Anuschka Meissner hat viel vor an diesem Dienstagmorgen. In aller Frühe ist sie aufgestanden und mit dem Zug von Potsdam nach Schönefeld gefahren. Jetzt soll es abgehen mit dem Flieger nach München. „Und dann gleich in die Berge, Sonne tanken und endlos Skifahren.“, sagt sie und hält voller Vorfreude ihr Lufthansa-Ticket hoch. Doch die Reise endet für Anuschka Meissner bereits nach einer knappen Stunde an einem schmalen Schalter mit der Aufschrift A12. Statt über die dahinterliegende Brücke in einen Lufthansa-Airbus geht es für sie die Treppen wieder hinauf. Sie muss zurück zum Ausgangspunkt ihrer Reise, einem weißen Zelt direkt vor dem Hauptterminal des Flughafens Berlin Brandenburg (BER).
Die Frau in der warmen Kapuzenjacke ist über den verpassten Winterurlaub dennoch nicht enttäuscht. Denn eigentlich heißt sie Susanne Mertens. Und gemeinsam mit 260 anderen Berlinern und Brandenburgern ist sie nur nach Schönefeld gekommen, um das Funktionieren des neuen Hauptstadtflughafens zu testen. Anuschka Meissner ist dabei nur einer von zwei Testpassagier-Namen, unter denen sie sich nun für den imaginären Flug LH8012 von Berlin nach München eingecheckt hat.
Mehr als 20.000 Bewerber
Obwohl es dafür lediglich ein Lunchpaket zum Mittag und ein paar Werbegeschenke zum Schluss gibt, ist der Flughafentester ein überaus heiß begehrter Job. Mehr als 20.000 Menschen haben sich laut Flughafen-Chef Rainer Schwarz bislang für die insgesamt 10.000 Komparsen-Stellen beworben. Inzwischen können sich Bewerber nur noch im Internet auf eine Warteliste eintragen ( www.ber.berlin-airport.de ). Alle, die an diesem frostigen Februarmorgen zum BER gekommen sind, eint die Vorfreude, zu den allerersten Nicht-Bauarbeitern zu gehören, die den neuen Airport von Innen sehen können.
Von dessen Architektur und Funktionalität ist Vielfliegerin Susanne Mertens durchaus angetan: „Gefällt mir ganz gut – sehr viel Licht, keine Engegefühl, warme Farben.“ Noch sind allerdings viele Einrichtungen überhaupt nicht zu sehen. Überall im Terminal sind noch Bauarbeiter mit dem Innenausbau beschäftigt. „Wie bei vielen Großprojekten, werden wohl viele Arbeiten erst in der Nacht vor der Eröffnung zu Ende gehen“, vermutet Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel.
Bis dahin ist allerdings nicht mehr viel Zeit: Es bleiben noch 116 Tage, dann werden in der Nacht von 2. zum 3. Juni die beiden bestehenden Flughäfen in Tegel und Schönefeld an denen neuen Standort umziehen. Am 3. Juni um 5.30 Uhr soll mit dem gleichzeitigen Start von zwei Passagierflugzeugen – je einer Maschine von Lufthansa und von Air Berlin – der neue Hauptstadtflughafen BER dann in Betrieb gehen. Damit es an diesem Tag nicht zu einem Desaster wie etwa im März 2008 bei der Eröffnung des Terminals 5 in London-Heathrow kommt, will die Berliner Flughafengesellschaft alle Abläufe vom Check-in bis zum sogenannten Boarding, also dem Einsteigen in die Maschine, ausgiebig testen.
