Morgenpost Online: Zehn Jahre haben Sie Klaus Wowereit und die SPD aus der Opposition heraus bekämpft. Nun gehen Sie in eine Koalition mit ihm. Was schätzen Sie nun an Klaus Wowereit?
Frank Henkel: Wir haben uns in den zehn Jahren beide nichts geschenkt. Das gehört mit zur politischen Auseinandersetzung. Wir sind allerdings immer respektvoll miteinander umgegangen. Ich schätze an ihm, dass er ein sehr authentischer Typ ist, und wie ich in den Koalitionsgesprächen erfahren durfte, ist er in politischen Themenfeldern, die ihn besonders interessieren, sehr faktensicher.
Morgenpost Online: Sie hatten in der letzten Runde der Koalitionsverhandlungen Geburtstag. Was hat er Ihnen denn gewünscht?
Frank Henkel: Er hat mir alles Gute sowie Gesundheit gewünscht, und uns beiden hat er eine gute Zusammenarbeit gewünscht.
Morgenpost Online: Was ist der größte Erfolg für die CDU in den Koalitionsverhandlungen?
Frank Henkel: Die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes.
Morgenpost Online: Was war die bitterste Pille, die die CDU schlucken musste?
Frank Henkel: Dass wir die laufende Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Optionsrechts, also der Beginn einer doppelten Staatsbürgerschaft, fortführen. Der Religionsunterricht war ein wichtiger Punkt im Wahlkampf. Jetzt bleibt er in den Oberschulen freiwillig und wird nicht zu einem Wahlpflichtfach Religion/Ethik.
Morgenpost Online: Haben Sie Religion zu früh aufgegeben? Hätten Sie es nicht in die Schlussrunde mitnehmen können?
Frank Henkel: Monika Grütters hat sich als Arbeitsgruppenleiterin unsererseits sehr intensiv für den Religionsunterricht eingesetzt. Wir haben uns jedoch nicht durchsetzen können. Das hat nichts damit zu tun, dass wir zu früh aufgegeben haben. Wir sind nach leidenschaftlichem Einsatz an einen Punkt gekommen, wo nichts mehr ging.
Morgenpost Online: Wie bewerten Sie denn die Entscheidungen gerade im Bereich der Bildung, wo es doch viel Kontinuität gibt?
Frank Henkel: Wir haben im Wahlkampf Bildung zum Schwerpunkt gemacht. Mit dem jetzt Erreichten können wir zufrieden sein. Diese Koalition wird ihre Anstrengungen verstärken, um Unterrichtsausfall zu bekämpfen. Wir wollen auch gegen den Lehrermangel vorgehen. Die Eigenständigkeit der Schulen wird weiter ausgebaut. Wir bekennen uns in der Koalitionsvereinbarung zu dem zweigliedrigen Schulsystem, also zu den integrierten Sekundarschulen und zu den Gymnasien, die jetzt auch gestärkt werden. Das jahrgangsübergreifende Lernen wird freiwillig werden. Die Schulen können sich also entscheiden, ob sie JüL wollen oder nicht. Auch die Frage von Deutschkenntnissen ist in unserem Sinne geregelt. Wir haben uns darauf verständigt, dass Kinder, die nur über lückenhafte Deutschkenntnisse verfügen, in kleinen Gruppen gefördert werden sollen. Was wir also im Wahlkampf versprochen haben – auch unter der Überschrift Schulfrieden muss einkehren –, haben wir gehalten.
Morgenpost Online: Hätte die Union dann nicht das Bildungsressort auch übernehmen sollen? Denn jetzt verantwortet es die SPD.
Frank Henkel: Es ist nun mal so, dass man in Koalitionsverhandlungen geben und nehmen muss. Die Frage der Ressortzuschnitte war eine Frage, die bis zum Schluss zu langen intensiven Diskussionen geführt hat.
Morgenpost Online: Aus dem Bereich Wissenschaft ist die Forschung herausgenommen worden. Nun gibt es große Irritationen. Die CDU sagt, die Charité gehört zur Forschung. Die SPD sagt, sie sei mit dem Wissenschaftsressort für die Charité zuständig. Wer bekommt sie nun?
Frank Henkel: Für mich entscheidend ist, dass wir mit dem Ressort, das wir gezogen haben, ein Zukunftsressort haben. Mit Wirtschaft, Technologie und Forschung. Die Frage der Charité ist ohnehin eine Frage, die mehrere Ressorts betrifft. Die Ressorts Wissenschaft, Forschung, Gesundheit und Finanzen, wahrscheinlich auch Wirtschaft. Insofern kann ich die Irritationen an dieser Stelle nicht nachvollziehen.
