Berlin. Die “Letzte Generation“ will Berlin Ende April mit etlichen Blockaden lahmlegen. Die Polizei wappnet sich mit ungewöhnlichen Maßnahmen.
Die Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" plant in der letzten Aprilwoche bis in den Mai hinein in Berlin massive Straßenblockaden und andere Protestaktionen. "Ab Montag, dem 24. April, bringen wir Berlin friedlich durch Straßenblockaden zum Stillstand", heißt es auf der Homepage. Zuvor sei am Sonntag, 23. April, ab 15 Uhr am Brandenburger Tor eine Versammlung geplant.
Die Polizei Berlin bereitet sich derzeit auf die Protestwelle der Klimaaktivisten vor. Nach Informationen der Zeitung Welt am Sonntag will die Behörde während des anstehenden Aktionszeitraums Klebeverbote nach dem Versammlungsfreiheitsgesetz aussprechen. Seit November 2022 sei dies bereits in 17 Fällen geschehen. Die betroffenen Aktivisten dürften sich dann ein halbes Jahr lang nicht mehr bei Blockaden festkleben. Bei Verstößen drohen Zwangsgelder in Höhe von je 2000 Euro.
Neben den geplanten Klebeverboten soll die Polizei in einer internen Lageeinschätzung neuralgische Punkte in Berlin definiert haben, die im Fokus von Aktionen der Klimaaktivisten stehen.
Demnach zählen dazu:
- das Regierungsviertel
- das Landwirtschaftsministerium
- das Verkehrsministerium
- die Parteizentrale der SPD
- das Haus der Deutschen Wirtschaft
- die Zentralen der Energieversorger wie Eon und Vattenfall
- der Sitz des Pharmakonzerns Bayer
Laut des Berichts soll auch der Flughafen BER stärker bewacht werden. Der "Letzten Generation" war es im November 2022 gelungen, zeitweise den Flugverkehr am Hauptstadt-Airport lahm zu legen.
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Letzte Generation in Berlin: Sorge wegen Einsatzverzögerungen
Wegen der anstehenden Proteste gibt es auch Befürchtungen, dass es zu Einsatzverzögerungen bei der Berliner Feuerwehr kommen könnte. Gegenüber der Welt am Sonntag sagte Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, dass die Aktivisten sicherstellen müssten, "dass die Feuerwehr sich durch die Stadt bewegen kann, und zwar zügig, notfalls über Rettungsgassen". Es müsse "ausgeschlossen" werden, dass es zu zeitlichen Verzögerungen bei der Versorgung von Verletzten und Kranken oder zur Behinderung von Einsatzkräften komme. Schreiner appellierte an die "Letzte Generation", dass Klimaaktivismus "nicht zulasten der Gesundheit gehen" dürfe.
Die "Letzte Generation" behauptet auf ihrer Homepage, Rettungsgassen zu bilden. Karsten Hintzmann, Sprecher des Landesverbandes Berlin des Deutschen Roten Kreuzes, sagte der Zeitung, dass Rettungsgassen bei diesen Staus erfahrungsgemäß oft nicht gebildet werden könnten.
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Feuerwehr Berlin: 28 Einsatzverzögerungen zwischen Juni 2022 und Februar
Zwischen Juni 2022 und Februar 2023 war es zu 28 Einsatzverzögerungen der Feuerwehr gekommen. Das geht aus Unterlagen hervor, die der Welt am Sonntag vorliegen. Demnach betrug die gesamte Verzögerungsdauer bei Feuerwehreinsätzen in diesem Zeitraum 315 Minuten. Je nach Einzelfall dauerte die Verzögerung zwischen 1 und 64 Minuten.
In den Unterlagen werden verzögerte Rettungseinsätze wegen Klima-Blockaden aufgelistet. Im vergangenen Oktober war ein Rettungswagen drei Minuten zu spät zu einem Schlaganfallpatienten gekommen. Bei einem anderen Patienten, der Schmerzen in der Brust hatte, waren es sogar 26 Minuten. Im Januar 2023 musste ein Patient mit Atemnot zwei Minuten länger auf den Krankenwagen warten. Im Februar kam ein Einsatzteam der Feuerwehr fünf Minuten später als geplant zu einem Patienten mit Herzbeschwerden.
Keine Anklage gegen Klimaaktivisten wegen Tod einer Radfahrerin

Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Berlin mitgeteilt, dass die Klimaaktivisten nicht schuld am Tod einer Radfahrerin an der Bundesallee sind. Zwar habe eine Protestaktion von zwei Mitgliedern der Klima-Protestgruppe am 31. Oktober 2022 auf der Stadtautobahn A100 zum Stau geführt und damit die Ankunft eines Spezialfahrzeug der Feuerwehr verzögert, das bei der Bergung der 44-Jährigen helfen sollte. Darauf sei es aber angesichts einer "notfallmedizinisch vollkommen korrekten" Entscheidung der Notärztin vorher nicht angekommen, hieß es.
Laut Staatsanwaltschaft wäre die Radfahrerin angesichts ihrer schweren Verletzungen ohnehin nicht mehr zu retten gewesen. Dies habe die Obduktion ihrer Leiche ergeben.
Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen und Diskussionen gesorgt. Die Gruppe "Letzte Generation" wurde heftig für ihre Aktionen kritisiert. Ganz ohne strafrechtliche Folgen bleibt die Aktion am 31. Oktober 2022 auch nicht: Die Staatsanwaltschaft hat gegen die beiden Aktivisten Anklage wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erhoben. Sie sollen sich deshalb vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten.
JP/dpa