um das zu ändern. Sie will erreichen, dass die Drogen legal in einem Coffeeshop angeboten werden und damit der illegale Handel abebbt.
In der kommenden Woche beginne die Vorbereitung des Projekts, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag auf Anfrage der Berliner Morgenpost. Sie werde sich mit Experten in einer Arbeitsgruppe zusammensetzen. Ende August oder im September 2013 soll das Vorhaben in der Bezirksverordneten-Versammlung vorgestellt werden. Wenn die Bezirksverordneten zustimmen, soll die Einrichtung des Shops beim Bundesgesundheitsministerium beantragt werden.
Paragraf erlaubt Ausnahme
Zwar sei der Handel mit Drogen illegal, sagte die Grünen-Politikerin. Doch das Betäubungsmittelgesetz lasse eine Ausnahme zu. Die Genehmigung für den legalen Verkauf könne zu Zwecken, die im öffentlichen Interesse liegen, erteilt werden, heißt es im Paragrafen 3. „Wir werden in der Arbeitsgruppe diesen Zweck definieren“, sagte Herrmann. Man werde beraten, ob der Coffeeshop im Park oder daneben stehen soll.
Auch über die Folgen des legalen Verkaufs werden die Experten diskutieren. „Wenn es nur diesen einen Coffeeshop gibt, wird er viele Leute anziehen“, so Herrmann. „Deshalb wäre es sinnvoll, wenn Neukölln mitmacht und in der Hasenheide einen weiteren Shop einrichtet.“ Wenn die Voraussetzungen für das Kreuzberger Vorhaben geschaffen seien, dann wolle sie sich an die Kollegen vom Nachbarbezirk wenden.
Die Arbeitsgruppe werde auch die Folgen für die Dealer-Szene diskutieren, so die Bürgermeisterin, und eine mögliche Reaktion der Drogenbosse, wenn der Umschlagplatz im Görlitzer Park wegfällt.
Die derzeitige Situation sei unerträglich für Anwohner und Besucher des Parks, so Herrmann. „An allen Eingängen des Parks stehen Dealer. Sie machen die Leute an und laufen ihnen hinterher.“ Polizeieinsätze hätten bisher immer nur zu einer kurzzeitigen Verdrängung der Händler geführt. Coffeeshops mit legalem Drogenverkauf hätten sich in den USA bewährt, sagte Monika Herrmann. Dort, wo sie eingeführt wurden, sei der illegale Drogenhandel zum Erliegen gekommen. Die Steuereinnahmen seien gestiegen.
Senatsinnenverwaltung gegen Coffeeshop
Die Senatsinnenverwaltung lehnt Herrmanns Vorstoß ab. „Die Einrichtung eines Coffeeshops würde das Drogenproblem nicht entschärfen, sondern lediglich einen zusätzlichen Verkäufer am Görlitzer Park etablieren“, sagte Sprecher Jan Sijbrandij. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erlaube den Verkauf von Betäubungsmitteln nur ausnahmsweise. „Die Erlaubnis wird aber nicht erteilt, wenn von dem Projekt eine Wirkung ausgeht, die geeignet ist, die Belange der Allgemeinheit spürbar zu beeinträchtigen“, so der Sprecher. „Dies wäre bei Einrichtung eines Coffeeshops gegeben, weil die damit verbundene Signalwirkung die Hemmschwelle, Drogen auszuprobieren, senken könnte, was den Schutz noch nicht Abhängiger vermindern würde.“
Auch die Drogenbeauftragte des Berliner Senats sieht keine Chance für das Kreuzberger Vorhaben. „Die Eröffnung sogenannter Coffeeshops ist nach geltender Rechtslage weder Privatpersonen noch öffentlichen Einrichtungen erlaubt“, sagte Christine Köhler-Azara. Eine Ausnahmeregelung habe das Bundesinstitut bisher immer verneint, „wenn sich dahinter das Interesse an einer Gesetzesänderung oder die Erprobung einer veränderten Rechtslage verbirgt“. Das Gesetz könne nur von der Bundesregierung oder dem Bundestag geändert werden. Berlin oder ein Bezirksamt habe „nicht den Hauch einer Chance“.
Edgar Wiehler, seit fast 20 Jahren in der Kreuzberger Drogenberatung „Misfit“ tätig, hält Herrmanns Idee für derzeit schwer umsetzbar. „Die politischen Voraussetzungen sind nicht gegeben. Aber die Richtung zur Entkriminalisierung des Konsums ist gut.“ Berlin sei nicht bekannt dafür, in der Drogenpolitik besonders fortschrittlich zu sein. Coffeeshops dieser Art, wie sie Herrmann wolle, gebe es in Deutschland noch nicht, so Projektmanager Wiehler, seit Jahren aber schon in Holland. „Der Konsum von Cannabis ist dort trotz dieser Legalisierung nicht angestiegen – entgegen den Befürchtungen der Politiker.“ Der Handel mit diesen Drogen sei jedoch zurückgegangen.
Prävention und Polizeipräsenz
Immer wieder gerät der Görlitzer Park durch Drogenkriminalität in die Schlagzeilen. In den vergangenen Wochen führte die Polizei wiederholt Razzien durch und nahm Dealer fest. Am Donnerstag waren 80 Beamte im Einsatz. Sie beschlagnahmten 16 „Szenetütchen“ mit Drogen, mehrere Hundert Euro und ein verbotenes Messer. Zwei junge Männer wurden festgenommen, ein Platzverweis erteilt und 17 Strafanzeigen geschrieben.
„Der Görlitzer Park muss den Anwohnern zurückgegeben werden“, fordert der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner. „Sie brauchen ihn dringend.“ Wer einen Coffeeshop fordere, „der hat die Realität nicht mehr im Sinn“. Die Polizei müsse ständig präsent sein, um die Dealer zu vertreiben.
Der Sprecher der Innenverwaltung, Jan Sijbrandij, sagte, zusätzlich zur notwendigen Polizeiarbeit müssten außerdem geeignete Maßnahmen zur vorbeugenden Drogenbekämpfung ergriffen werden. Entsprechende Strategien sollten im Zusammenwirken verschiedener Behörden und freier Träger verfolgt werden.