Showdown im Gehaltskampf: Rund 2500 angestellte Berliner Lehrer legten ihre Arbeit nieder, an 200 Schulen fiel Unterricht aus. Ein starkes Signal zu den Abiturprüfungen. Jetzt droht die Eskalation.
Für viele Schüler war der Unterricht am Freitag vor Pfingsten eher beendet als geplant. Am letzten Tag des einwöchigen Warnstreiks legten laut Gewerkschaft 2500 angestellte Lehrer die Arbeit nieder. An 200 Schulen gab es dadurch Ausfall- oder Vertretungsstunden. Und schon im August nach den Sommerferien soll es weitergehen, wenn der Senat nicht einlenkt und Gespräche über die geforderten Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft GEW führt. Ob es zu einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik kommt, wird die Tarifkommission der Gewerkschaft am 23. Mai beraten.
Die Stimmung auf der Kundgebung am Molkenmarkt am Freitag war kämpferisch. „Wir machen auf jeden Fall weiter“, sagte Florian Bublys von der Lehrerinitiative Bildet Berlin. Der Finanzsenator könne das Problem nicht einfach wegreden. „Er muss sich auf uns zubewegen“, sagte der Lehrer vom Gymnasium Tiergarten. Ein einwöchiger Warnstreik ausgerechnet zu den Abiturprüfungen sei schon ein deutliches Zeichen, das den Lehrern nicht leicht falle. Die nächste Eskalationsstufe wäre ein unbefristeter Streik. „Irgendwann ist es mit dem Warnen vorbei“, sagte Bublys. Ewa 200 Schüler hatten sich mit einem Schulstreik mit den Lehrern solidarisiert.
Das Land entscheidet Eingruppierung und Arbeitszeit
Seit etwa einem Jahr fordern die angestellten Lehrer Tarifverhandlungen und eine Angleichung an die Einkommen der verbeamteten Lehrer. Eine eigene Tarifordnung für die Lehrer gibt es bisher nicht. Die Eingruppierung und Arbeitszeit wird einseitig vom Land als Arbeitgeber vorgegeben. „Mir geht es nicht allein um mehr Geld, ich will einfach mein Recht als Arbeitnehmer wahrnehmen“, sagte Cosima Kießling, Lehrerin für Deutsch, Französisch und Ethik vom Romain-Rolland-Gymnasium in Reinickendorf. Ein Vertrag könne doch nicht einseitig bestimmt werden. Sie würde in den Tarifverhandlungen vor allem auf bessere Arbeitsbedingungen drängen. Das sei auch eine Frage der Wertschätzung. Das Romain-Rolland-Gymnasium habe schon einige erstklassige Kollegen an fremde Bundesländer verloren.
Auch Patrick Ulrich, Lehrer für Mathe und Physik, stellt sich immer wieder die Frage, ob er in Berlin bleiben soll. In anderen Bundesländern würde Lehrern mit seiner Fächerkombination der rote Teppich ausgerollt. Der Schulrat von Potsdam hätte ihm bereits gesagt, dass er jederzeit wechseln könne. Ein Anruf genüge, habe er gesagt. Doch so einfach lasse man eine Klasse, die man gerade zum Abitur begleitet, nicht zurück, sagte Ulrich. Auch Schüler des Reinickendorfer Gymnasiums haben am Freitag gestreikt. „Wir hatten schon viel Unterrichtsausfall in dieser Woche und wollen, dass der Konflikt endlich beendet wird“, sagte die 15-jährige Maren. Von ihrem Gymnasium haben sich 15 Lehrer an dem Ausstand beteiligt. Randstunden fielen aus, in anderen Unterrichtsstunden blieben die Schüler unbeaufsichtigt. „Prüfungen und Klassenarbeiten haben aber alle planmäßig stattgefunden“, sagte Cosima Kießling.
Viele Stunden fallen wegen des Streiks aus
An der Martin-Buber-Sekundarschule streikten am Freitag 14 angestellte Lehrer. „Bei so einer Menge ist ein geordneter Unterrichtsablauf kaum noch möglich“, sagte Schulleiter Lutz Kreklau. Viele Stunden hätten ausfallen müssen. Für einige Schüler habe der Tag mit der vierten Stunde begonnen, für andere sei schon nach der vierten Stunde Schluss gewesen. Insgesamt seien die streikenden Lehrer aber besonnen vorgegangen und hätten ihre Aktionen rechtzeitig angekündigt, so der Schulleiter.
An einigen Grundschulen waren die Eltern von vornherein aufgefordert, die Kinder möglichst zu Hause zu lassen. „Ich bitte Sie, wenn möglich, Ihr Kind an diesem Tag nicht in die Schule zu schicken. Die ergänzende Förderung und Betreuung ist nicht davon betroffen. Eine Notbetreuung ist gewährleistet“, hieß es etwa in einer Infomail der Schulleitung an die Eltern der Robert-Reinick-Grundschule in Spandau. Hier hatten sich bis zu 14 Lehrer am Warnstreik beteiligt.
Finanzsenator Nußbaum will nicht verhandeln
Der Finanzsenator gab sich unbeeindruckt. Schon im Abgeordnetenhaus am Donnerstag machte er deutlich, dass für ihn keine Tarifverhandlungen auf Landesebene in Frage kämen, da Berlin seit Januar Mitglied in der Tarifgemeinschaft der Länder ist. Die lehnte jedoch erst im April eine einheitliche Entgeltordnung für Lehrer ab. „Die Bundesländer können sich nicht einigen, weil die Bedingungen so unterschiedlich sind, deshalb fordern wir Regelungen auf Landesebene“, sagte Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW.
Unterstützung für die Berliner Lehrer kommt aus den anderen Bundesländern, die ihre Lehrer nicht mehr verbeamten. In Sachsen etwa, wo es 31.000 angestellte Lehrer gibt, habe die Landesregierung Angst, dass der Funke aus Berlin überspringt, sagte Sabine Gerold, GEW-Vorsitzende in Sachsen. Die Gewerkschaft will auf ihrer nächsten Bundesvorstandssitzung über gemeinsame Streikaktionen mehrerer Bundesländer beraten.
CDU will Lehrer wieder verbeamten
Die CDU wirbt dafür, den streikenden Lehrern entgegenzukommen. Der Senat solle prüfen, ob unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit mit den anderen Bundesländern und unter Berücksichtigung der Kritik des Landesrechnungshofes, Lehrer in Berlin wieder verbeamtet werden, heißt es in einem Positionspapier der CDU-Fraktion. Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Christian Goiny, sagte, man werde nicht den Koalitionsvertrag in Frage stellen. Aber es sei nicht klug, den angestellten Lehrern jetzt, wo Berlin kein Geld habe, viel Geld zu bezahlen, anstatt niedrigere Beamtengehälter zu finanzieren, die wegen fehlender Sozialabgaben höhere Netto-Einkommen für die Lehrer bedeuten.