Fast zwei Jahre lang lebten etwa 150 Menschen in Hütten und Zelten auf dem Grundstück. Nach dem Großfeuer mussten sie es verlassen. Der Besitzer sperrt die Brache ab - und kommt einer Räumung zuvor.

Später sagte ein Feuerwehrmann: „Es ist schon ein Wunder, dass das Feuer nicht sofort auf andere Hütten übergriff.“ Ein Streit zwischen Bewohnern der Cuvry-Brache in Kreuzberg hätte tödlich ausgehen können. Am Donnerstagabend brannten auf dem Gelände an der Cuvrystraße drei Hütten vollständig nieder.

Nur dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr ist es zu verdanken, dass die Flammen nicht auf der aus Sperrmüll und anderem leicht brennbaren Material zusammengebauten Behausungen übergriffen und Menschen verletzten. Am Freitagmorgen rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an und sperrte den Brandort weiträumig ab, alle Bewohner mussten das Gelände verlassen. Ein Brandkommissariat des Landeskriminalamtes (LKA) ermittelt inzwischen gegen sechs Männer zwischen 21 und 45 Jahren wegen schwerer Brandstiftung.

Der Brand auf der Cuvry-Brache blieb am Donnerstagabend und in der Nacht zu Freitag nicht der einzige Großeinsatz der Feuerwehr. Ebenfalls in Kreuzberg gingen vier in einem Parkhaus abgestellte Pkw in Flammen auf, in Mitte brannten zwei Busse. In allen Fällen ermittelt die Polizei und prüft einen politischen Hintergrund. In Friedrichsfelde kam zudem ein 45-jähriger Mann bei einem Wohnungsbrand ums Leben.

Brandspürhunde und Drohne eingesetzt

Das Feuer auf der Cuvry-Brache brach am Donnerstagabend kurz vor 21 Uhr aus, schnell erhellten die bis zu 20 Meter hoch lodernden Flammen den abendlichen Himmel über Kreuzberg. Anwohner alarmierten die Feuerwehr, die mit einem größeren Aufgebot anrückte. Nach etwa einer Stunde hatten die Löschkräfte den Brand schließlich unter Kontrolle. Die Polizei setzte für ihre Ermittlungen Brandspürhunde und eine Drohne ein, um den großräumig abgesperrten Tatort aus der Luft zu fotografieren.

Was die Auseinandersetzung unter den Bewohnern des Grundstücks auslöste, in dessen Folge die Baracken in Flammen aufgingen, ist noch unklar. Fest steht nach ersten Erkenntnissen, dass mehrere Männer sich stritten und handgreiflich wurden. Wer den Brand schließlich legte, wird noch geprüft.

Die Festgenommenen wurden zur Vernehmung in die Polizei-Dienststelle an der Keithstraße gebracht. Zunächst hatte eine Mordkommission die Ermittlungen wegen des Verdachts einer versuchten Tötung übernommen. Dies entspricht gängiger Rechtspraxis, wonach jeder, der ein von Menschen bewohntes Gebäude in Brand setzt, deren Tod „billigend in Kauf nimmt“.

Dieser Verdacht habe sich jedoch nicht erhärtet, sagte später eine Polizeisprecherin. Jetzt werde den Verdächtigen, fünf Polen und ein Este, schwere Brandstiftung vorgeworfen. Drei der sechs Festgenommenen wurden am Freitagnachmittag wieder entlassen. Die anderen drei – alle 21 Jahre alt – sollten einem Haftrichter vorgeführt werden.

Räumung drohte seit Wochen

Auf dem brach liegenden Gelände direkt an der Spree leben seit drei Jahren etwa 150 Menschen: Aussteiger, Obdachlose und Roma-Familien mit Kindern. Den Bewohnern drohte die Zwangsräumung, der Eigentümer möchte auf dem Areal Wohnungen und ein Gewerbezentrum bauen. Eine Baugenehmigung dafür liegt bereits seit Längerem vor. Als das starke Polizeiaufgebot am frühen Freitagmorgen anrückte, machte schnell das Gerücht die Runde, die vom Eigentümer des Geländes vor einem Monat beantragte Zwangsräumung stehe unmittelbar bevor. Eine Polizeisprecherin stellte allerdings vor Ort klar: „Wir räumen nicht.“ Die Absperrung des Brandortes erfolge lediglich, um ungestörte Ermittlungen zu gewährleisten.

