Kurfürstendamm

Gegen PS-Protze: Am Kudamm steht jetzt ein Lärmblitzer

| Lesedauer: 5 Minuten
Jessica Hanack
Mit diversen Mikrofonen misst der Lärmblitzer am Kurfürstendamm in Berlin, wie laut vorbeifahrende Fahrzeuge sind.

Mit diversen Mikrofonen misst der Lärmblitzer am Kurfürstendamm in Berlin, wie laut vorbeifahrende Fahrzeuge sind.

Foto: Maurizio Gambarini / FFS

In Berlin wird in den kommenden Monaten eine neue Technik getestet, um getunte Autos zu erfassen. Doch es gibt auch rechtliche Hürden.

Berlin.  Die Wahl des Standorts für das Forschungsprojekt fiel den Experten nicht schwer: Der Berliner Kurfürstendamm ist bekannt als Strecke, auf der regelmäßig Raser, aber auch Poser mit getunten Autos unterwegs sind. Und so wurde in Abstimmung mit der Berliner Polizei entschieden, auf Höhe der Gedächtniskirche den Lärmblitzer zu testen, den das Land aktuell aus Frankreich ausgeliehen ist. Er erfasst in den kommenden acht Wochen Fahrzeuge, die zu laut sind – mithilfe von diversen Mikrofonen und Kameras.

Ziel des Tests ist es zu untersuchen, wie laute Autos oder Motorräder automatisiert identifiziert werden können. Der französische Lärmblitzer, der von der Umweltorganisation „Bruitparif“ entwickelt wurde, kommt dafür erstmals in Deutschland zum Einsatz. Bislang wurde er in und um Paris getestet. In Berlin wird das Ganze deshalb auch als wissenschaftliches Projekt in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin umgesetzt. Eine der Fragen, die geklärt werden soll, ist: Lässt sich ermitteln, ob ein Fahrzeug zugelassen, aber beispielsweise durch starkes Beschleunigen zu laut ist oder ob es sich um ein illegal getuntes Auto handelt?

Vom Lärmblitzer erfasste Verkehrsverstöße werden nicht geahndet

In Deutschland kann für zu laute Fahrzeuge bereits heute ein Bußgeld verhängt werden, 80 Euro werden etwa im Falle einer unnötigen Lärmbelastung im Straßenverkehr fällig. Beim Fahren ohne Betriebserlaubnis aufgrund von unerlaubtem Tuning kann die Strafe noch höher ausfallen. „Es gibt den Bußgeldtatbestand, aber die Verfolgung ist sehr, sehr schwierig. Die technische Innovation soll uns dabei helfen“, sagt Berlins Verkehrs- und Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU). Zugleich werde die Initiative, die von Vorgängerin Bettina Jarasch (Grüne) ausging, auch auf den Bereich der Verkehrssicherheit einzahlen.

Allerdings: Wirklich geahndet werden können Verstöße auf Basis der Lautstärke, die der Lärmblitzer misst, nicht. Dazu fehlt nach Angaben der Verkehrsverwaltung bislang die rechtliche Grundlage, nötig wäre demnach erst eine Anpassung der Straßenverkehrsordnung. Auch Halterdaten oder Gesichter werden in dem Versuchszeitraum nicht erfasst, sondern nur die Kennzeichen zu lauter Fahrzeuge festgehalten. Auf dieser Basis sollen technische Merkmale der Autos oder Motorräder bei der Zulassungsbehörde und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgefragt werden. Dazu gehört die Antriebsart oder das Fahrgeräusch.

Lärmblitzer am Kudamm besitzt acht Mikrofone und eine 180-Grad-Kamera

In Berlin soll der Lärmblitzer ausgelöst werden, wenn ein Schwellenwert von 82 Dezibel erreicht oder überschritten wird. Dazu setzt die französische Technik auf zwei akustische Module. „Jedes Modul besteht aus vier Mikrofonen und mit diesen Mikrofonen können wir präzise feststellen, welche die lauteste Lärmquelle ist“, erklärt Raphael Coulmann, Geschäftsführer der Firma Viginoiz, die das Gerät an Berlin ausgeliehen hat. Erfasst wird mit den Mikrofonen, die in etwa sieben Meter Höhe an einem Mast im Mittelstreifen des Kurfürstendamms hängen, der Schallpegel wie auch der Ursprungswinkel des Lärms.

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Zusätzlich gibt es eine 180-Grad-Kamera, die mit den Akustikmodulen gekoppelt ist, und die während eines erfassten Verstoßes das gesamte Umfeld fotografieren kann. Zwei weitere, spezielle Kameras lesen dann das Kennzeichen des Fahrzeugs, das den Schwellenwert überschritten hat, aus. Mithilfe von Infrarot funktioniere das auch in der Nacht, erklärt Coulmann. Dass er oder sie geblitzt wurde, ist für den Fahrer oder die Fahrerin nicht erkennbar. Ein optisches Signal sollte laut Verkehrsverwaltung bewusst vermieden werden, um keine Bestätigung oder einen weiteren Anreiz fürs Erzeugen von Krach zu erzeugen.

Ergebnisse sollen für neuen Lärmaktionsplan in Berlin genutzt werden

Geplant ist, die Ergebnisse des Forschungsprojekts auch für Berliner Lärmaktionsplan zu nutzen, der in den kommenden Monaten fortgeschrieben wird. Im Juli 2024 soll die Überarbeitung veröffentlicht werden. Dass Lärm für viele Berlinerinnen und Berliner ein Thema ist, hatte die Öffentlichkeitsbeteiligung für den Lärmaktionsplan 2019-2023 gezeigt: In mehr als 400 Beiträgen hatten Menschen auffälliges Verhalten von Verkehrsteilnehmern bemängelt, dazu gehörte etwa starkes Beschleunigen, illegale Rennen oder Fahrzeug-Manipulationen.

Das Thema Verkehrslärm bedeute für viele Menschen in der Stadt Stress, sagt auch Umweltsenatorin Schreiner. Gerade in einer Großstadt wie Berlin seien Rücksichtnahme, Respekt und das Einhalten von Regeln wichtig. Um dafür zu sorgen, sei das Testen des Lärmblitzers ein weiteres „Mosaiksteinchen“, so Schreiner, die darüber hinaus auch weitere Tempo-30-Zonen nicht ausschloss. „Man kann natürlich darüber nachdenken, Tempo 30 an viel bewohnten Hauptverkehrsstraßen einzurichten. Darüber reden wir in dem Lärmaktionsplan“, sagte sie. Eine Lösung, um auch das Vorankommen des Wirtschaftsverkehrs zu berücksichtigen, könnten zeitliche Begrenzungen sein.

ADAC bewertet stationären Lärmblitzer skeptisch

Skepsis gegenüber dem Forschungsprojekt äußerte am Dienstag der Autoclub ADAC. „Die Einrichtung von stationären Lärmblitzern halten wir für wenig erfolgversprechend bei der Ahndung, da sich die Standorte schnell herumsprechen werden und das Problem eher verlagern als lösen“, erklärte Martin Koller, Verkehrsvorstand vom ADAC Berlin-Brandenburg. Stattdessen plädierte der Autoclub für mehr Kontrollen und Polizeipräsenz, insbesondere an Hotspots wie dem Kurfürstendamm. Als weitere Möglichkeit für die Selbstbewertung und eine freiwillige Verhaltensanpassung nannte Koller Lärmdisplays, schränkte jedoch ein, diese könnten „auch animierend auf die Poser-Szene wirken“.