Flüchtlingspolitik

Konflikt im Senat um Asylbewerber an Hochschulen

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Andreas Abel
Flüchtlinge  am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) in Moabit.Viele junge Menschen, die nach Deutschland flüchten, wollen hier auch arbeiten und studieren

Flüchtlinge am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) in Moabit.Viele junge Menschen, die nach Deutschland flüchten, wollen hier auch arbeiten und studieren

Foto: Amin Akhtar

Der Senat will Flüchtlingen den Zugang zu Hochschulen erleichtern. Doch Innensenator Frank Henkel (CDU) hält an der bisherigen Praxis fest

Im Senat zeichnet sich erneut ein Streit zwischen SPD und CDU ab. Grund ist das Flüchtlingskonzept, das die Landesregierung in der vergangenen Woche verabschiedet hat. Dort geht es auch um die Möglichkeiten für Flüchtlinge, in Berlin studieren zu können. Im Konzept heißt es: „Die Aufnahme eines Studiums soll nicht aufenthaltsrechtlich untersagt werden.“ Die Innensenator Frank Henkel (CDU) unterstellte Ausländerbehörde hält an ihrer bisherigen Praxis fest. Die SPD erhöht den Druck auf Henkel, den Kurs zu korrigieren.

„Regelung ist unverändert“

Bislang versah die Ausländerbehörde Aufenthaltsgenehmigungen von Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen grundsätzlich mit der Auflage „Studium nicht gestattet“. Nur in Einzelfällen und unter bestimmten Voraussetzungen wurde das Verbot aufgehoben. Insbesondere Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Integrationssenatorin Dilek Kolat (beide SPD) verknüpften den Senatsbeschluss mit der Erwartung, die Auflage abzuschaffen.

Das aber hat die Senatsinnenverwaltung nicht vor, obgleich Berlin das einzige Bundesland ist, das diese Auflage ausspricht. „Die Regelung für den Hochschulzugang von Flüchtlingen ist unverändert“, teilte ein Sprecher der Verwaltung auf Anfrage der Berliner Morgenpost mit. Das rief sehr kritische Reaktionen der Wissenschaftsverwaltung hervor. „Wir haben im Senat das Flüchtlingskonzept beschlossen und erwarten nun, dass die aufenthaltsrechtlichen Hürden schnellstmöglich beseitigt werden. Es wäre ein fatales Signal, wenn an der bisherigen Praxis festgehalten wird“, sagte Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) der Berliner Morgenpost.

„Das wirkt abschreckend“

Sozialdemokraten stören sich insbesondere an der generellen Einschränkung „Studium nicht gestattet“. Selbst ein top-qualifizierter Flüchtling wende sich nicht mehr an eine Hochschule, wenn er sofort bei seiner Anmeldung in der Ausländerbehörde einen solchen „Stempel“ erhält, rügte Krach. Das wirke abschreckend.

Ein generelles Verbot zur Aufnahme eines Studiums bestehe für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge nicht, erklärte ein Sprecher der Innenverwaltung. In Deutschland würden aber für alle Ausländer, die ein Hochschulstudium aufnehmen wollen, zwei Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes gelten: Sie müssten die Zulassungszusage einer Hochschule haben und nachweisen können, dass sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ohne staatliche Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen.

Nicht besser gestellt als andere Ausländer

Bei Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen komme noch eine weitere Voraussetzung hinzu: Nur diejenigen dürften ein Studium aufnehmen, bei denen das Ende ihres Aufenthalts in Deutschland nicht absehbar ist. Die Auflage „Studium nicht gestattet“ werde auch weiterhin zunächst erteilt, so der Sprecher. Sie werde jedoch gestrichen, wenn die oben beschriebenen Voraussetzungen vorlägen. Es gebe „keine Besserstellung“ gegenüber denjenigen ausländischen Studenten, die aus ihrem Heimatland nach Deutschland kommen, um hier zu studieren.

„Wer die Situation der Flüchtlinge vergleicht mit ausländischen Studierenden, die über Austauschprogramme und Stipendien nach Berlin kommen, verkennt die Lage der Flüchtlinge“, konterte Staatssekretär Krach. „Das ist das Gegenteil von unbürokratischer Hilfe. Es kann nicht sein, dass Berlin als moderne, tolerante und weltoffene Hauptstadt eine restriktivere Haltung einnimmt als die übrigen Bundesländer.“ Sich gemeinsam der Verantwortung für die Flüchtlinge zu stellen, hieße auch, Menschen aus Kriegsgebieten ein Studium zu ermöglichen, wenn sie die Berechtigung zum Hochschulzugang haben. „Wir wollen helfen und nicht Hürden aufstellen“, so Krach.

„Denke von gestern“

Zuvor hatte bereits der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz die Praxis der Ausländerbehörde scharf kritsiert und als „Denke von gestern“ bezeichnet. „Bundesregierung und Bundestag verbessern die Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten für Flüchtlinge. Doch in Berlin werden den Fachkräften von morgen die Türen vor der Nase zugeknallt“, sagte Schulz. Andere SPD-Politiker störten sich insbesondere an der Vorschrift, Asylbewerber, die studieren wollten, müssten ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Ziel sei, qualifizierten Flüchtlingen die Möglichkeit zum Studium und damit zur sinnvollen Weiterentwicklung und Integration zu geben und sie nicht zum Nichtstun zu zwingen, bei dem sie dann auch von sozialen Transferleistungen lebten, hieß es.

Mit dem Konflikt um die Studienmöglichkeiten von Flüchtlingen ist nach den Auseinandersetzungen um die Homo-Ehe binnen weniger Wochen ein weiterer Krach im Senat aufgeflammt. Und es ist der zweite, bei dem SPD-Politiker der CDU vorwerfen, sie vetrete nicht das moderne, liberale und weltoffene Berlin.

Gespräch im September

Es werde Anfang September ein Gespräch zwischen Vetretern der Bildungsverwaltung und der Hochschulen geben, um Details zum Hochschulzugang von Flüchtlingen zu klären, kündigte der Wissenschaftsstaatssekretär an. Die Hochschulen seien bereit, „kulant zu sein, etwa was den Nachweis von Dokumenten anbelangt“.

Flüchtlinge können, wie andere ausländische Bewerber um einen Studienplatz, nur studieren, wenn sie eine Hochschulzulassung vorlegen können und über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Diese werden über Tests oder Prüfungen nachgewiesen. Auch dazu sind noch viele Fragen zu klären. Dokumente für die Hochschulzulassung zum Beispiel prüft „Uni-assist e.V.“, die Servicestelle für Internationale Studienbewerbungen. Wie soll man nun mit Flüchtlingen verfahren, die oft keine Dokumente vorlegen können? Zudem ist diese Prüfung kostenpflichtig, ebenso wie die Sprachprüfungen. Wer bezahlt die Gebühren?

Sofern Studienbewerber bei Uni-assist angeben, dass sie Flüchtlinge („Refugees“) seien, würden deren Bewerbungsunterlagen, auch wenn diese unvollständig sein sollten, an die Freie Universität weitergegeben, die jeden Einzelfall prüfe, erklärte dazu die FU-Pressesetelle. Immerhin: Nach einer kürzlich verabschiedeten Reform können Flüchtlinge bereits nach 15 Monaten Aufenthalt Bafög beantragen. Bisher betrug die Wartefrist vier Jahre.