Am Nachmittag allerdings übergab die Polizei das nun bewohnerfreie Gelände dem Eigentümer. Er kündigte an, einen Zaun errichten zu lassen, um jeglichen Zugang zu der Brache künftig zu verhindern. Polizisten bauten am Freitagabend Absperrgitter auf und riegelten auch Teile der umliegenden Straßen ab. Wachleute bezogen Stellung vor den Eingängen.

Rückkauf des Grundstücks gefordert

Die neue Entwicklung war kaum bekannt geworden, da erschienen nach Aufrufen im Internet mehrere Dutzend Aktivisten, um gegen die polizeilichen Absperrmaßnahmen und eine „verkappte Räumung“ zu protestieren. Im Laufe des Tages stieg die Zahl der Demonstranten kontinuierlich an, Zwischenfälle blieben bis zum Abend aus. Einige Protestierer forderten einen Rückkauf des Grundstücks, um eine „Bebauung mit Luxuswohnungen“ zu verhindern, die den Kiez zerstören würde. Auf der Cuvry-Brache hatten die Bewohner in den vergangenen Jahren nach und nach kleine Häuschen mit Ofenrohren und Vorgärten gebaut; versteckt zwischen Sträuchern und Müllhaufen.

Dass es friedlich bleibt, halten szenekundige Beamte für fraglich. „Da könnte sich in den kommenden Tagen noch eine Menge Frust und Wut aufstauen“, sagte ein Ermittler am Freitag. Was aus den bisherigen Bewohnern wird, blieb zunächst offen. Sie durften nur noch einmal kurz zurückkehren, um ihre persönliche Habe zu holen – allerdings mit Polizeibegleitung.

Am Mittag erschienen auch Vertreter des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg vor Ort, um den Betroffenen Notunterkünfte anzubieten. Die meisten hätten die Hilfe des Bezirks aber nicht angenommen, sagte ein Sprecher. Am Abend saßen viele junge Menschen mit Rucksäcken, Kisten und Taschen auf dem Bürgersteig und tranken Bier. Die Roma-Familien waren schon im Lauf des Tages mit Autos und Kleinbussen abgefahren.

Etwa eine Stunde, bevor die Flammen auf der Cuvry-Brache in den Himmel loderten, brannte es bereits in einem Parkhaus an der Ritterstraße. Dabei wurden fünf abgestellte Autos weitgehend zerstört. Ein gerade in dem Parkhaus eintreffender Fahrzeughalter versuchte vergeblich, seinen brennenden Pkw selbst zu löschen. Dabei zog er sich eine schwere Rauchgasvergiftung zu. 50 Feuerwehrleute benötigten knapp zwei Stunden, um den Brand zu löschen. Da die betroffenen Fahrzeuge auf zwei Etagen verteilt waren, geht die Polizei auch hier von Brandstiftung aus.

Reisebus wird zerstört

Gleiches gilt auch für zwei brennende Reisebusse an der Köpenicker Straße in Mitte, zu denen die Feuerwehr am frühen Freitagmorgen gegen 3.20 Uhr gerufen wurde. Ein nahe dem Verdi-Gewerkschaftsgebäude abgestellter Bus brannte bei ihrem Eintreffen bereits lichterloh und wurde zerstört. Übergreifende Flammen beschädigten auch ein zweites, direkt dahinter geparktes Fahrzeug schwer. Menschen wurden nicht verletzt. Die Ermittler des LKA prüfen derzeit einen möglichen Zusammenhang der beiden Taten.

Besonders tragische Folgen hatte ein weiteres Feuer, dass gegen 2 Uhr früh in einem Mehrfamilienhaus an der Paul-Gesche-Straße in Friedrichsfelde ausbrach. Ein 45 Jahre alter Mieter konnte von den Löschkräften in einer Wohnung in der dritten Etage nur noch tot geborgen werden. Eine Frau und zwei kleine Kinder wurden dagegen unverletzt aus der brennenden Wohnung gerettet. Sechs weitere Bewohner brachten sich selbstständig vor den Flammen in Sicherheit. Die Brandursache ist noch unklar. Auch hier ermittelt ein Brandkommissariat.