Sicherheitspolitik

Innensenator Geisel gegen zentralisierten Verfassungsschutz

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A. Dinger, A. Abel und R. Finke
Berlins Innensenator Andreas Geisel

Berlins Innensenator Andreas Geisel

Foto: Michael Kappeler / dpa

Der SPD-Politiker kritisiert den Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas De Maizière, mehr Kompetenzen an den Bund zu verteilen.

Berlins Innensenator An­dreas Geisel (SPD) hat sich gegen einen zentralen Verfassungsschutz beim Bund ausgesprochen. „Der Vorschlag des Bundesinnenministers, die Aufgaben des Verfassungsschutzes beim Bund zu zen­tralisieren, ist kein neuer Vorschlag. Er wurde zuletzt im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex diskutiert“, sagte Geisel. Eine Zentralbehörde hätte zwar den Vorteil, dass ein Informationsaustausch zwischen den Behörden nicht mehr erfolgen müsste. Die Landesbehörden für Verfassungsschutz würden jedoch lokale extremistische Bestrebungen früher sehen und könnten darauf schneller reagieren als eine tendenziell unbeweglichere Zentralbehörde. „Die Terrorismusbekämpfung durch den Verfassungsschutz setzt auch eine enge Kooperation mit anderen Behörden vor Ort voraus. Hier bestehen vertrauensvolle Kommunikationsbeziehungen aus einer langjährigen Zusammenarbeit. Dies kann eine Zentralbehörde nicht gewährleisten“, so Geisel weiter.

Auch aus den Sicherheitsbehörden kommen Bedenken zu de Maizières Forderungen. Zwar wird grundsätzlich begrüßt, dass etwa über Kommunikationswege diskutiert werde, doch einer Zen­tralisierung von Aufgaben stehen Mitarbeiter skeptisch gegenüber. „Man muss als Ermittler so nah dran sein, dass man das Gras wachsen hören kann“, sagte ein Insider der Berliner Morgenpost. Offiziell äußern will sich aus den Behörden niemand. Der Forderung de Maizières nach mehr Kompetenzen für den Bund bei Abschiebungen steht die Innenverwaltung aufgeschlossen gegenüber. „Das ist ein gänzlich neuer Vorschlag, den wir erst noch eingehend prüfen müssen“, sagte ein Sprecher.

Die Berliner Abgeordneten diskutieren intensiv über die Vorschläge des Ministers. Die FDP lehnt sie rundweg ab und spricht von „Aktionismus“ der CDU, der dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf geschuldet sei. Zentralisierung führe in aller Regel zu Ineffizienz, sagte der Fraktionssprecher der Liberalen für Inneres und Sicherheit, Marcel Luthe. Tom Schreiber, Verfassungsschutzexperte der SPD-Fraktion, ist ebenfalls der Überzeugung, dass Zentralismus nicht weiterhelfe. „Man braucht die Fachleute vor Ort, sonst geht Sicherheitspotenzial verloren“, sagte Schreiber der Berliner Morgenpost. Eine Zentralbehörde sei zudem nicht wirksam parlamentarisch zu kontrollieren. Schreiber wandte sich auch dagegen, bei der Zuständigkeit für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in Länderrechte einzugreifen. Vielmehr müssten die lokalen und regionalen Strukturen ausgebaut werden, um etwa die Salafistenszene besser beobachten zu können. Schreiber forderte die etablierten Parteien auf, beim Thema innere Sicherheit Geschlossenheit zu zeigen. Das Thema zum Wahlkampfschwerpunkt zu machen, spiele nur der AfD in die Hände.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann, meinte hingegen, es sei noch zu früh, um die Vorschläge des Innenministers abschließend zu beurteilen. Zimmermann verwies auf die Klausurtagung der Landesregierung in der kommenden Woche. Er empfahl, die Beratung und Bewertung durch den Senat abzuwarten.

Die Unabhängigkeit der Länder im föderalen System der Bundespolitik betonte auch Hakan Taş, innenpolitischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus. Zwar hatten auch die Linken im Wahlkampf gefordert, den Berliner Verfassungsschutz abzuschaffen, doch denken sie anders als der Bundesinnenminister nicht an eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundes. Die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Terrorabwehr seien ausreichend, sagte Taş, sie müssten nur konsequent angewandt werden. Taş lehnte auch die geforderten Bundesausreisezentren für abgelehnte Asylbewerber ab. „So etwas brauchen wir nicht“, sagte er. Die Koalition setze auf freiwillige Ausreise, diese müsse gefördert werden.

Benedikt Lux, Innenexperte der Grünen-Fraktion, kann sich hingegen durchaus eine „Straffung von Kompetenzen“ bei den Verfassungsschutzbehörden vorstellen. Auch für eine Zentralisierung von Kompetenzen dürfe es keine Denkverbote geben. Dies müssten aber Bund und Länder gemeinsam erörtern. Ausreisezentren brächten keine Lösung, erklärte Lux. Das Hauptproblem sei die mangelnde Aufnahmebereitschaft vieler Herkunftsländer. Da müsse die Bundesregierung besser verhandeln.

Burkard Dregger, Innenexperte der CDU-Fraktion, begrüßte, dass der Innenminister eine „Diskussionsgrundlage“ schaffe. Es sei auch richtig, wenn der Bund mehr Vollzugszuständigkeit bei der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern erhält. „Dadurch gibt es die Möglichkeit einer deutschlandweit einheitlichen Abschiebepraxis, die nicht von den Ideologievorstellungen einzelner Landesregierungen ad absurdum geführt werden kann“, sagte Dregger mit Blick auf den rot-rot-grünen Senat.

„Es ist richtig, dass wir unsere Sicherheitsstrukturen optimieren müssen“, teilte der Berliner Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit. Die Arbeit des Verfassungsschutzes auf Bundesebene zu verlagern, sei an sich legitim. Dann dürfe der Innenminister aber nicht vergessen, dass damit noch andere Arbeitsfelder als nur der dschihadistische Terrorismus verbunden sind, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält die Einrichtung von Abschiebezentren für geeignet, um die „Überforderung mancher Länder bei der Durchsetzung der Abschiebung zu beseitigen“, äußerte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt.

Die AfD fordere schon lange zentrale Abschiebezentren, „um eine effizientere Ausweisung zu ermöglichen“, erklärte Georg Pazderski, Landesvorsitzender der Partei. Die AfD habe zudem bereits vor mehr als einem Jahr eine zentrale Bundespolizei mit erweiterten, länderübergreifenden Kompetenzen gefordert.