In Berlin gibt es noch zahlreiche Brachen - trotz Bauboom. Aber wem das nicht passt, der kann jetzt selbst aktiv werden – vorausgesetzt, er hat ein Smartphone. Wer will, kann das Grundstück besetzen und innerhalb weniger Minuten ganz nach seinen Vorstellungen bebauen – mit einem Riesenrad zum Beispiel. Oder aber auch mit einem orientalischen Palast. Oder mit einem Park – ganz wie es gefällt. Auch andere Grundstücke wie das Tempelhofer Feld, der Mauerpark oder der eigene Kiez können nun nach eigenen Vorstellungen, und ganz ohne Baugenehmigungen, neu bebaut werden.
Alles, was es dafür braucht, ist ein in Berlin entwickeltes 3D-Echtzeit-Strategiespiel für das Smartphone. „Eevoo“ heißt das Spiel, das mittels Handykamera die Realität zeigt und diese, via GPS-Informationen, auf dem Display um virtuelle Gebäude und Grundstücke ergänzt. Die Idee zum Spiel entwickelten zwei Studenten der Universität der Künste (UdK) in ihrer Masterklasse.
„Wie hast du dir unser 21. Jahrhundert vorgestellt?“
Guillaume Vaslin-Reimann kommt gebürtig aus Paris. Nachdem er mit 16 Jahren sein Abitur und mit 21 sein BWL-Diplom absolvierte, entschied er sich 2010, an der Berliner UdK das Masterprogramm „Leadership in Digitaler Kommunikation“ zu studieren. Hier soll Gründungswilligen dabei geholfen werden, aus ihren Ideen ein Unternehmen zu machen. Der heute 23-Jährige Vaslin-Reimann traf hier auf den Medienwirtschaftler Stephan Schoenen (29) aus dem Berliner Bezirk Mitte. Per Notebook chatteten die Studenten während ihrer Vorlesungen.
„Irgendwann hat Stephan mich gefragt: Wie hast du dir eigentlich unser 21. Jahrhundert vorgestellt, als du noch Kind warst?“, erinnert sich Vaslin-Reimann. Fliegende Autos, bedienende Roboter und „irgendwie futuristischere“ Bauten – keine der kindlichen Vorstelllungen der Gründer sei bis heute Alltag geworden. „Ein paar private Treffen und Flaschen Rotwein später hatten wir aus diesem Missstand ein Spielkonzept entwickelt“, sagt Schoenen.
Das Smartphone, für die jungen Kommilitonen ohnehin ständiger Begleiter, sollte ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Umgebung zumindest virtuell „futuristisch“ umzubauen. In ihrer Masterklasse fanden sie ihren ersten Investor. Vergangenes Jahr im Oktober gründeten sie ihr Start-up „Eelusion“, wenig später bezogen sie Büros am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer. Seit heute ist ihr Spiel im App-Store des Apple-Konzerns erhältlich.
Basierend auf Positionsinformationen aus dem Kartendienst des Smartphones teilt „Eevoo“ Berlin – und alle anderen Städte der Welt – in blaue Planquadrate ein. Jedes dieser Quadrate kann vom Spieler belegt werden. „Der Alexanderplatz besteht beispielsweise aus vier Quadraten. Der New Yorker Times Square aus zwölf“, erklärt Schoenen, Jedes Grundstück gibt es nur einmal. „Eevoo“-App- Besitzer können sie erwerben und mittels virtueller Rohstoffe bebauen.
Läuft man mit geöffneter App durch die Stadt, kann man per Augmented-Reality-Funktion die neuen Grundstücke ansehen. Kommt man an einem Unbesetzten vorbei, kann man dieses für sich beanspruchen. Augmented Reality, also die computergestützte Erweiterung der Realität durch visuelle oder auditive Zusatzinformationen, wird mittlerweile in vielen Smartphone-Applikationen verwendet.
Grüne entwickelten eine App, um Orte zu markieren
Die Berliner Grünen entwickelten zum Wahlkampf 2011 eine App, mit der man Orte, wie zum Beispiel einen maroden Kinderspielplatz, virtuell markieren oder die Wahlplakate der Partei mit dem Handy eingefangen und zum „Sprechen“ bringen konnte. Mit dem niederländischen Augmented-Reality-Browser „Layar“ kann man zum Beispiel Artikel des Online-Lexikons „Wikipedia“ zu Sehenswürdigkeiten wie dem Brandenburger Tor lesen, sobald man dieses mit der Handykamera abfilmt. Und auch die Berliner Mauer kann man virtuell wiederauferstehen lassen, wenn man am ehemaligen Mauerverlauf entlanggeht. Augmented-Reality-Reiseführer bieten geführte Touren zu Sehenswürdigkeiten an. Vor Ort versorgen sie den Smartphone-Besitzer mit Hintergrundinformationen.
„Eevoo“ wurde von einem 16-köpfigen Team aus Grafik-Designern, Programmierern, 3D-Artisten und Illustratoren entwickelt. Wie es sich für die florierende Berliner Technik-Start-up-Szene gehört, ist der Altersdurchschnitt des Teams niedrig und die Anzahl der verschiedenen Nationalitäten hoch. Australier, Spanier, Franzosen, Belgier und Kanadier gehören zum Team.
Auf Facebook findet ihr Produkt bereits vor seiner Veröffentlichung über 15.000 Anhänger. Da passt es, dass man das Spiel auch mit dem sozialen Netzwerk verbinden kann. Welche Planquadrate hat der Chef erworben? Welche die beste Freundin? „Wer ein virtuelles Grundstück bebaut hat, hat es damit noch lange nicht sicher“, sagt Schoenen. „Ziel des Spiels ist, möglichst viel Eigentum anzuhäufen und dieses dann auch zu verteidigen.“
Manches ist in der virtuell erweiterten Realität eben auch nicht anders als in der Herkömmlichen.