Das Internationale Congress Centrum (ICC) soll erhalten werden. „Es sieht so aus, als bleibe es stehen“, bestätigte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) am Rande der Eröffnung der größten chinesischen Kulturmesse in der Metropole Shenzhen nahe Hongkong. Nachdem sich die SPD politisch zum Erhalt des ICC entschlossen hatte, stehen also mittlerweile auch bei der Linken die Zeichen auf Erhalt und Weiterbetrieb. „Wir sind offen für Argumente, die auf eine Sanierung hinauslaufen, wenn sie gut begründet sind und wenn die Sanierung nicht zu teuer für Berlin wird“, bestätigte die Sprecherin der Fraktion der Linken, Kathi Seefeld. Die Linken und auch Wirtschaftssenator Harald Wolf hätten sich immer für die kostengünstigste Variante ausgesprochen.
Manuela Damianakis, Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), widerspricht dem Wirtschaftssenator nicht, wollte aber auf Anfrage von Morgenpost Online nur soviel sagen: „Die beiden Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Wirtschaft haben eine gemeinsame Vorlage erarbeitet, die wir für die Senatssitzung am 27. Mai anmelden wollen. Das Ergebnis wird vom Gesamtsenat noch beschlossen werden müssen. Wir sind aber auf gutem Wege.“ Am 27. Mai sollen auch die Ergebnisse der drei beauftragten Gutachten – sie kosten jeweils 80.000 Euro – der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Nach langer Diskussion um das Flaggschiff unter dem Funkturm wollen der Senat und die rot-rote Koalition nun eine Entscheidung treffen. Ursprünglich hatten sich Wirtschaftssenator Wolf und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) für ein neues Kongresszentrum ausgesprochen, da das am 2. April 1979 eröffneten ICC im Betrieb als teuer gilt. Die Liste der Gutachten ist lang. Jahrelange Debatten um einen möglichen Abriss der Deutschlandhalle, den Neubau eines kleinen Kongresszentrums für knapp 63 Millionen Euro sowie eine Nachnutzung des ICC beispielsweise als Geschäfts- und Hotelstandort haben der Messe Berlin sicherlich nicht genützt. Mit dem Plan, die Deutschlandhalle für ein neues Kongresszentrum abzureißen, wäre auch die Frage der Eissportler noch nicht gelöst, die dort bislang trainieren. Bei der Variante, das ICC abzureißen und dort neu zu bauen, hätte es wiederum das Problem der Unterbrechung des Kongressgeschäfts während der Bauzeit gegeben.
Die Sanierung soll 100 Millionen Euro kosten
In der Debatte um Nachnutzung, Abriss oder Erhalt des ICC meldeten sich auch immer wieder Architekten zu Wort, die diese Bau-Ikone der Stadt nicht opfern wollten. Wenn man nicht auf Großkongresse verzichten wolle, gebe es keine wirtschaftliche Alternative zum ICC, rechnete Architekt Carsten Grauel erst kürzlich vor.
Und auch der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV) setzte sich schon frühzeitig für den Erhalt des ICC ein: „Ein Neubau müsste sich den exzellenten Ruf des ICC erst einmal lange Jahre erarbeiten. Schon deshalb ist das kein gangbarer Weg“, sagte AIV-Sprecher Jens Becker gestern. Die Sanierung des ICC sei die bessere Variante, sonst gebe es eine Baulücke bei Abriss oder ein leer stehendes Gebäude. „Das wäre fachlich die schlechteste Lösung. Das ICC würde verfallen und den Landeshaushalt belasten“, so Becker. Nach Experten-Schätzungen wird die Sanierung des ICC bei laufendem Betrieb rund 100 Millionen Euro mehr als ein Neubau kosten.
Das ICC war im vergangenen Jahr zum vierten Mal in Folge als weltweit führendes Konferenzzentrum mit dem „World Travel Award“ ausgezeichnet worden. Für das laufende Jahr ist es nahezu ausgebucht. Allein für die Jahre 2008 und 2009 stehen 81 Großveranstaltungen mit mehr als 320.000 Teilnehmern im ICC-Berlin-Kalender. Buchungen reichen bis zum Jahr 2019.
Die CDU fordert Sanierung und vorausschauende Investitionen
Die SPD sei dafür, das ICC zu sanieren und entsprechend dem Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger mittelgroße Räume, an denen es bislang mangele, zu ergänzen, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Jahnke. Bei den großen Sälen sei das Kongresszentrum unschlagbar, wie die zig Auszeichnungen zeigten.
Die CDU war sowohl auf Landes- als auch auf Bezirksebene immer für den Erhalt des markanten Gebäudes. Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) kritisierte die Diskussion von Anfang an als überflüssig und für den Standort schädlich: „Es ist ziemlich einmalig, dass eine Landesregierung eine mehrfach ausgezeichnete Immobilie selbst madig macht. Es ist auf Verschleiß gefahren worden.“ Wäre regelmäßig auch in die Technik investiert worden und alles auf einem zeitgemäßen Stand, wäre der Bedarf jetzt nicht so hoch, rügte er gestern. „Diese Vorgehensweise wird uns auch beim Olympiastadion wieder auf die Füße fallen, wenn wir nicht endlich in Klimatechnik, Sanitäranlagen, Beleuchtung und Medientechnik regelmäßig investieren, so wie es jeder vorausschauende Hausbesitzer auch tut“, sagte Gröhler.
Aus Sicht der Grünen musste Wolf "klein beigeben"
Die FDP fordert unterdessen, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) „endlich ein Machtwort spricht, damit der Senat seine Verunsicherungskampagne zum ICC beendet“. Bei der Entscheidung müsse SPD und Linken auch vor dem Hintergrund der Tempelhoffrage klar sein, „dass ein komplettes Abwickeln des Westens unserer Stadt Rot-Rot politisch nicht überleben wird“, sagte Martin Lindner, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die Grünen mahnten nun einen Zeit- und Finanzierungsplan für die Sanierung des ICC an. „Er ist längst überfällig. Der Haushaltsplan 2008/9 sieht keinerlei Geld für die ICC-Sanierung vor. Es ist zu befürchten, dass der Senat nach der jahrelangen Entscheidungsphase auch die Durchführung auf den Sankt-Nimmerleinstag verschiebt“, meinte Grünen-Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig. Sie fordert, dass die „leidige Geschichte nun zugunsten der Sanierung des ICC endlich beendet werden muss“. „Endlich muss Harald Wolf klein beigeben“, wertet Eichstädt-Bohlig die Äußerung Wolfs in China, dass das ICC stehen bleibe.
Sollte das ICC mit seinen rund 20.000 Plätzen für die Zukunft fit gemacht werden, dürfte auch die Bronze-Skulptur „Ecbatane – Der Mensch baut eine Stadt“, die 2005 vor dem Haupteingang abgebaut wurde und eingelagert ist, eine Zukunft haben. Die Restaurierung der wegen Korrosion einsturzgefährdeten Figur und des Sockels wird auf mehr als 100.000 Euro geschätzt.