Bis Freitag sollten die Bezirke je vier Turnhallen als Flüchtlingsunterkünfte melden. Doch mehrere Bürgermeister verweigerten sich.
Bis zum Freitag sollten die Bezirke der Senatssozialverwaltung jeweils vier Turnhallen nennen, in denen Asylbewerber untergebracht werden können, der für Flüchtlinge zuständige Staatssekretär Dieter Glietsch (SPD) hatte sie per Brief darum gebeten. Doch längst nicht alle Bürgermeister kamen der Aufforderung nach. Das liegt zum einen an begrenzten Möglichkeiten, zum anderen an prinzipiellen Bedenken gegen solche Unterkünfte. Ihnen droht nun, dass der Senat Hallen beschlagnahmt. „Die Konsequenz ist, dass diese Bezirke keinen Planungsvorlauf mehr haben“, sagte dazu Monika Hebbinghaus, Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU).
Mitte etwa bot keine Hallen an, das hatte das Bezirksamt beschlossen. Sie seien eine absolute Notlösung, es werde immer schwerer, für diese Hallen geeignete Betreiber zu finden und schließlich werde der Schul- und Vereinssport massiv belastet, sagte Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) der Berliner Morgenpost. Er forderte einen „Strategiewechsel“: Die Sozialverwaltung müsse andere, größere Unterkünfte suchen. Bis Jahresende fehlten in Berlin mindestens 10.000 Plätze für Flüchtlinge, die seien nicht über Sporthallen zu beschaffen.
Neukölln bietet Alternative an
Friedrichshain-Kreuzberg passte ebenfalls. Neukölln offerierte zwar keine Sporthalle, dafür aber das ehemalige C&A-Kaufhaus an der Karl-Marx-Straße. Dort könnten 600 Flüchtlinge aufgenommen werden, erklärte Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Das Objekt verfüge über eine Gesamtfläche von 9200 Quadratmetern auf fünf Etagen. Wenn alle Beteiligten mitzögen und sich die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) schnell mit dem Eigentümer des Gebäudes über die Konditionen einige, könne es zeitnah bezogen werden.
Neukölln wolle unter allen Umständen vermeiden, Sporthallen zu belegen und fokussiere sich auf Alternativen. Zudem habe die Senatsverwaltung erst am Mittwochabend die Doppelsporthalle am Efeuweg beschlagnahmt, die bislang nicht vollständig belegt sei. Giffey hatte am Donnerstag kritisiert, dass die Beschlagnahme sehr kurzfristig erfolgt sei. Bereits kurz nach Mitternacht seien 100 Flüchtlinge dort eingezogen. „Wir arbeiten daran, Ausweichmöglichkeiten für den Schul- und Vereinssport in den anderen Sporthallen des Bezirks zu organisieren“, betonte die Bürgermeisterin.
„Sporthallen sind keine Lösung des Problems“
Auch Angelika Schöttler (Tempelhof-Schöneberg/SPD) sprach sich gegen Turnhallen aus, diese seien keine Lösung für das Problem. Außerdem sei es sehr schwer, sie wieder zurückzubekommen, wenn sie erst einmal belegt seien. Dennoch bot der Bezirk drei kleinere Hallen an, die er im September schon einmal gemeldet hatte, die aber bislang nicht genutzt werden. Dabei handelt es sich um die kleine Halle des Luise-Henriette-Gymnasiums, die kleine Halle der Gemeinschaftsschule Friedenau sowie die alte Halle der Friedrich-Bergius-Schule. Schöttler kritisierte, es gebe geeignetere Objekte im Bezirk, die aber von der Sozialverwaltung bislang nicht genützt würden, etwa eine ehemalige Produktionsstätte an der Daimlerstraße in Marienfelde oder ein ehemaliges Pflegeheim in Lichtenrade.
Charlottenburg-Wilmersdorf meldete sogar vier Sporthallen. Auch davon wurden der Senatsverwaltung zwei schon einmal im September offeriert – vergeblich. Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) zeigte sich kooperativ und meldete zwei weitere Hallen, die Standorte teilte er nicht mit. Allerdings sagt auch Naumann, Alternativen zu diesen Unterkünften müssten viel intensiver geprüft werden.
Flüchtlinge sehr ungleich auf die Bezirke verteilt
In Charlottenburg-Wilmersdorf sind inzwischen berlinweit die meisten Flüchtlinge pro Bezirk untergebracht, mehr als 5000. Der SPD-Politiker knüpfte das Angebot des Bezirks an die Erwartung, dass erst Sporthallen in den Bezirken belegt werden sollten, die weit weniger Asylsuchende beherbergen. In Reinickendorf und Friedrichshain-Kreuzberg sind jeweils knapp 1800 Flüchtlinge untergebracht, in Neukölln rund 750. Außerdem sagte der Bürgermeister: „Für das Bezirksamt ist unabdingbar, dass die Infrastruktur für den Sport und seine Vereine aufrechterhalten wird.“ Diese übernähmen eine wichtige Integrationsaufgabe.
Norbert Kopp (CDU), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, meldete ebenfalls vier Hallen. Eine davon, die der Schweizerhof-Grundschule an der Leo-Baeck-Straße in Zehlendorf, ist bereits seit einigen Tagen mit Flüchtlingen belegt. Gemeldet wurden ferner die Halle an der Mühlenstraße in Lankwitz sowie die Doppelsporthalle der Helene-Lange-Schule an der Lauenburger Straße. Eine vierte Halle werde noch auf ihre Eignung geprüft, sagte Kopp der Berliner Morgenpost.
Lichtenberg schlägt „Gemeinsamen Rat“ von Senat und Bezirken vor
Lichtenberg hingegen offerierte ebenfalls keine Sporthallen, dafür aber Alternativen „Es geht dem Senat ja nicht um die Nennung von Sporthallen, um der Sporthallen willen, sondern um die kurzfristige Schaffung von zusätzlichen Unterbringungskapazitäten“, erläuterte Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro (SPD). Der Aufforderung sei der Bezirk nachgekommen und habe an drei konkreten Standorten 800 Plätze nachgewiesen. Das entspreche der Kapazität von vier Sporthallen. „Zusätzlich haben wir Liegenschaften genannt, die innerhalb der nächsten 14 Tage hergerichtet werden können sowie weitere Objekte für die nächsten Monate vorgeschlagen“, erklärte Monteiro.
Die Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin schlug dem Senat zudem vor, alle Senatsmitglieder und alle Bezirksbürgermeister sollten sich zu einem „Gemeinsamen Rat“ zusammenfinden und nicht eher auseinander gehen, „bis sich alle gemeinsam auf eine Liste mit genügend Unterkünften für den Rest des Jahres und darüber hinaus verständigt haben“.
Senat will „Hauruck-Aktionen“ vermeiden
Der Senat wolle mit der Bitte um jeweils vier Sporthallen pro Bezirk „etwas Vorlauf bei der Planung“ erreichen und „Hauruck-Aktionen“ verhindern, sagte Sozialverwaltungssprecherin Monika Hebbinghaus. Derzeit sind rund 6600 Flüchtlinge in 33 Turnhallen untergebracht. Darin sind schon einige der zusätzlich geforderten 48 Hallen enthalten. Die 33 Hallen sind in unterschiedlicher Anzahl auf zehn Bezirke verteilt. Lediglich in Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg wurden bislang gar keine Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert worden.
Nach Informationen des RBB haben neben den im Text genannten Bezirken auch Reinickendorf, Spandau und Treptow-Köpenick gar keine Sporthallen genannt.