Beeindruckt schaut Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) vom Grund der Baugrube in die Höhe. 16 Meter über ihm schweben an der gewaltigen Stahlbetondecke fünf ovale Trichter. In diesen sollen später die Stützen verankert werden, die das Dach des neuen unterirdischen Bahnhofs „Berliner Rathaus“ tragen werden. Denn noch hängt die Decke an tonnenschweren Spannbetonbalken, die oberirdisch aus der Baustelle direkt vor dem Roten Rathaus ragen. „Die Konstruktion ist sicher“, versichert Jörg Seegers, Technikchef bei der Projekt U5 GmbH, der den etwas skeptischen Blick seines Besuchers bemerkt hat.
Bahnhof soll Ende 2016 fertig sein
„Für mich ist hier völliges Neuland, bislang kannte ich den neuen U-Bahnhof ja auch nur von den Bauplänen“, sagt Müller, der sich am Mittwoch gemeinsam mit seiner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bei einer Besichtigung der Baustelle vom Fortgang der Arbeiten überzeugen will. Die Station am Roten Rathaus soll bis Ende 2016 fertiggestellt sein. Bislang liege das neue Teilstück der Berliner U-Bahn noch im Zeit- und Kostenplan, so Müller. Daran ändere auch der Wassereinbruch in die Baustelle nahe dem Brandenburger Tor vor einigen Wochen nichts, versichert ihm Projektchef Seegers.
Die Inbetriebnahme der 2,2 Kilometer langen U-Bahn-Teilstrecke vom Alexanderplatz bis zum Brandenburger Tor ist für den Herbst 2019 geplant. Mit dem Abschluss dieser Bauarbeiten können die Fahrgäste der Linie U5 dann von Hönow an der nordöstlichen Stadtgrenze direkt bis zum Hauptbahnhof fahren. „100.000 bis 155.000 Fahrgäste täglich“, so rechnet Müller, werden die dann insgesamt 22 Kilometer lange Verbindung nutzen.
Doch bis es soweit ist, muss erst einmal die Tunnelbohrmaschine „Bärlinde“ zurück zum Roten Rathaus transportiert werden. Von dort aus wird sie dann die zweite Tunnelröhre für den Lückenschluss der U5 bohren. Noch immer ist unklar, so Projektleiter Seegers, warum beim Bohren der ersten Röhre Mitte August sechs Kubikmeter Sand und Wasser in die Abbaukammer des Tunnelbohrers eingedrungen sind. Trotz der laufenden Untersuchungen wird die 75 Meter lange „Bärlinde“ Stück für Stück auseinandergebaut und zurück zum Startschacht am Rathaus gebracht, um in wenigen Wochen erneut mit der Arbeit zu beginnen.
Parallel zu den Tunnel-Arbeiten gehen auch die Arbeiten an den drei neuen U-Bahnhöfen „Berliner Rathaus“, „Museumsinsel“ und dem künftigen Umsteigebahnhof zur Linie U6, „Unter den Linden“, weiter. Die Kosten des Projekts waren ursprünglich mit 433 Millionen Euro veranschlagt. Angesichts stetig steigender Baupreise und Aufwendungen für die Sicherheit kalkuliert die BVG, wie berichtet, inzwischen jedoch mit mehr als 500 Millionen Euro. Rund 80 Prozent der Bausumme trägt laut Müller der Bund, den Rest das Land Berlin.
Mehrkosten drohen
Mögliche Mehrkosten durch den Wassereinbruch müssten noch ermittelt werden. Das Verfahren zur Ursachen-Ermittlung laufe bereits. Die Kosten allein für den U-Bahnhof am Roten Rathaus belaufen sich auf 30 Millionen Euro. Mehrkosten von rund zehn Millionen sind jedoch bereits beschlossen: Mit dem Geld soll ein sogenanntes „Archäologische Fenster“ errichtet werden. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein begehbarer Raum, der durch eine Panoramascheibe vom U-Bahnhof abgetrennt ist. Durch diese Scheibe können Passanten auf das freigelegte Gewölbe des 1865 abgerissenen mittelalterlichen Rathauses schauen.
„Vom Keller des Roten Rathauses ist zudem ein direkter Zugang ins Gewölbe geplant“, sagt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. In dem großen Saal, in dem früher Stoffballen gehandelt wurden, sollen Glasvitrinen aufgestellt werden, in denen die Fundstücke ausgestellt werden, die bei den archäologischen Grabungen im Vorfeld des U-Bahnbaus entdeckt wurden. Unklar ist nach Lüschers Worten jedoch noch, wie genau der Zugang zum „Archäologischen Keller“ später geregelt werden soll. „Da der Weg durchs Rathaus führt, gibt es noch einige Sicherheitsaspekte zu beachten“, so die Senatsbaudirektorin. Offen sei auch noch, ob für den Besuch Eintritt gefordert werde oder der Zugang gratis sei. „Wir haben noch kein Betriebskonzept“, sagt Lüscher.
Doch noch ist weder von dem Archäologie-Fenster, noch von einem Zugang vom Roten Rathaus etwas zu sehen. „Den eigentlichen Bahnhof gibt es ja bis auf die Decke noch gar nicht, der wird nun erst in diese Baugrube hineingestellt“, erläutert Seegers. Die zwei Meter dicke Stahlbetonschicht, auf denen der Bausenator stehe, sei auch nicht das künftige Bahnsteigniveau. „Unter der Bahnsteigebene wird es noch eine weitere Ebene geben. Hier wird eine Abstellanlage für die Züge errichtet“, informiert der Projektchef.
Tunnel schon in den 30er-Jahren gebaut
Die BVG hat aber nicht nur Bedarf an einer Abstellanlage, der Doppeltunnel erfülle noch einen weiteren Zweck: „Sollten sich spätere Generationen einmal dazu entschließen, die U-Bahn weiterzubauen, ist der Anschluss an den Bahnhof Berliner Rathaus kein Problem“, so Seegers. Die Lage des neuen U-Bahnhofs sei nicht nur hinsichtlich eines späteren Anschlusses der U3 bereits von den Planern früherer Zeiten vorherbestimmt gewesen, führt Seegers weiter aus. Bereits 1930 war ein Tunnel gebaut worden, der vom U- und S-Bahnhof Alexanderplatz kommend unter der Rathausstraße fast bis zum Roten Rathaus verläuft. „In der Verlängerung dieses 80 Jahre alten Tunnels liegt nun unser 140 Meter langer Bahnhof“, so Seegers.
Über einen riesigen Sandhügel, der in den nächsten Wochen noch mit einem Bagger aus der Baugrube geschaufelt werden muss, klettern die Baustellenbesucher am Ende des Rundgangs wieder in die Höhe. „Noch sorgen Pumpen dafür, dass wir hier nicht schwimmen müssen“, sagt er. Wäre das nicht der Fall, würde das Wasser gut 14 Meter hoch stehen.
Wieder auf Straßenniveau angelangt, versichert Seegers seinen Gästen schließlich noch, dass die Betonwände und Quader, die auf dem Platz vor dem Roten Rathaus emporgewachsen sind, wieder verschwinden werden, sobald die neue Station im Rohbau steht. „Immer wieder fragen uns Passanten, ob wir etwa vorhätten, direkt vor dem Rathaus ein Einkaufszentrum zu errichten“, so Seegers. „Dann muss ich immer erklären, dass die Betonquader nur zur Stabilisierung der Baugrube und zum Halt der Decke dienen und selbstverständlich nach Abschluss der Arbeiten wieder verschwinden.“