Flüchtlinge in Berlin

Ein kleines bisschen Normalität in den Hangars in Tempelhof

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Gerlinde Schulte
Gana (2.v.r.) spielt mit ihren Freunden im „Kinderfreundlichen Raum“ in Hangar 4 der Notunterkunft Tempelhof

Gana (2.v.r.) spielt mit ihren Freunden im „Kinderfreundlichen Raum“ in Hangar 4 der Notunterkunft Tempelhof

Foto: Jörg Carstensen / dpa

„Save the Children“ richtet in Tempelhof eine Betreuung für Flüchtlingskinder ein. Der Verein Berliner helfen unterstützt das Projekt.

Gana mag besonders die Lego-Steine. Das elfjährige Mädchen aus Syrien liebt es, die Kisten auf dem Boden auszukippen und zusammen mit Freundinnen Türme zu bauen, aber auch die Mal- und Bastelecke hat es ihr angetan. Das aufgeweckte Mädchen kommt jeden Tag in den „Kinderfreundlichen Raum“ in Hangar 4 des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Bald darf sie auch in die Schule gehen, erzählt Gana und strahlt. Es fehlt nur noch eine Impfung.

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Sie hat hier Freundinnen gefunden und spricht auch schon ein paar Brocken Deutsch. Das liegt auch daran, dass die Erzieher in dem neuen Spiel- und Betreuungsraum der Kinderschutzorganisation „Save the Children“ mit den Kindern meist Deutsch sprechen. Spielerisch, denn hauptsächlich sollen die jungen Flüchtlinge hier Kind sein dürfen, Schutz finden und eine Alltagsstruktur, die ihnen und ihren Familien auf der Flucht abhanden gekommen ist.

Ende Dezember hat „Save the Children“ den Raum im einstigen Flughafen Tempelhof in Betrieb genommen und damit in der größten Notunterkunft Berlins ein Pilotprojekt gestartet, das zeigen soll, wie man entwurzelte und oft traumatisierte Flüchtlingskinder professionell betreut. „Wir wollen, dass dieses Modell in ganz Deutschland gesetzlich verankerter Standard wird“, sagt Kathrin Wieland. Die Chefin von „Save the Children Deutschland“ stellte die Einrichtung am Dienstag zusammen mit den Betreibern der Unterkunft, Tamaja, und der Ikea-Stiftung vor. Diese übernahm die Anschubfinanzierung sowie die Ausstattung und die Personalkosten für das erste Jahr. Der Verein Berliner helfen der Berliner Morgenpost unterstützt das Projekt mit 25.000 Euro.

Organisation baut Kinderschützräume weltweit

Eigentlich ist die international operierende Organisation auf Krisengebiete spezialisiert. Wo immer es kracht auf der Welt ist sie mit ihrem Kinderschutzräumen schnell zur Stelle, ob bei Naturkatastrophen oder bei kriegerischen Konflikten. Nun kommen sie mit ihrem weltweit erprobten Konzept zum ersten Mal nach Deutschland. Das ist auch nötig. „Nach der Kinderrechtskonvention hat jedes Kind ein Recht auf Schutz.

Bisher aber werden in Deutschland die besonderen Bedürfnisse von Flüchtlingskindern nach Sicherheit und Kindheit kaum beachtet“, kritisiert Wieland ebenso wie Unicef und der Deutsche Kinderschutzbund. In vielen Unterkünften fehle es an Platz, Ruhezonen, Bewegungsmöglichkeiten und häufig auch an professioneller Betreuung. Begleitete Flüchtlingskinder werden in Deutschland zudem wie Erwachsene behandelt.

„Nach dem Personalschlüssel des Lageso kommen gerade mal drei Betreuer auf 600 Menschen. Darunter sind dann 200 bis 300 Kinder“, sagt Hannah Krunke von Tamaja. Im neuen 350 Quadratmeter großen Kinderschutzraum für bis zu 70 Kinder gilt dagegen der Betreuungsschlüssel von eins zu zehn.

Kleinkinder bis drei Jahre dürfen nur mit ihren Müttern kommen

Zehn in psychosozialer Hilfe ausgebildete Mitarbeiter hat „Save the Children“ nach Tempelhof geschickt und auch zwölf Betreuer von Tamaja entsprechend geschult. Einige sprechen Farsi und Arabisch, sie können übersetzen, wenn es schwierig wird. Der eigentlich schmucklose Raum ist mit bunten Möbeln ausgestattet und mit Kunstwerken der Kinder geschmückt. Er ist in Zonen der Ruhe, der Konzentration und zum Toben aufgeteilt. Kleinkinder bis drei Jahre dürfen nur mit ihren Müttern kommen und haben eine Extra-Ecke.

Für die älteren Kinder bis 13 Jahre wird ein strukturierter Alltag mit festen Abläufen angeboten. In 30 bis 90-minütigen Einheiten wird gespielt, gebastelt, gemalt und auch Sport gemacht. Ein Stück Normalität, das sich auch auf die Eltern übertrage, sagen die Betreuer.

In Tempelhof leben derzeit 923 Kinder, 306 davon sind bis fünf Jahre alt, 619 im Alter von sechs bis 18 Jahren. Aber Warteschlangen gebe es selten, sagt Hannah Krunke. Schon wegen der Einschulung und weil es neben dem Kinderzirkus noch zwei Kinderräume in anderen Hangars gebe, ein weiterer sei geplant. Die Mitarbeiter von „Save the Children“ arbeiten nun mit allen zusammen. „Für die jüngeren Kinder haben wir hier schon viel geschafft“, sagt Krunke. „Was noch fehlt sind Angebote für die Jugendlichen.“ Da sei nun der Senat gefragt.