Seit Listen für neue Flüchtlingsheime kursieren, rumort es in den Bezirken. Und auch der Koalitionspartner kritisiert den SPD-Senator.
In den Berliner Außenbezirken gibt es Widerstand gegen die vom Senat geplanten Standorte für Flüchtlingsheime. In Spandau, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Treptow-Köpenick sollen wegen der größeren Flächenpotenziale viele Unterkünfte entstehen. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hatte den Bezirken eine Liste mit 26 Standorten für „Modulare Bauten zur Flüchtlingsunterbringung“ (MUF) übersandt.
Dabei soll es nicht bleiben. Zusätzlich zu den modularen Unterkünften aus Fertigteilen, die für längere Frist gebaut werden, sind Container mit kürzerer Nutzungsdauer im Gespräch. Aber auch die MUF-Liste ist nicht abgeschlossen.
Neben der ersten Tranche von 26 Grundstücken, auf denen schnellstmöglich Heime errichtet werden sollen, existiert eine Vorschlagsliste mit 45 Adressen. Aus diesen werden voraussichtlich 34 weitere Areale ebenfalls für MUF ausgewählt, die zeitnah errichtet werden sollen. Auch hier sind die Randbezirke stärker betroffen, so zum Beispiel Spandau mit elf Vorhaben. Außerdem sollen Grundstücke für Container zur Verfügung gestellt werden.
18.000 Plätze für Flüchtlinge in Spandau
Diese Auswahl ist noch nicht mit den Bezirken abgestimmt. Und das dürfte schwierig werden: Spandaus Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) rechnet vor, dass in seinem Bezirk – alle Vorhaben eingeschlossen – 18.000 Plätze für Flüchtlinge geschaffen würden. Das wären nach seinen Angaben 20 Prozent aller Berliner Unterkünfte. „Das ist eine gewaltige Schieflage.“ Er hoffe auf Gespräche. Bevor die Standorte feststünden, äußere er sich zu den Adressen nicht.
Abstimmung zwischen Senat und Bezirken hat gefehlt
Vorbehalte existieren auch in Reinickendorf. Beim MUF-Standort Cyclopstraße handle es sich um eine Baulücke, „da gibt es keine fachlichen Einwände“, sagt Rathauschef Frank Balzer (CDU). Eine Abstimmung zwischen Senat und Bezirken, wie von Finanzsenator Kollatz-Ahnen dargestellt, gab es aber nicht, sagt Balzer. „An einem Standort besteht eine klare Zusage des Senats für Wohnungsbau, die Verhandlungen mit einer Genossenschaft sind im Endstadium. Wie der auf die Liste kommt, ist mir unklar.“
Auch Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) ist besorgt. In seinem Bezirk sollen an acht Orten Unterkünfte entstehen. Er betrachte die Planung nicht als abgeschlossen, sagt er. Es könne nicht sein, dass die Bauten in einzelnen Ortsteilen konzentriert würden.
Bürgermeister warnt vor Panikmache
Der Innenstadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf soll nur eine einzige Modularunterkunft erhalten. Das sei absehbar gewesen, sagt Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD). Sein Bezirk habe bei den Notunterkünften lange auf Platz 1 gelegen, „eine Messe oder ein ICC hat halt nicht jeder“. Das werde „über die MUF-Schiene“ teilweise ausgeglichen.
Oliver Igel (SPD), Bürgermeister in Treptow-Köpenick, warnt vor Panikmache. Er geht davon aus, dass nicht alle genannten Standorte realisiert werden. Von einigen habe er erst vergangene Woche erfahren. Den fehlenden Austausch zwischen Senat und Bezirken bemängelt auch seine Amtskollegin aus Lichtenberg, Birgit Monteiro (SPD). Sie habe bei einem Gespräch mit Finanzsenator Kollatz-Ahnen am Mittwoch deutlich gemacht, „dass ich die Listen als Arbeitszwischenstand sehe“. Ihr Eindruck sei, dass die Finanzverwaltung diese Einschätzung teile.
Fest steht für Spandaus Bürgermeister Kleebank ebenso wie für seine Kollegen, dass die Bezirke eine „massive Ertüchtigung“ der Infrastruktur benötigen: Schulen und Kitas müssten ebenso wie Sozial- und Gesundheitseinrichtungen für die neuen Aufgaben ausgestattet werden. Die Schulen und Kitas in Pankow seien stark ausgelastet, sagt Köhne.
Er fordert deshalb, der Senat müsse dazu übergehen, Flüchtlingskinder in ihren Einrichtungen zu beschulen und derweil die Schulen aufzurüsten. „Ich fordere den Senat auf, für die Integration ebenfalls eine Planung vorzulegen“, sagt Monteiro.
CDU zeigt sich verärgert
Die Veröffentlichung der Planungen durch den SPD-Finanzsenator hat scharfe Reaktionen des Koalitionspartners ausgelöst. „Die CDU-Fraktion ist in hohem Maße verärgert und in höchstem Maße irritiert“, sagt deren Vize-Fraktionschef Stefan Evers. Die Verteilung der Unterkünfte und die Auswahl der Standorte sei eine Entscheidung von großer Tragweite, sozial wie auch hinsichtlich der Stadtentwicklung. Kein anderes politisches Thema sei derzeit so wichtig, sagt Evers.
Akzeptanz erreiche man nicht mit „Giftlisten“. Es müssten abgestimmte Vorschläge erarbeitet werden. Nach den Kriterien des Hauptausschusses im Parlament muss bei der Auswahl der Areale das Vorhandensein ausreichender sozialer Infrastruktur und die soziale Verträglichkeit im Umfeld berücksichtigt werden. Es sei nicht klar, ob diese Kriterien angewandt wurden, kritisiert Evers.
Erste Standorte in den Bezirken
An diesen Standorten sollen in der ersten Phase modulare Flüchtlingsunterkünfte errichtet werden:
Charlottenburg-Wilmersdorf: Spandauer Damm 148
Friedrichshain-Kreuzberg: Reichenberger Straße 92
Lichtenberg: Am breiten Luch 3; Wartenberger Straße 120; Welsestraße 1-3; Seehausener Straße 33, 35, 37, 39
Marzahn-Hellersdorf: Albert-Kuntz-Straße neben 41; Buckower Ring 54, 56; Märkische Allee/Martha-Arendsee-Straße; Pöhlbergstraße 13/Bärensteinstraße; Rudolf-Leonhard-Straße 7A, Rudolf-Leonhard-Straße 13; Wittenberger Straße 16
Neukölln: Matthäusweg 2, 4, 6; Kiefholzstraße 74; Schlosserweg 1B
Pankow: Lindenberger Weg 19, 27; Siverstorpstraße 9A; Wolfgang-Heinz-Straße neben 47
Reinickendorf: Cyclopstraße 13
Spandau: Pionierstraße 80
Steglitz-Zehlendorf: Leonorenstraße 17, 33, 33A; Zum Heckeshorn 20, 23, 27, 30-33, 47, 49; Hegauer Weg 51A, 53, 53A, 53B
Treptow-Köpenick: Fürstenwalder Allee 356; Gerhard-Sedlmayr-Straße