Vor fast genau fünf Jahren waren sie sich einig: Mit den Stimmen aller Fraktionen, also von CDU, SPD, Grünen und FDP, beschlossen die Bezirksverordneten in Steglitz-Zehlendorf am 17. März 2010 einstimmig, dass geprüft werden müsse, „wie die Badestellen am Schlachtensee und an der Krummen Lanke von Hunden freigehalten werden können“. Keine Neinstimme, keine Enthaltung. Der seit Jahrzehnten herrschende Interessenkonflikt zwischen Hundebesitzern und „hundelosen Nutzern“ der Badestellen war nach Ansicht der Bezirksverordneten nicht mehr allein durch den Leinenzwang zu lösen. Es werde zunehmend über Verschmutzung durch Hundekot und Belästigung durch Hunde geklagt, argumentierten sie.
Im Januar 2015 werden die Bezirksverordneten von einem Beschluss des Bezirksamtes ziemlich überrascht: Ab 15. Mai herrscht Hundeverbot an den Ufern von Schlachtensee und Krummer Lanke. Dazu gibt es bereits einen druckfrischen Flyer, an dem sich die drei Senatsverwaltungen für Umwelt, Gesundheit und Justiz beteiligt haben. Diese lange Zeitspanne und dann die vollendete Tatsache, ohne Bürgeranhörung, ohne Beteiligung der Bezirksverordneten – das sorgt bis zur Stunde für Irritationen und heftige Debatten. Mittlerweile wird von mehreren Seiten, sowohl von Hundehaltern als auch von der Politik, ein Kompromiss gefordert.
Vorgeschobene Argumente
Die verschiedenen Positionen zum Hundeverbot an den beiden Seen und auch zum neuen Hundegesetz sollen beim nächsten Leserforum der Berliner Morgenpost am morgigen Dienstag, 12. Mai, um 19 Uhr, im Steglitzer Paulsen-Gymnasium, Gritznerstraße 57, ausgetauscht werden. Zum Thema „An der kurzen Leine – Hunde in Berlin“ sitzen fünf Experten auf dem Podium: Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) als Initiator des „Bello-Dialogs“, Christa Markl-Vieto (Grüne), Umweltstadträtin in Steglitz-Zehlendorf, der Journalist und Autor Hajo Schumacher, der das Forum moderiert, Norbert Buchta, SPD-Fraktionschef in der Bezirksverordnetenversammlung und Christine Richter, Mitglied der Chefredaktion der Berliner Morgenpost. Die Teilnahme an der Veranstaltung in der Reihe „Morgenpost vor Ort“ ist kostenlos. Wer dabei sein möchte, muss sich aber in der Redaktion anmelden (siehe Infokasten).
An den alten Beschluss vor fünf Jahren kann sich Norbert Buchta sehr genau erinnern. Das Bezirksamt habe lediglich einen Prüfauftrag erhalten, sagt der SPD-Fraktionschef. Prüfen heiße für ihn, nach verschiedenen Lösungsansätzen zu suchen und sie dann einem Podium vorzustellen, um darüber zu diskutieren. Er fordert nach wie vor einen Dialog mit allen Beteiligten. Eine Kompromisslösung müsse alle Interessenten gleichermaßen berücksichtigen, sagt Buchta. Dass eine einzelne Nutzergruppe komplett ausgeschlossen werden soll, kritisiert auch sein Fraktionskollege Mirko Klimas. Jeder wisse, dass sich die Situation an den beiden Seen ändern müsse. Aber eine Neuregelung sollte alle Beteiligten einbeziehen.
„Die Wasserqualität ist hervorragend“
Auch das Argument der Wasserqualität hält er für vorgeschoben. „Die Wasserqualität im Schlachtensee und in der Krummen Lanke ist hervorragend, und das wird auch so bleiben“, sagt der Sprecher des Wirtschaftsausschusses. Statt ein rigoroses Verbot auszusprechen, hätte man andere Wege probieren sollen. So könnten etwa mehr Schilder aufgestellt werden, die das Aufeinandertreffen von Mensch und Hund an bestimmten Uferbereichen regeln.
Auch für die CDU-Fraktion ist die Debatte noch nicht beendet. Fraktionschef Torsten Hippe will wissen, „wie die Anwohner darüber denken und was sie glauben, was gut für sie ist.“ Deshalb hat er eine Umfrage unter 3000 Anwohnern gestartet. „Wir haben bereits sehr viele Rückläufe und auch sehr differenzierte Bemerkungen erhalten“, sagte Hippe am Sonntag der Berliner Morgenpost. Ein dicker Ordner sei schon gefüllt. Am 15. Mai endet seine Befragung. Dann will er alles auswerten. „Die Position der Anwohner wird maßgeblich unsere Position beeinflussen“, sagt Hippe.
Für Christa Markl-Vieto gibt es vorerst keine Diskussion mehr. Das hat sie mehrfach klargemacht. Sie habe fünf Jahre mit neun verschiedenen Abteilungen im Senat und im Bezirk an diesem Projekt gearbeitet, argumentiert sie. Jetzt werde es so gemacht. Sie hat übrigens auch einen Hund, mit dem sie oft in den Auslaufgebieten spazieren geht. Sie kennt die Konflikte von beiden Seiten. Deshalb will sie auch eine Homepage einrichten, auf der alle nach Inkrafttreten der Verordnung ihre Meinung äußern können.
Ein Kompromiss wäre denkbar
Das Hundeverbot wird als Pilotprojekt für die Dauer von ein bis zwei Jahren gestartet. Danach will die Bezirksstadträtin gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auswerten, was es gebracht hat. Erst dann lasse sich auch Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) auf eine Diskussion über Kompromisslösungen ein, sagt Sprecherin Petra Rohland. Eine Idee, wie so ein Kompromiss aussehen könnte, hat Gaebler bereits in einem Bürgerdialog zur Sprache gebracht. So könnte er sich vorstellen, die Hunde nur in der Badesaison komplett von den Seen zu verbannen. Im Winter dagegen dürften sie an der Leine weiterhin ihre Runden drehen. Zunächst aber solle das Verbot, so wie es jetzt geplant sei, umgesetzt werden, sagte Rohland. Erst wenn man überprüft habe, ob es funktioniert oder nicht, können nachgesteuert werden. Das sei erst nach Abschluss der Pilotphase vorstellbar.
Den Vorschlag von Gaebler würde auch die Bürgerinitiative „Hunde am Schlachtensee“ mittragen. Allerdings mit ein paar kleinen Einschränkungen. So bräuchten die Hunde Trinkmöglichkeiten, wenn sie schon nicht mehr an die See dürften, sagt der Gründer Frank Kuehn, der auch am Schlachtensee wohnt. Und das absolute Hundeverbot in der Badesaison sollte nur zwischen 9 und 21 Uhr gelten. „Viele Anwohner stehen früh 6 Uhr auf, um mit dem Hund eine Runde zu gehen, dabei stören sie niemanden“, sagt der 58-Jährige. Wenn der Kompromiss sofort ab dem 15. Mai gelten würde, wäre er einverstanden.
Für den Fall, dass es nicht dazu kommt, bereite sein Anwalt eine Klage vor. Er gehe davon aus, dass das Verbot nicht durchzusetzen sei. Es fuße auf dem Berliner Hundegesetz, wonach Hunde an öffentlichen Badestellen verboten sind. Schlachtensee und Krumme Lanke sind aber Badeseen, an denen nur an bestimmten Abschnitten gebadet werden dürfe.
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