Berliner Forscher

Klimawandel bringt historische Parks und Gärten in Gefahr

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Katrin Starke
Das Neue Palais in Potsdam dahinter die restaurierten Kolonnaden. Dem Park droht aufgrund des Klimawandels eine Versteppung. Alte Bäume sind gefährdet

Das Neue Palais in Potsdam dahinter die restaurierten Kolonnaden. Dem Park droht aufgrund des Klimawandels eine Versteppung. Alte Bäume sind gefährdet

Foto: Bernd Settnik / dpa

200 Jahre haben sie überstanden: die alten Bäume im Park von Schloss Sanssouci. Doch nun bedroht sie der Klimawandel.

Wenn sich Michael Rohde einen Weg durch das Grün im Park Sanssouci bahnt, denkt er an die Malerei. „Der Habitus dieser historischen Gartendenkmäler ist so wichtig wie die Original-Farbe eines Gemäldes“, sagt der Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG). „Dessen Farben kann man auch nicht einfach vertauschen, aus Rot plötzlich Gelb machen.“

Genau das könnte den Parks und Gärten der Stiftung allerdings blühen. Rohde fürchtet, dass bestimmte Baumarten aus dem vor Jahrhunderten künstlich geschaffenen Landschaftsbild für immer verschwinden und durch strapazierfähigere Arten ersetzt werden müssen – als Folge des Klimawandels. Ein soeben gestartetes Forschungsprojekt der Technischen Universität (TU) Berlin soll helfen, die preußischen Gartenkunstwerke zu retten.

Weniger Niederschläge

Brandenburg drohe eine Steppenvegetation, prognostizierten Forscher. Und das in absehbarer Zeit. Bereits in 50 Jahren soll die Niederschlagsmenge auf 200 Millimeter pro Jahr gesunken sein. Derzeit werden jährlich noch 600 Millimeter in der Mark gemessen. Frühling und Sommer sollen durch lange Trockenphasen gekennzeichnet sein. Die durchschnittliche Lufttemperatur steigt um bis zu 2,5 Grad Celsius. Für Rohde ein Horrorszenario.

Historische Anlagen

Das würde das Aus für viele Baum- und Pflanzenarten bedeuten, die Landschaftsarchitekten wie Peter Joseph Lenné (1789-1866) oder Fürst Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau (1785-1871) mit ästhetischem Gespür und sinnreich in Szene gesetzt haben, so Rohdes Sorge. Die ist nicht unbegründet. „Bereits jetzt kränkeln zahlreiche wertvolle Exemplare aus unserem wertvollen Altbestand“, sagt Rohde.

20.000 Bäume älter als 200 Jahre

20.000 der gut 100.000 Bäume auf den insgesamt 750 Hektar großen Stiftungs-Parkflächen bringen es auf rund 200 Jahre, imponieren mit Durchmessern von bis zu zwei Metern. „Sie sind die Schätze unserer Gärten und Parks“, betont Rohde. Für ihn sei es daher besonders schmerzlich, wenn beispielsweise aus Portugal oder Asien eingeschleppte Schädlinge, neue Pilzarten und Dürre den Baumriesen die Kraft nehmen. „Der gartenkünstlerische Wert geht verloren“, sagt der Gartendirektor. Auch das Ökosystem eines Parks funktioniere nicht mehr.

Kosten von 350.000 Euro

Jetzt kündigt sich Hilfe aus Berlin an: Landschaftsarchitekt und -ökologe Norbert Kühn von der TU will die Folgen von Klimawandel und Globalisierung am Modell der SPSG-Anlagen untersuchen. „Vor allem wollen wir Maßnahmen entwickeln, um Bäume zu revitalisieren und Neupflanzungen erfolgreich in den Boden zu bringen.“ Finanziert wird das auf drei Jahre angelegte Projekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt mit 350.000 Euro. Das sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sind sich Kühn und Rohde einig. „Das kann nur den Beginn der Forschungen markieren.“ Schon jetzt sei man in Gesprächen, um das Projekt dauerhaft fortzuführen. „Untersuchen werden wir vorzugsweise angegriffene Bestände in den Berliner Parks Schloss Charlottenburg und Glienicke, im Neuen Garten und im Park Sanssouci in Potsdam sowie in Rheinsberg“, erklärt Kühn. Das Team von Gartendirektor Rohde hat ihn mit Kartenmaterial versorgt, Problemfälle eingezeichnet. Die 200 Jahre alte Allianz-Eiche und die Sumpfzypresse in Park Sanssouci, die Platanen nördlich von Schloss Charlottenhof, die Blutbuche am Schloss Muskau, die Eichen auf der Pfaueninsel, die Buchen im Park Glienicke – es sind nur einige der „Sorgenkinder“ Rohdes und seines 100-köpfigen Gärtnerteams. Die Wipfel sind ausgedünnt, Blätter verfärben sich. Die Vitalität der Bäume lasse nach, haben die Pfleger bemerkt. Auf deren Erfahrungsschatz will Kühn nun setzen.

Neue Bewässerungssysteme

Wie kann der Boden mit geeigneten Nährstoffen angereichert, wie die Aufzucht von Pflanzen gestaltet, welche nachhaltigen Bewässerungssysteme können gelegt werden? Fragen, denen Kühn nachgehen will. „Einige unserer Gärtner arbeiten seit den 60er-Jahren in den Parks. Die haben fachlich Wichtiges einzubringen“, stimmt ihm Rohde zu. Nicht nur auf deren Wissen will der Landschaftsökologe setzen, sondern auch auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Folgen des Klimawandels auf den Forst und die Landwirtschaft aufbauen. Kühn spricht von „babylonischem Gewirr“ beim derzeitigen Forschungsstand. „Wir müssen uns Stück für Stück vorantasten.“

Wie sich der Klimawandel auswirke, sei bisher hauptsächlich für Wälder und die Landwirtschaft belegt. „Wir versuchen, diese Ergebnisse auf die Parks zu übertragen.“ Das sei nicht einfach, seien Forste doch auf Basis marktwirtschaftlicher Überlegungen angelegt worden. Im Unterschied etwa zur Gartenkunst eines Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753).

Entscheidend für Kühn und Rohde: „Wir müssen jetzt handeln, sonst sind wir zu spät dran.“ Das Thema brauche Öffentlichkeit. Kühn und Rohde favorisieren deshalb transparentes Handeln. Im Park Sanssouci, im Park des Berliner Schlosses Charlottenburg, in den Anlagen von Babelsberg sollen ab Frühjahr 2016 Demonstrationsflächen angelegt werden, auf denen Besucher Einblick in die Arbeit der Wissenschaftler erhalten sollen.