Warten auf Ergebnis

Ebola-Verdachtsfall an der Charité - Klinikteam ist vorbereitet

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Annette Kuhn

Foto: Tobias Kleinschmidt / dpa

Der Patient, der aus Sierra Leone nach Berlin eingeflogen wurde, zeigt bisher noch keine Anzeichen einer Ebola-Erkankung. Dass er infiziert wurde, ist jedoch sehr wahrscheinlich.

Die Stadt lag noch im Dunkeln, als am Sonnabend um 7.14 Uhr auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel eine Spezialmaschine der US-amerikanischen Fluggesellschaft Phoenix landete. An Bord der Gulfstream war ein Mitglied des südkoreanischen Ebola-Behandlungsteams in Sierra Leone, das jetzt auf der Sonderisolierstation der Charité im Virchow-Klinikum behandelt wird. Es besteht der Verdacht, dass sich die Person mit der meist tödlich verlaufenden Seuche infiziert hat. Nähere Angaben zur Person wollte der ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, bei einer Pressekonferenz am Sonnabend nicht machen, weil diese anonym bleiben wollte. Bekannt ist, dass sie zum medizinischen Personal einer Hilfsorganisation gehört, die bei Freetown im Einsatz war.

Am 29. Dezember wollte die jetzt in Berlin behandelte Person offenbar einem schwer an Ebola erkrankten Patienten Blut abnehmen. Dieser habe zu diesem Zeitpunkt schon unter Multiorganversagen gelitten, einen Tag später sei er gestorben. Bei der Blutentnahme habe er so stark gezuckt, dass sich das Mitglied der Hilfsorganisation durch drei Handschuhe hindurch versehentlich mit der Nadel an der eigenen Hand verletzt hat.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Fall als dringend eingestuft, teilte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) mit. Allerdings kann bislang noch keine Erkrankung nachgewiesen werden. Direkt nach der Ankunft in der Charité wurde der Person Blut abgenommen. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch aus. Charité-Sprecher Uwe Dolderer betonte aber, dass es sich dabei lediglich um „eine Momentaufnahme“ handele. Wenn das Ergebnis also heute negativ ausfällt, kann der Stand morgen ein anderer sein.

Ein Bluttest liefert nach Angaben des Oberarztes der Station für hochinfektiöse Erkrankungen, Frank Bergmann, erst verlässliche Auskunft, wenn sich Symptome zeigen. Dies sind bei einer Ebola-Erkrankung plötzlicher Fieberausbruch, Schwäche, Muskelschmerzen sowie Kopf- und Halsschmerzen. Bislang leidet die Person aber nicht an alldem. Am Sonnabend war der fünfte Tag nach der Nadelstichverletzung, die Inkubationszeit kann aber bis zu drei Wochen betragen.

Auch am Sonntag gab es noch keine Klarheit. Der Stand sei unverändert, sagte ein Sprecher der Klinik.Bislang hätten sich keinerlei Krankheitssymptome gezeigt, hatte es auf einer Pressekonferenz am Samstag geheißen. Der Vorfall ereignete sich allerdings erst am 29. Dezember – und „Ebola bricht aber in der Regel erst etwa sechs bis zwölf Tage nach der Infektion aus“, sagte der Oberarzt der Station für hochinfektiöse Erkrankungen, Frank Bergmann.

160 Ärzte und Pfleger geschult

Zurzeit kümmern sich ständig drei Teams um die Person, jeweils ein bis zwei Ärzte und zwei bis drei Pfleger pro Schicht. Dabei geht es jetzt vor allem um Beobachtung. Medizinische Maßnahmen werden nicht prophylaktisch ergriffen. Eine Impfung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich, die könne nur bis zu 48 Stunden nach einer möglichen Ansteckung erfolgen, erklärte Bergmann. Wenn die Krankheit tatsächlich ausbrechen sollte, so könnten bis zu 40 Mitarbeiter im Einsatz sein. Die große Zahl begründet sich vor allem dadurch, dass Pfleger und Ärzte nur bis zu drei Stunden am Stück im Schutzanzug arbeiten können. Allein das „Ein- und Ausschleusen“ aus dem Spezialanzug würde etwa eine Viertelstunde dauern.

Insgesamt hat die Charité in den vergangenen Monaten 160 Ärzte, Pfleger und weitere Mitarbeiter für die Versorgung von Ebola-Patienten geschult. Wenn alle 20 Plätze, die die Klinik auf der Sonderisolierstation für Ebola-Patienten bereithält, belegt wären, kämen sie alle zum Einsatz. Momentan sind nach Angaben von Ulrich Frei zehn Betten voll funktionsfähig. Aktuell sei aber außer dem jetzigen Fall keine weitere Aufnahme geplant.

Die Kosten für die Behandlung des jetzt aufgenommenen möglichen Ebola-Patienten übernimmt nach Angaben von Frei die WHO. Wie hoch sie in diesem Fall sein werden, lasse sich im Vorfeld nicht sagen, so der ärztliche Direktor. Das Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg, das den ersten Ebola-Patienten in Deutschland im August 2014 aufgenommen und nach fünf Wochen geheilt entlassen hatte, bezifferte die Kosten auf bis zu zwei Millionen Euro.

Das Frankfurter Behandlungszentrum, das den zweiten Patienten versorgt hat, der erfolgreich therapiert werden konnte, ging von einer Million Euro aus. Insgesamt gibt es in Deutschland sieben Kompetenz- und Behandlungszentren, in denen Ebola-Patienten aufgenommen werden können. Neben Berlin sind das Hamburg, Frankfurt, Leipzig, München, Düsseldorf und Stuttgart. Insgesamt stehen knapp 50 Betten zur Verfügung, 20 davon in Berlin.

Zur Wahrscheinlichkeit, ob das Mitglied des südkoreanischen Behandlungsteams an Ebola erkrankt, wollte Frank Bergmann am Sonnabend nichts sagen. Das Risiko sei groß, aber er verwies auch auf vier bekannte Fälle, bei denen sich Menschen nach einer ähnlichen Nadelstichverletzung nicht infiziert hätten. „Das Team ist bestens vorbereitet“, sagte Ulrich Frei am Sonnabend, falls es zum Ausbruch kommt. Es wäre der erste Patient, der in Berlin behandelt wird, deutschlandweit der vierte. Allerdings gab es in der Hauptstadt schon mehrmals zuvor Verdachtsfälle, bei denen aber immer Entwarnung gegeben werden konnte.

Schlechter Scherz mit Folgen

Im August war eine Frau, die sich zuvor in Afrika aufgehalten hatte, in einem Pankower Jobcenter bewusstlos zusammengebrochen. Die Behörde wurde abgesperrt und die Frau in die Charité gebracht. Dort stellte sich schnell heraus, dass sie nicht an Ebola, sondern an Malaria erkrankt war. Mitte November gab es einen Ebola-Verdacht in Neukölln. Dort zeigte ein Dolmetscher, der vorher Kontakt mit Menschen aus Sierra Leone hatte, entsprechende Symptome. Aber auch hier konnte die Charité Entwarnung geben. Außerdem verzeichnete die Feuerwehr mehrmals Fehlalarm, bei dem erst gar nicht eine Untersuchung erfolgen musste.

Einen üblen Scherz erlaubte sich im Oktober ein Mann aus Wilmersdorf, als er in einem Lokal behauptete, an Ebola erkrankt zu sein und selbst die Feuerwehr rief. Als das Spezialkommando eintraf, war der Mann verschwunden, konnte aber wenig später in seiner Wohnung ausfindig gemacht werden. Gegen ihn wurde ermittelt.