Tourismus in Berlin

Experten wollen Reisebusse aus Berlins Innenstadt verbannen

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L. Vossen, A. Abel, J Anker und B. Schmiemann
Noch gilt Berlin als „busfreundlichste Stadt“, es wird geparkt, wo Platz ist

Noch gilt Berlin als „busfreundlichste Stadt“, es wird geparkt, wo Platz ist

Foto: Joerg Krauthoefer

Busse voller Touristen verstopfen Berlins Innenstadt, kritisiert ein Verband - und fordert eine Regulierung. Unternehmen sind entsetzt.

Sie kommen in Scharen, und sie kommen gern. Als „busfreundlichste Stadt“ wird Berlin von Busunternehmen oft bezeichnet. Fraglich ist, wie lange dieses Prädikat noch gültig sein wird. Denn bald kann Berlin den Andrang der Reisebusse in der Innenstadt nicht mehr stemmen, sagt der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) und warnt vor einem „Businfarkt“ in wenigen Jahren.

Besonders innerhalb des S-Bahn-Rings in Bezirken wie Mitte, Charlottenburg und Wilmersdorf könnte es richtig eng werden. „Die herrschende Konzeptlosigkeit im Umgang mit dem Bustourismus hat sich zur echten Belastungsprobe für Verkehr und Umwelt entwickelt“, sagt VBKI-Verkehrsexperte Dirk Luthe. „Die Uhr tickt.“

Anders als die Fernbusse, die nur an bestimmten Haltestellen Stopp machen und nicht lange in der Stadt bleiben, halten die Touristenbusse nahezu überall. Die Fahrzeuge kommen zu jeder Tages- und Nachtzeit und parken auch in Wohngebieten – sehr zum Ärger der Anwohner. Das Fehlen von Einschränkungen ist laut VBKI problematisch. Haltende, parkende oder wendende Busse würden den Verkehrsfluss massiv behindern.

Zudem seien Mensch und Umwelt durch Lärm und Schadstoffe belastet. „Gerade das touristische Zentrum Berlins läuft zu Spitzenzeiten voll“, sagt Luthe. Da müsse man sich nur mal die Gegend um die Museumsinsel anschauen. Rund eine Million Touristen kommen jedes Jahr per Reisebus – die Fernbusse nicht mit eingerechnet. Insgesamt 40.000 An- und Abfahrten im Zentrum Berlins.

Vorbild Wien und London

Der Verband betont, dass er die Busse nicht generell aus der Innenstadt verbannen will. So nennt er sein Konzept auch „City-Ban light“ – eine abgeschwächte Verbannung aus der Stadt. Der Hintergrund: Der Reisebusverkehr soll stärker reguliert werden.

Ein Vorbild ist die österreichische Hauptstadt Wien. Dort müssen die Busunternehmen sogenannte Einfahrtskarten kaufen, nur dann dürfen sie in bestimmte Teile der Stadt fahren. Die Zahl der Karten ist beschränkt, an manchen Tagen wie Adventssonntagen mussten die Busse in der Vergangenheit sogar ganz draußen bleiben.

Als weiteres Vorbild nennt der VBKI London, wo zwischen 19 und 8 Uhr ein generelles Parkverbot für Busse herrscht. Damit verbunden müsse in Berlin aber eine bessere Parkplatzsituation an den Bahnhöfen des S-Bahnrings sein. Etwa an den Stationen Ost- oder Südkreuz.

Aufseiten der Busunternehmen herrscht Entsetzen. „Das ist der völlig falsche Ansatz. Der umweltfreundliche Verkehrsträger Bus darf nicht eingeschränkt werden“, sagt Matthias Schröter, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer. Das größte Gegenargument: Busse entlasten den Verkehr. Ein Fahrzeug transportiere durchschnittlich 60 Personen, dies würde ungefähr 30 Pkw entsprechen. Ohne die Busse, so Schröter, drohe Berlin erst recht der Infarkt.

„Ein Unding, Wegelagerei“

Noch deutlicher wird Hans-Jörg Schulze: „Das ist ein Unding“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Unternehmens Haru Reisen und verweist auf die Massen an Touristen, die mit dem Bus kommen – und viel Geld in der Stadt lassen. Sie würden direkt zu ihrem Ziel gebracht werden wollen, zu jeder Uhrzeit, und nicht irgendwo in die S-Bahn steigen wollen, sagt Schulze, der sich vor allem über die Idee einer Gebühr ärgert. „Das ist moderne Wegelagerei.“

Für Mittes Stadtrat Carsten Spallek (CDU) bleiben derweil viele Fragen offen: Wo sollte man die Grenze ziehen, am S-Bahn-Ring oder der Umweltzone? Ab welcher Busgröße sollten die Einschränkungen gelten?

Auch die Berliner Tourismuswerber von Visit Berlin sind skeptisch. „Der Bustourismus ist nicht das Problem. Er ist ein wichtiger Faktor für Berlin“, sagt ein Sprecher. Es gebe aber Bedarf, den touristischen Busverkehr durch die Stadt zu lenken. Ähnlich sieht es die Industrie- und Handelskammer Berlin, die Einbußen für den Tourismus fürchtet, aber dennoch die Notwendigkeit eines neuen Parkplatzmanagements sieht – mit digitaler Steuerung für Verkehr und Parken.

Auch die Busunternehmen würden ein solches System begrüßen. Bislang können die Fahrer nur auf den jährlich erscheinenden Stadtplan „BusStop Berlin“ zurückgreifen. Eine Faltkarte mit Informationen über alle Busparkplätze. Modern ist das nicht gerade.

Senat ist gegen Gebühren

Immerhin: Das Konzept für ein neues System existiert – für den Standort Museumsinsel. Laut Senatsverkehrsverwaltung befindet es sich noch in der Abstimmung. Weitere Untersuchungen sind geplant, unter anderem an Checkpoint Charlie, Hauptbahnhof, Messegelände und Mercedes-Benz Arena.

Den Busverkehr digital zu steuern und zu vernetzen, fordert auch der VBKI. Dies könne man mit Einnahmen aus Reisebusgebühren finanzieren. Doch der Senat spricht sich gegen ein Modell nach Wiener Vorbild aus. Mit teilweise sehr weit auseinanderliegenden touristischen Orten sei Berlin dafür nicht geeignet. Generell hält der Senat eine „City-Ban light“ für nicht praktikabel: Das Berliner Straßengesetz lasse dies nicht zu.

Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller will sich mit Politik und Unternehmen in naher Zukunft an einen Tisch setzen und über die Buszukunft der Stadt diskutieren. „Wir müssen aktiv und nicht reaktiv mit dem Thema umgehen“, sagt Luthe. Noch sei genug Zeit.