Sanierung

Berliner Stadtbahn muss für drei Monate voll gesperrt werden

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Thomas Fülling

Foto: dpa

Der Berliner Hauptbahnhof ist erst sieben Jahre alt. Dennoch sind wichtige Brücken-Konstruktionen marode. Schrauben lockern sich oder werden abgesprengt. Für die Sanierung wird die Stadtbahn gesperrt.

Mit großem Jubel ist im Mai 2006 der Berliner Hauptbahnhof eröffnet worden. Der neue Bahnknoten war rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft fertig geworden, wie alle Beteiligten damals lobten. Doch der vom damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn verordnete Zeitdruck bei der Fertigstellung hatte jedoch offenbar seinen Preis. Nicht einmal zehn Jahre nach Eröffnung des 1,3 Milliarden Euro teuren Bauwerks müssen bereits Teile der Brückenkonstruktionen am Bahnhof saniert werden. Mit gravierenden Folgen für die Fahrgäste: Denn für mindestens 86 Tage werden 2015 die Stadtbahngleise für den Fern- und Regionalverkehr voll gesperrt.

Für voraussichtlich weitere zwei Monate muss anschließend auch noch der Zugverkehr der Berliner S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und dem Bahnhof Friedrichstraße unterbrochen werden. Reisende müssen sich auf zeitraubende Umleitungen einstellen, kündigte die Bahn an.

Als Schwachpunkt am neuen Hauptbahnhof haben sich die Übergänge an den Gleisbrücken erwiesen. Bereits 2007 hatten Bahn-Mitarbeiter festgestellt, dass sich unter der Last der darüber fahrenden Züge an den Verbindungen Schrauben gelockert hatten oder gar abgesprengt wurden. Weil die Stadtbahntrasse zwischen Hauptbahnhof und Friedrichstraße besonders enge Kurvenradien aufweist, wirken an den Übergängen sehr hohe Kräfte. Diesen Belastungen halten die Schraubverbindungen nur unzureichend stand.

Die Züge müssen langsam fahren

Zunächst versuchte die Bahn die schadhaften Schrauben auszutauschen. 2011 folgte der komplette Austausch der Schienen und eine Instandsetzung der Konstruktionen, was jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachte. Daraufhin verhängte die Bahn ein Tempo-Limit: Seit Monaten dürfen die Züge nur noch mit 40 statt mit 60 Stundenkilometern über diesen Stadtbahn-Abschnitt fahren, was wiederholt zu Staus vor dem Bahnhof Friedrichstraße führte.

Akute Gefahren für die Sicherheit der Reisende gebe es nicht, betonten die Verantwortlichen der Bahntochter DB Netz. Die Schrauben würden monatlich kontrolliert. Um die Probleme dauerhaft zu lösen, sei jedoch ein Ersatz von 37 sogenannter Fahrbahnübergänge durch Neukonstruktionen unvermeidlich, heißt es. Ein Pilotprojekt dafür soll es bereits 2014 geben, die eigentliche Austausch von August bis November 2015 geplant. Die dreimonatige Vollsperrung sei notwendig, weil die Enge der Gleise ein Arbeiten bei gleichzeitigem Zugverkehr nicht erlaubt.

Zudem muss auch die sogenannte feste Fahrbahn, auf der Gleise nicht auf Schotter verlegt, sondern auf Betonplatten fest verschraubt sind, erst herausgerissen und dann erneuert werden. Die notwendigen Aushärtezeiten für den Spezialbeton würden die Länge der Bauarbeiten bedingen, so ein Vertreter von DB Netz. Voraussichtlich 2016 sollen die Gleise dann für die S-Bahn gesperrt werden, für mindestens 60 Tage.

Fahrgastverband Igeb ist „erschüttert“

Der Berliner Fahrgastverband Igeb reagierte wenig erfreute auf die angekündigte Vollsperrungen des Bahnverkehrs in der Innenstadt. „Ich bin erschüttert über die Qualität deutscher Wertarbeit“, sagte Igeb-Sprecher Jens Wieseke. Hier würde sich der Zeitdruck bei der Fertigstellung des Hauptbahnhofs rächen. „Bei solch wichtigen Projekten muss Qualität vor Schnelligkeit gehen“, sagte Wieseke mit Blick auf das aktuelle Infrastruktur-Großprojekt in Berlin, den Hauptstadtflughafen BER. Mehdorn, der seit Kurzem Chef der Berliner Flughafengesellschaft ist, hatte für den BER gerade ein Beschleunigungsprogramm mit Namen Sprint aufgelegt, mit dessen Hilfe die Arbeiten zügiger vorangehen sollen.

„Der täglichen Dauerbelastung nicht gewachsen“

Um die Eröffnung des Hauptbahnhofs vor der Fußball-WM zu sichern, hatte Mehdorn als damaliger Bahn-Chef direkt in die Arbeiten eingegriffen und unter anderem das Hallendach verkürzen lassen.

Den Vorwurf, dass es durch Zeitdruck zu „Baupfusch“ bei den Brücken-Verbindungen gekommen sei, wies die Bahn indes zurück. „Die Konstruktion ist damals ordnungsgemäß abgenommen worden. Allerdings hat sich gezeigt, dass die der täglichen Dauerbelastung nicht gewachsen ist“, sagte ein Bahnsprecher.