Integration

Böger will Flüchtlinge über Sportvereine integrieren

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Klaus Böger

Foto: kd/sv / picture alliance/ dpa/dpaweb

Sporthallen werden als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt. Der Sport könnte noch mehr: als Brücke in die deutsche Gesellschaft dienen. Gastbeitrag von Klaus Böger, Chef des Landessportbundes.

Festtage machen es den Flüchtlingen im Heim noch schwerer. Ein sicheres Dach über dem Kopf, doch während Einheimische mit Familie und Freunden feiern, kommen sich die Neuankömmlinge erst recht verloren vor. Viele Flüchtlinge haben Schlimmes erlebt, etliche sind traumatisiert. Da täte seelische Stabilisierung not.

Flüchtlingsheime sind eine Ansammlung von Fremden verschiedener Nationalitäten und Sprachen, die allein der Zufall zusammengeführt hat. Eine heimelige Atmosphäre kommt nicht ohne Weiteres auf. Vor allem die Kinder der Flüchtlingsfamilien fühlen diesen Mangel.

12.000 Flüchtlinge in Berlin

230.000 Menschen haben in den vergangenen zwölf Monaten in Deutschland um Schutz nachgesucht. Fünf Prozent davon hatte Berlin aufzunehmen, so will es der Verteilungsschlüssel. 12.000 Flüchtlinge zusätzlich zu den aufgenommenen der vergangenen Jahre – das ging erwartungsgemäß nicht ohne Reibung ab.

Auch der Sport hat Federn lassen müssen. Um Unterbringungsengpässe zu überbrücken, sind auf dem Gelände des Poststadions in Tiergarten Sportflächen zur Aufstellung von Tragluft-Unterkünften zweckentfremdet worden. Turnhallen des Hochschulsports wurden beschlagnahmt, um kurzfristig weitere Flüchtlinge unterbringen zu können. Dabei ist es vor allem die sanitäre Infrastruktur, die Sportstandorte bei den Behörden als Flüchtlingsunterkunft so begehrt machen. Wo sonst gäbe es in größerer Zahl Duschen und Toiletten, dazu noch ausgewiesene Fluchtwege und eine Betriebsgenehmigung als „Versammlungsstätte“? – Gewiss kein Dauerzustand, aber Berlins Sport ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst.

Eine Geste des Willkommens

Über die Weihnachtstage haben engagierte Köpenicker für die Familien im neuen Container-Flüchtlingsheim an der Alfred-Randt-Straße im Salvador-Allende-Viertel Kleider- und Spielzeugspenden eingesammelt. Eine Geste des Willkommens. Dabei ist fast ein wenig in den Hintergrund geraten, dass ein bezirklicher Verein schon seit vergangenem Frühjahr Sportangebote für Flüchtlingskinder organisiert.

Im April waren wir, Landessportbund und Verein, gemeinsam beim Bezirksbürgermeister, um das Vorhaben durchzusprechen. Zwei Dutzend junge Flüchtlinge hat der Köpenicker SC seither betreut. Hauptsächlich im Fußball, aber auch in Leichtathletik und Paddeln. 20 neue Jugendfußbälle haben wir dem Verein zu Weihnachten überbracht. Als kleines Dankeschön. Momentan trägt die Vereinsgemeinschaft noch die Beiträge für die Flüchtlinge, für Versicherung der jungen Sportler kommt der Landessportbund auf. Auf die Dauer aber sollten sich die Träger der betreffenden Heime mit einem Zuschuss an den Kosten des Vereins beteiligen. Hier sind die zuständigen Senatsverwaltungen gefragt.

Sporttradition der Herkunftsländer beachten

Vereine, die Sport für Flüchtlinge planen, müssen die Sporttraditionen der Herkunftsländer studieren. Nicht jede Sportart wird überall auf der Welt mit gleicher Begeisterung gepflegt. Bei kleinen Syrern kommen die großen Ballspiele und Tischtennis gut an. Bei jungen Frauen aus der islamischen Kultur ist mitunter Überzeugungsarbeit nötig, um sie überhaupt für den Sport zu begeistern. Sport nach Eintritt der Pubertät gilt vielen als unschicklich. Für die Talentesuche kommen Flüchtlinge eher weniger in Betracht. Nicht jeder wird dauerhaft bleiben. Asylanträge werden streng geprüft, damit niemand unberechtigt Kapazität blockiert, die andere dringender benötigen. Am Ende wird erfahrungsgemäß gerade einmal ein Drittel bleiben. Vereine sollten das wissen.

Willkommene Abwechslung vom Heimalltag

Immer aber ist Sport für die jungen Flüchtlinge willkommene Ablenkung vom Heimalltag. Sport lässt persönliche Kontakte entstehen und trägt zum seelischen Gleichgewicht bei. Für die, die vorerst in Berlin und in Deutschland bleiben, kann er eine Brücke in die deutsche Gesellschaft sein. Aber auch für jene, die nach Besserung der Situation in ihren Ländern irgendwann zurückkönnen, wird er wertvolle Erfahrung und Erinnerung an unser Land sein. Sie kehren wieder aufgerichtet zurück in ihre Heimat. Mit unserem Sport und unseren Werten.