Die ersten Probeläufe haben bereits im November 2011 begonnen – da allerdings ausschließlich mit den Mitarbeitern der Flughafengesellschaft, der Airlines, der Dienstleister für die Abfertigung am Boden und natürlich auch den Beamten der Bundes- und Landespolizei. Nun beginnt die zweite Stufe des großen Flughafen-Tests, jetzt mit Passagieren. „Wir wollen sehen, ob sie sich gut im Flughafen zurechtfinden und wie die Mitarbeiter mit den Problemen der Passagiere zurecht kommen“, sagt Manfred Körtgen, Betriebs-Geschäftsführer der Flughafengesellschaft. Allein am ersten Testtag werden die Abflüge von sechs Maschinen simuliert: Dabei soll es mit Lufthansa noch nach Budapest, mit Air Berlin nach Oslo, mit Condor nach Mallorca und mit Finnair nach Helsinki gehen. In keinem Fall aber steht jedoch tatsächlich ein Flugzeug an einem der insgesamt 191 Gates. „Für einen Funktionstest ist das aber auch nicht nötig“, sagt Flughafen-Sprecher Kunkel.
Nicht alles lief reibungslos
Dass im BER-Hauptterminal längst noch nicht alles reibungslos klappt, musste Volker Gruber erfahren. Er hatte an der Gepäckausgabe einen besonders großen Rucksack erhalten. Am Check-In schickten ihn die Mitarbeiter damit weiter zum Schalter für Sperrgepäck. Den jedoch konnte Gruber trotz längerer Suche nicht finden. Er war, wie sich später herausstellte, überhaupt noch nicht eingerichtet. Beim zweiten Einchecken konnte sich der 40 Jahre alte Potsdamer indes von der Schlagfertigkeit eines Flughafen-Mitarbeiters überzeugen. Mit einem Ticket für die Businessclass in der Hand erkundigte er sich gleich nach dem Weg zur Senator-Lounge. „Die ist gerade wegen Wartungsarbeiten geschlossen“, so der Lufthansa-Mann mit einem Lächeln, offenbar wissend, dass die Arbeiten zur Einrichtung der Lounge gerade erst begonnen hatten.
Größter Engpass in wohl jedem Flughafen sind die immer umfangreicheren Sicherheitskontrollen. Um die in Schönefeld möglichst zu beschleunigen, setzt die dafür verantwortliche Bundespolizei auf modernste Technik. Insgesamt 30 Schleusen zur Kontrollen wird es zunächst geben. Nach der Fertigstellung von zwei Anbauten sollen es sogar 36 sein. Eingebaut wurden unter anderem neue Röntgengeräte für die Kontrolle des Handgepäcks, die bereits vorbereitet sind für die Zeit, wenn wieder Getränke in das Flugzeug mitgenommen werden dürfen. Zweite Neuerung: Eine spezielles System für die Wannen, in die die Reisenden ihr Handgepäck und ihre Kleidung vor dem Passieren der Metalldetektoren reinlegen. Wird am Röntgengerät etwas Verdächtiges gesehen, schert die jeweilige Wanne automatisch zur Handkontrolle durch einen Beamten aus. „Der Vorteil: Die Passagieren dahinter müssen nicht extra warten“, sagt Olaf Wiese von der Bundespolizei.
Allerdings: Gerade die Sicherheitskontrollen wurden von vielen Flughafen-Testern nicht als optimal eingeschätzt. „Etwa 80 Prozent der Komparsen kritisierten, dass es zu wenig Platz zum Anziehen nach den Kontrollen gibt“, sagt Christoph Aumüller. Der gerade erst 24 Jahre alte Österreicher gehört zum ORAT-Team, das für die Probeläufe und den Umzug der alten Flughäfen zum neuen Standort verantwortlich ist. Vor Schönefeld war Aumüller fast ein Jahr in Indien, um die Inbetriebnahmen eines neuen Terminals am Flughafen Delhi mit vorzubereiten. „Da machten wir die Tests bei fast 50 Grad Wärme.“ Auch ein zweites Problem hat Aumüller im BER-Terminal schon ausgemacht: An den Schaltern für die Passkontrolle im Non-Schengen-Bereich seien die Beamten von den Passagieren kaum zu verstehen gewesen. Flughafen-Geschäftsführer Körtgen bereiten diese und andere Mängel-Anzeigen keine Sorge: „Dafür machen wir ja die Probeläufe. Noch haben wir Zeit, alle Probleme rechtzeitig zu lösen.“
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