Clans in Berlin

Rapper D-Bo springt Arafat Abou-Chaker vor Gericht zur Seite

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Der Rapper Bushido, hier im Jahr 2019, muss am Mittwoch erneut in den Zeugenstand.

Der Rapper Bushido, hier im Jahr 2019, muss am Mittwoch erneut in den Zeugenstand.

Foto: Sebastian Willnow / dpa

Der langjährige Weggefährte von Rapper Bushido, Danny Bokelmann alias D-Bo, verteidigte Arafat Abou-Chaker am Mittwoch vor Gericht.

Berlin. Geldgieriger Tyrann oder großzügiger Freund, brutaler Unterdrücker oder Opfer eines Klischees: An Arafat Abou-Chaker scheiden sich die Geister. Ist der 46-Jährige kriminell und schreckt, um seine Ziele zu erreichen, auch vor Gewalt nicht zurück? Würde er Kinder entführen und Frauen mit Säure im Gesicht verletzen?

So zumindest stellt es der Rapper Bushido dar, der seinen ehemaligen Geschäftspartner und Manager und drei von dessen Brüdern mit seinen Aussagen auf die Anklagebank des Berliner Landgerichts gebracht hat. Zu Unrecht, zeigte Danny Bokelmann überzeugt. Der 44-Jährige, der am Mittwoch im Prozess als Zeuge aussagte, machte dafür Bushido schwere Vorwürfe. „Falschbehauptungen sehen einige als probates Mittel, um zu erreichen, was man will.“

Seit fast zwei Jahren müssen sich Arafat sowie Nasser, Yasser und Rommel Abou-Chaker unter anderem wegen Freiheitsberaubung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verantworten. Ein Großteil der Vorwürfe basiert auf Bushidos Aussagen. Demnach soll die Situation eskaliert sein, nachdem er sich von seinem Geschäftspartner lossagte.

Bokelmann: „Bushido besitzt sehr große manipulative Fähigkeiten“

Am 18. Januar 2018 sei Bushido dann von den Angeklagten in einem Büro festgehalten, beschimpft und körperlich misshandelt worden. Arafat Abou-Chaker habe dabei eine hohe Abfindung verlangt. „Bushido besitzt sehr große manipulative Fähigkeiten“, zeigte sich hingegen Bokelmann überzeugt. Anis Ferchichi, so der bürgerliche Name des Rappers, habe in der Öffentlichkeit geschickt das Bild von sich selbst als armem Opfer auf der einen und dem bösen Clan auf der anderen Seite gezeichnet. Wahr sei das jedoch nicht.

Bokelmann reiht sich in eine ganze Reihe teils mehr, teils weniger prominenter Zeugen aus dem Deutschrap ein. Der gebürtige Göttinger stand selbst unter dem Künstlernamen „D-Bo“ auf der Bühne und arbeitet heute unter anderem als Produzent. Mit Bushido war er lange eng befreundet. Kennengelernt hatten sich beide bereits Ende der 1990er-Jahre. Die Liebe zur Musik führte beide Männer zusammen. 2004 gründeten sie gemeinsam das schnell sehr erfolgreiche Musiklabel „Ersguterjunge“. Im gleichen Jahr zog Bokelmann von Göttingen nach Berlin und wohnte ab 2007 mit Ferchichi zusammen.

Heute ist die Freundschaft längst Geschichte. Bokelmann zeichnete dabei ein sehr unsympathisches Bild des Rappers. Ferchichi sei launisch, manipulativ und definiere sich nur über materielle Dinge. „Er ist ein extremer Narzisst, der Probleme hat, wenn die Welt nicht so ist, wer er sie sich vorstellt.“ Zu richtigen Freundschaften sei er nicht fähig, Menschen würde er schnell fallen lassen, wenn er merkte, dass sie ihm nichts nützen. Auch die Freundschaft zu ihm habe Ferchichi mehrfach für beendet erklärt. „Er hatte da immer so kindische Anwandlungen.“ So habe Bushido einmal nichts mehr mit D-Bo zu tun haben wollen, weil der eine Freundin hatte. Seit Anfang 2019 haben beide gar keinen Kontakt mehr.

Bushido habe Arafat für seine Attitüde als Gangsterrapper gebraucht

Auch zu den vier Angeklagten pflege er keine enge Freundschaft, so Bokelmann weiter. Man laufe sich hin und wieder beruflich über den Weg, tausche sich aus, schwelge in Erinnerungen. Das schlechte Bild, dass vor allem von Arafat Abou-Chaker in der Öffentlichkeit besteht, habe Bushido in die Welt gesetzt. Bereits von Anfang an habe er ihn „ziemlich mystifiziert“ und „öffentlich mit ihm gedroht“.

Der oft als Clanchef titulierte Arafat sei für Bushido in Wirklichkeit Mentor, Beschützer und großer Bruder gewesen – ein „Imagegeber“. Denn das, wovon Bushido rappt, sei nie Teil seiner Realität gewesen. „Er brauchte Arafat für seine Attitüde.“ Denn zum Gangsterrap würden Personen gehören, „die sich zu kriminellen Taten hinreißen lassen“. Vor diesem Hintergrund sei Abou-Chaker sein Geld absolut wert gewesen.

Bushido und Arafat kamen 2004 zusammen. Der Rapper, der damals erste Erfolge feierte, war damals noch beim Label „Aggro Berlin“ unter Vertrag und dort unzufrieden. Er habe auf eigenen Beinen stehen wollen und „Künstlerneid“ etwa auf Sido verspürt, sagte Bokelmann. Aggro Berlin wollte ihn damals aber nicht gehen lassen. Erst nachdem sich Arafat Abou-Chaker einschaltete, wurde der Vertrag aufgelöst. Seither gibt es Gerüchte, dies sei unter der Androhung oder Anwendung von Gewalt geschehen. Laut Bokelmann sei es jedoch vielmehr Arafats Talenten als Problemlöser und Verhandler zu verdanken.

Arafat war engagiert, wollte mitarbeiten und was aufbauen

Auch bereichern habe sich Arafat an Bushido nie wollen. „Er war engagiert, wollte mitarbeiten, was aufbauen und Geld verdienen“, so der Zeuge weiter. Beide seien gleichberechtigte Partner gewesen. Unterdrückt oder zu Dingen und Unterschriften gezwungen habe der Manager den Rapper nie. Vertraglich sei festgehalten worden, dass Arafat 30 Prozent aller Einnahmen erhält, die Bushido als Künstler macht und 50 Prozent aus denen, die alle anderen Künstler des Labels erhalten.

Dass Arafat Abou-Chaker am 18. Januar 2018 gegenüber Bushido gewalttätig wurde, glaube er nicht, sagte Bokelmann. „Und ich habe den Eindruck, dass es Arafat stört, dass solche Geschichten in die Welt gesetzt werden.“

Bushido war während Bokelmanns Aussage nicht im Gerichtssaal. Eigentlich war geplant, dass er erneut in den Zeugenstand gerufen wird. Denn vor einigen Monaten tauchte plötzlich eine Audioaufnahme auf, die am Tattag entstanden sein und ein anderes, deutlich friedlicheres Bild der Ereignisse zeichnen soll. Bushidos Anwalt Steffen Tzschoppe bezweifelt allerdings, dass die Datei echt ist. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Ein Urteil ist für den 26. Oktober geplant.