Am Bahnhof Zoo

Architekt Kleihues will in City West fünf Hochhäuser bauen

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Isabell Jürgens

Foto: Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH

800 neue Wohnungen sollen in der City West entstehen. TU-Präsident Steinbach sieht durch diese Pläne die Zukunft seiner Uni in Gefahr.

„Zur City West gehören nicht nur Shopping und Wohnen, sondern seit mehr als 100 Jahren Wissenschaft, Universität, studentisches Leben und der Wissenstransfer in die Wirtschaft.“

Mit diesen Worten hat der Präsident der Technischen Universität (TU) Berlin, Jörg Steinbach, seinen Appell an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Bausenator Michael Müller (beide SPD) bekräftigt, die seit Jahren laufenden Planungen für die Erweiterung der Uni auf dem Areal nördlich vom Bahnhof Zoo nicht zu gefährden.

Hochhäuser vs. Uni-Gebäude

Der Hintergrund: Für das Gebiet hatten der Berliner Architekt Jan Kleihues und der frühere Bundesbaumanager Florian Mausbach in der vergangenen Woche Baupläne vorgelegt. Sie beinhalten ein neues innerstädtisches Stadtquartier mit fünf Hochhäusern und 800 neuen Wohnungen. Doch für dasselbe Areal hat die TU seit Jahren ihre eigenen Planungen. Hier soll das TU-Ostgelände mit dem dringend benötigten Ersatzbau für das marode Mathematikgebäude entstehen.

Entsetzt ist der Uni-Präsident dabei nicht nur über das „befremdliche Vorgehen des Architekten Kleihues“, der sich mit seinen Plänen über die Uni hinweg an den Senat und den Bezirk gewandt habe. „Irritiert hat mich besonders, dass Senator Müller und das Bezirksamt die Pläne auch noch begrüßen“, so Steinbach am Montag.

Dabei habe der Senat 2009 einen städtebaulichen Wettbewerb für das Areal zwischen Müller-Breslau-Straße und Hertzallee durchgeführt, auf dessen Grundlage 2011 unter Mitwirkung der TU ein Masterplan für das 120.000 Quadratmeter große Gelände hervorging. „Ohne dieses Erweiterungsgelände ist die weitere Entwicklung der TU und damit auch der Wissenschaftsstandort Berlin in Gefahr“, warnte Steinbach. Kleihues hatte am vergangenen Dienstag Entwürfe präsentiert, die genau an der Stelle, an der die TU ihren Ost-Campus errichten wollte, markante Hochhäuser vorsehen.

Existenzielle Bedrohung

Die Bereitschaft, mit der sowohl der Senat als auch der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Kleihues-Pläne aufgenommen hätten, sei bedenklich, so der Universitätspräsident weiter. Zwar sei angesichts der Hochhaus-Euphorie in der City West, wo am Breitscheidplatz gerade das „Waldorf Astoria“ im 118 Meter hohen Zoofenster eröffnet habe, die Aufbruchstimmung unter den Architekten verständlich. „Doch wenn die von Kleihues präsentierten Pläne jetzt dazu führen, dass unsere bereits konkreten Neubaupläne erneut aufgeschoben werden, wäre das eine existenzielle Bedrohung für uns“, so Steinbach.

Denn dort, wo in Kleihues’ Plänen ein Hochhaus an der Müller-Breslau-Straße eingezeichnet ist, sieht die TU ihren Ersatzneubau für das sanierungsbedürftige Mathematikgebäude an der Straße des 17. Juni vor. „Unter dem fast nicht mehr hinnehmbaren Zustand des Gebäudes leiden die Lehre und das internationale Ansehen immens“, sagte Steinbach. In der Investitionsplanung des Landes Berlin sei die Realisierung des Neubaus schon einmal um drei Jahre nach hinten verschoben worden. Jetzt ist der Bau für den Zeitraum 2014 bis 2017 angesetzt. Sollte das Vorhaben erneut verschoben werden, hätte das fatale Auswirkungen. „Wenn das Gebäude nicht kommt, verlieren wir Wissenschaftler, Drittmittel und Ansehen“, so Steinbach. Rund 81 Millionen Euro sind für den Neubau des Forschungsinstituts vorgesehen.

