Als die älteste Autobahn Deutschlands im September vergangenen Jahres in das Jubiläumsjahr anlässlich ihres 90-jährigen Bestehens startete, war der Asphaltbelag in vielen Abschnitten schon so marode, dass nur noch Tempo 60 gefahren werden durfte. Angesichts der Dauerbaustelle, die täglich rund 90.000 Pkw- und 4500 Lkw-Fahrer passieren müssen, ist kaum noch vorstellbar, dass auf der Avus einst internationale Geschwindigkeitsrekorde gefeiert wurden. Kein Museum, ja nicht einmal eine Jubiläumsausstellung erinnert an die rund zehn Kilometer lange Rennstrecke, auf der einst Motorsportgeschichte geschrieben wurde.
Für den Berliner Motorsportclub Scuderia Avus und den ADAC Berlin-Brandenburg ein unhaltbarer Zustand: Sie nutzten am Sonntag ihren traditionellen Neujahrsbrunch in der Classic Remise, um die betagte Jubilarin gebührend zu feiern. Den rund 350 Gästen, darunter Rennsport-Legenden wie Hans Herrmann, Kurt Ahrens, Dieter Glemser sowie dem Vizeweltmeister in der FIA GT World Championchip Stefan Mücke, wurden beim Brunch in der Ausstellungshalle nicht nur zahlreiche historische Rennwagen präsentiert. Ausgestellt waren auch Erinnerungsstücke aus dem Nachlass des deutschen Rennfahrers Manfred von Brauchitsch. Fototafeln erinnerten an die zahlreichen Rennen, die auf der Avus bis zum Jahr 1998 ausgetragen wurden.
Ausstellung längst überfällig
„Es ist wirklich schade, dass wir die Ausstellung nicht länger zeigen können“, bedauert Torsten Volklandt, 1. Vorsitzender des Vereins Scuderia Avus, in dem sich aktive Berliner Motorsportler zusammengeschlossen haben. „Man muss kein Nostalgiker sein, um sich zu wünschen, dass am besten direkt an der Strecke an die Geschichte der Rennstrecke erinnert wird“, so ADAC-Ehrenmitglied Wolf Wegener. Danach aber sieht es nicht aus: Die 200 Meter lange Avus-Tribüne, 1936 mit rund 4000 Plätzen eröffnet, steht zwar genauso wie der 1937 fertiggestellte Mercedes-Turm unter Denkmalschutz. Doch seit dem letzten Avus-Rennen verrottet sie – und es scheint nicht so, als ob ihre Sanierung unmittelbar bevorstünde. 2007 hatte die Avus-Tribüne GmbH das Bauwerk erworben, wollte es mit Glasscheiben zur Autobahn schließen und aus den Tribünen ein Eventzentrum machen. Geschehen ist nichts. „Immerhin, die Graffiti werden jetzt beseitigt“, so Wegener.
Trotz der geringen Aussicht darauf, dass es in naher Zukunft einen Ort für die abwechslungsreiche Avus-Geschichte geben könnte, feierten zahlreiche Avus-Veteranen ein fröhliches Wiedersehen. Kurt Ahrens, der 1958 bis 1968 zehn Siege auf der Berliner Autobahn einheimste, war gar nicht wehmütig zumute: „Es war eine unvergleichliche Rennstrecke, aber ab einem gewissen Zeitpunkt war sie eben aus Sicherheitsgründen nicht mehr vertretbar – das ist doch in Ordnung so“, meinte der 71-Jährige. Die 1937 eröffnete steile Nordkurve habe zwar Traum-Zeiten ermöglicht, aber auch viele Opfer gefordert. Bis 1995 wurde sie zwölf Fahrern und Zuschauern zum Verhängnis. Hans Herrmann, der am Sonntag ebenfalls durch die Ausstellung schlenderte, hätte fast dazugehört: 1959 prallte er beim Großen Preis von Deutschland mit Tempo 290 gegen einen Strohballen und wurde aus seinem Wagen geschleudert. Wie durch ein Wunder stand er nur mit Prellungen und Hautabschürfungen wieder auf.
Oldtimer-Rallye im Juli
Auch die Berliner Motorsportlerin Heidi Hetzer, die 1954 als 17-Jährige zunächst mit dem Motorrad erstmals an den Avus-Rennen teilgenommen hatte, kam nicht immer unfallfrei davon. „1965 habe ich mich mit meinem Opel-Diplomat auf die Seite gelegt, bin aber so glücklich an einer Birke vorbeigeschrammt, dass sich das Auto wieder aufrichtete und ich noch aus eigener Kraft das Ziel erreichte“, erzählte die begeisterte Motorsportlerin und Chefin des Traditions-Autohauses Hetzer.
Damit der Ruhm der Avus nicht völlig in Vergessenheit gerät, hat der ADAC eine Avus Classic Rallye ins Leben gerufen, die im Juli stattfinden wird. Die Rallye für historische Fahrzeuge (mindestens 30 Jahre alt) wird ihr Fahrerlager im Bereich der Avus-Nordkurve einrichten. „Bis heute haben sich schon 80 Fahrer angemeldet“, sagte ADAC-Ehrenmitglied Wegener.
Übrigens: Die im April 2010 gestartete Grundsanierung der Avus soll bis 2013 dauern. Der 2. Bauabschnitt hat begonnen, am 16. Januar soll die sanierte Anschlussstelle Hüttenweg in Fahrtrichtung Norden wieder freigegeben werden.
Fahrtraining für Senioren
Gefragt: Immer mehr ältere Autofahrer lassen in Berlin und Brandenburg ihre Fahrtüchtigkeit testen. Im Vergleich zu 2010 haben sich 2011 die Teilnehmerzahlen beim „FahrFitnessCheck“ des ADAC Berlin-Brandenburg verdreifacht, 180 Senioren nahmen teil.
FahrFitnessCheck: Der Check besteht aus einem Vorgespräch und einer 45-minütigen Testfahrt im eigenen Pkw in Begleitung eines Fahrlehrers. Die Teilnehmer lassen dabei ihr Urteils- und Reaktionsvermögen, die Übersicht und ihr Wissen über geltende Verkehrsregeln checken. Anschließend gibt es eine individuelle Beratung. Es erfolgt ausdrücklich keine Meldung an Behörden.
Der bisher älteste Teilnehmer war 92 Jahre alt, teilt der ADAC mit.
Infos: 030/8686475 und im Netz: www.adac.de/bbr