Morgenpost Online: Sie haben Wirtschaft/Technologie/Forschung als Zukunftsressort beschrieben. Welche Zukunft wollen Sie denn in diesem Ressort gestalten?
Frank Henkel: Ich habe im Wahlkampf deutlich gemacht, dass die Ideen der Zukunft nicht nur gedacht, sondern auch produziert werden soll. Ich finde, dass wir in dem Koalitionsvertrag – das zeichnet die Koalition aus – auf eine moderne, urbane Wirtschaft setzen: Auf moderne Technologien, auf umweltfreundliche Technik und insbesondere Elektromobilität. Da sind wir im Wahlkampf mit eigenen Papieren in die Öffentlichkeit gegangen. Wir haben eine gute Chance, Berlin zu einem europäischen Silicon Valley zu machen. Adlershof boomt. Und neue Institute, wie das Google-Institut, zeigen, dass wir gut aufgestellt sind. Wir setzen aber auch auf weitere große Maßnahmen, wie die Nachnutzung von Tegel. Dort sollen technisch ausgerichtete Hochschulen angesiedelt werden, wie Teile der Beuth-Hochschule oder der Technischen Universität. Das hat etwas mit Zukunftsgestaltung zu tun und mit der Frage, wie man Arbeitsplätze für die Stadt schafft. Zudem gibt es kleinere Impulse, die aber nicht unwichtig sind. In der Koalitionsvereinbarung steht eben auch, dass wir Handwerkerparkausweise einführen und die Verwaltung wirtschaftsfreundlicher aufstellen wollen. Wir haben den festen Willen, Rahmenbedingungen für neue Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb ist es ein Zukunftsressort. Ich bin sicher, dass wir daraus etwas machen werden.
Morgenpost Online: Wird eine Frau dieses Ressort besetzen? Sie brauchen ja noch eine Frau in Ihrer Senatsmannschaft.
Frank Henkel: Da müssen Sie sich noch etwas gedulden. Am 28. November werden wir Ihnen unsere Senatoren vorstellen.
Morgenpost Online: Es gilt ja als sicher, dass Sie der nächste Innensenator werden. Was wollen Sie dort verändern?
Frank Henkel: Wer neuer Innensenator wird, werden wir auch am 28. November auf unserem kleinen Landesparteitag sagen. Es ist richtig, dass die Union das Ressort Inneres und Sport gezogen hat. Auch hier haben wir gehalten, was wir versprochen haben. Wir haben uns immer für eine bessere Polizeipräsenz in der Stadt eingesetzt. Die Zahl der Polizeibeamten wird um 250 erhöht. Wir wollen, dass die Polizisten auf Straßen und Plätzen als Fußstreifen in festgelegten Kontaktbereichen als Ansprechpartner für die Bürger präsent sind. Wir wollen besonders in den Problembereichen der Stadt verstärkt eine mobile Polizeiberatung anbieten. Und diese Koalition wird sich für ein Verbot der NPD stark machen, was wir übrigens schon vor den aktuellen Ereignissen vereinbart hatten. Ich bin sehr für ein NPD-Verbot. Es muss aber rechtssicher sein. Auch das ist eine Botschaft des Koalitionsvertrags: Wir wollen entschieden den rechts- und linksextremistischen Tendenzen entgegentreten.
Morgenpost Online: Wie soll der zukünftige Innensenator mit dem Problem umgehen, dass der zukünftige Polizeipräsident von der CDU abgelehnt wurde?
Frank Henkel: Zunächst einmal gibt es noch ein laufendes juristisches Verfahren, dessen Ausgang wir abwarten müssen. Ich habe immer gesagt, dass ich das Auswahlverfahren für falsch gehalten habe. Wir sollten aber aufpassen, dass wir die politische Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken eines Bewerbers austragen. Sollte Herr Hansen Polizeipräsident werden, dann hat er eine faire Chance verdient, und die wird er auch bekommen.
Morgenpost Online: Haben Sie persönlich schon mit ihm gesprochen?
(schüttelt den Kopf)
Frank Henkel: Wenn Sie in den Senat wechseln, wer wird denn Ihr Nachfolger an der Spitze der Fraktion?
Morgenpost Online: Die Fraktion wird das entscheiden, wenn Nachfolgeregelungen notwendig werden sollten.
Frank Henkel: Wen würden Sie sich denn wünschen?
Morgenpost Online: Ich habe in der Politik gelernt, dass es keine Wünsche gibt, sondern immer Realitäten.
Frank Henkel: In einem Jahr – wo steht da Berlin?
Morgenpost Online: In einem Jahr soll deutlich werden, was ich als Leitsatz dieses Regierungsbündnisses formulieren würde: Diese Koalition tut Berlin gut. In der Schule. In der Wirtschaft. Im Bereich der Sicherheit.