Ebenfalls gefährdet wären auch die TU-Pläne für ein Kooperationsvorhaben mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ebenfalls geplant an der Müller-Breslau-Straße. Dieses Gebäude, dessen Baubeginn im Frühjahr 2014 sein soll, werde zu 50 Prozent vom Bund kofinanziert. Vorgesehen sind für das Gemeinschaftsbauwerk 30 Millionen Euro. „Kommt das Gebäude nicht, gehen uns die Mittel des Bundes verloren“, sagte Steinbach. Derzeit stehen an dem Standort, an dem Mathematiker und Raumfahrttechniker künftig forschen sollen, noch die alten Nachkriegsbaracken der TU, die die Universität nur noch zum Teil als Verwaltungsgebäude nutzt.

Pläne der Architekten „sind überflüssig“

„Natürlich ist der derzeitige Zustand des Areals nicht attraktiv“, räumte Steinbach ein. „Aber die Pläne von Kleihues und Mausbach sind überflüssig, mit unserem Campus würde sich die Gegend ebenfalls beleben“, versicherte er. Schließlich seien Vorhaben von insgesamt 300 Millionen Euro geplant. So sollen forschungsnahe Einrichtungen wie ein Tagungshotel, Studentenwohnheime sowie Gebäude für Firmengründer dort entstehen, wo sich nach mittlerweile gescheiterten Plänen ein 180 Meter hohes Riesenrad drehen sollte und die BVG ihren Busbahnhof hat. Das Land Berlin habe die Möglichkeit, das Aussichtsrad-Areal wieder zurückzubekommen. Und mit der BVG habe man längst vereinbart, dass das Busdepot verkleinert werde, um Platz zu schaffen.

Auch wirtschaftlich würde sich für das Land Berlin die Investition in den TU-Campus am Standort Charlottenburg rechnen. Nach Angaben Steinbachs habe die TU 2011 rund 160 Millionen Euro Drittmittel erhalten. Daraus seien mehr als 3000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. „Im gleichen Jahr konnten rund 350 Alumnifirmen mit mehr als 16.000 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro erwirtschaften“, sagte Steinbach.

Umzug nach Tegel

„Unser Entwurf sieht auch Flächen für die TU vor“, sagte dazu Kleihues. „Wir haben auf dem Areal die Chance, ein modernes Stadtquartier mit Wohn-, Büro- und Geschäftsflächen zu schaffen, das sich harmonisch in das bestehende Umfeld eingliedert“, so der Architekt. Er habe zudem seine Pläne nicht nur dem Senat und dem Bezirk, sondern auch Steinbach präsentieren wollen. „Aber Steinbach hat uns erst einen Termin im März gegeben“, sagte Kleihues.

Steinbach bestätigt das: „Dennoch ist mir unklar, warum Kleihues plötzlich solchen Zeitdruck verspürt, dass er so lange mit der Veröffentlichung nicht warten konnte“, sagte Steinbach. Schließlich fuße der jetzige Vorstoß von Jan Kleihues auf den Überlegungen seines Vaters Joseph Kleihues, der diese zusammen mit Florian Mausbach bereits Ende der 90er-Jahre entwickelt hatte. „Jan Kleihues hätte seine Vorstellungen 2009 im Wettbewerb präsentieren können, das wäre fair gewesen“, so Steinbach weiter.

Florian Mausbach, der die Ideen für die Entwicklung City West maßgeblich mit beeinflusst hatte, war in seinen ursprünglichen Überlegungen zur Zukunft des Areals noch viel weiter gegangen. „Die Technische Universität, die jetzt den drohenden Verlust von Raum zur Erweiterung beklagt, sollte den Quantensprung wagen – und ihren mittelfristigen Umzug nach Tegel einleiten“, hatte der Stadtplaner bereits 2011 empfohlen. „Auf dem stillgelegten Flughafenareal könnte die TU wachsen und der geplante Technologiepark zünden – so wie vor zehn Jahren die technischen Zweige der Humboldt-Universität als Pioniere nach Adlershof zogen und dort im Bündnis mit privaten Firmen und Forschern den blühenden Wissenschaftspark schufen.“

Für Steinbach eine absurde Vorstellung: „Ganz abgesehen davon, dass der Flughafen Tegel noch in Betrieb ist, würde es Jahrzehnte dauern, bis dort die notwendige Infrastruktur geschaffen wäre.“