Berlin. Angesichts des Mietendeckels ruft der Eigentümerverband seine Mitglieder zu raschen Mieterhöhungen auf - mit Countdown auf der Seite.

Berlins Vermieter zählen die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden. Auf der Internetseite des Berliner Eigentümerverbands „Haus und Grund“ laufen sie blau auf weiß ab, bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem der rot-rot-grüne Senat die Mieten einfrieren könnte. „Die womöglich letzte Chance, die Miete zu erhöhen, endet am 17. Juni 2019“, steht über dem Countdown. Schnell noch die Mieterhöhung rausschicken, bevor der Mietendeckel greift – so die Argumentation.

Der Hintergrund: Der Senat will am 18. Juni den Mietendeckel beraten. Dann sollen die Eckpunkte für ein entsprechendes Landesgesetz besprochen werden. Neben dem Einfrieren der Mieten für „nicht preisgebundene Wohnungen in Mehrfamilienhäusern“ für die kommenden fünf Jahre ist auch vorgesehen, überhöhte Mieten auf Antrag zu senken.

Frühestens zu Beginn 2020 würde die neue Regelung gelten

Die neuen Regelungen müssen erst beraten und beschlossen werden, und danach durchs Parlament. Das Ganze wird also vermutlich erst im Dezember verabschiedet, soll frühestens 2020 gelten. Aber der Verband rechnet damit, dass der Mietendeckel rückwirkend zum 18. Juni in Kraft treten könnte. Auch der Mieterverein hält das für plausibel.

Die Politik reagierte mit Empörung auf den Aufruf. So sprach Katrin Lompscher, Senatorin für Wohnen von der Linken, von einem „verheerenden Signal“. „Mieterinnen und Mieter werden so zum Faustpfand der Immobilienlobby degradiert. Wer Mieterhöhungen gezielt einsetzt, um die Politik auf Kosten von Mieterinnen und Mieter unter Druck zu setzen, entlarvt sich selbst.“

„Der Aufruf führt dazu, dass noch mehr Angst entsteht“

Selbst die größte Oppositionsfraktion im Abgeordnetenhaus – von Amts wegen selten einer Meinung mit Rot-Rot-Grün – kann dem Vorstoß des Eigentümerverbands nichts abgewinnen. „Ich finde den Aufruf reichlich skurril“, sagt der wohnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Christian Gräff. Er fürchte, dass dadurch eben jene Privatvermieter, denen viel an einem guten Verhältnis zu ihren Mietern liege und die von „Haus und Grund“ vertreten würden, in Verruf gerieten. Es herrsche viel Angst vor Verdrängung bei den Mietern. „Der Aufruf wird eher dazu führen, dass noch mehr Angst entsteht.“

Auch auf den Social-Media-Kanälen von Politikern und Mieterorganisationen war die Entrüstung über die Aktion von „Haus und Grund“ groß. Die Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) nannte sie verantwortungslos, und forderte einen bundesweiten Mietendeckel. Die Initiatoren des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ sehen sich in ihrem Kurs bestätigt. Der Berliner Bundestagsabgeordnete der Linken Stefan Liebich twitterte: „Nun erst recht.“

Eigentümerverband: „Die Politik zwingt uns dazu“

Der Landesvorsitzende von „Haus und Grund“, Christian Brückner, ließ sich von der geballten Kritik nicht verschrecken – im Gegenteil. Auf Anfrage der Berliner Morgenpost ging er erneut in die Offensive: „Diese Leute wissen nicht, um was es geht“, so Brückner. Bei der empfohlenen Mieterhöhung handle es sich um jene, die sowieso mit dem neuen Mietspiegel von Mai möglich seien. Man empfehle diese lediglich einzufordern, bevor die neue Regelung in Kraft tritt. „Die Politik hat uns zu diesem Schritt gezwungen“, sagt Brückner.

„Haus und Grund“ vertritt die Interessen von rund 8200 privaten Wohnungs- und Hauseigentümern in Berlin und berät sie rund um die eigene Immobilie. Brückner wies darauf hin, dass man gemeinsam mit der Senatsverwaltung den aktuellen Mietspiegel ausgearbeitet habe. „Frau Lompscher hat ihn als moderate, mietendämpfende Maßnahme präsentiert. Wenn sie ihn nun aushebeln will, dann muss man sich fragen: Hat die Senatorin uns und den Berlinern etwas vorgespielt?“ „Haus und Grund“ hält sofortige Mieterhöhungen in solchen Wohnungen für erforderlich, in denen Vermieter nicht die maximale Miete ausschöpfen, die der Mietspiegel erlaubt. Laut diesem Bundesgesetz zur Mietpreisbremse darf die Miete maximal zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Der Mieterverein rät Mietern: Nicht in Panik verfallen

Für den Berliner Mieterverein ist der Aufruf zur Mietsteigerung „Panikmache“ – und unlauter. „In den letzten Jahren haben die Vermieter bei Mieterhöhungen stark zugegriffen“, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. Und rät den Mietern, nicht selbst in Panik zu verfallen. So stünde den Mietern im Schnitt eine Frist von zwei Monaten zu, um die geforderte Mieterhöhung zu überprüfen. Der Countdown für Mieterhöhungen, er gelte demnach womöglich für die Eigentümer – nicht jedoch für die Mieter.

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