Ganz nach mittelalterlicher Tradition ist nun eine Schloss-Bauhütte in Spandau eröffnet worden, die Fassadenelemente nach historischem Vorbild fertigt. Besucher können ab Oktober die Werkstatt besichtigen – Spenden sind erwünscht.

„Auch der härteste Stein geht irgendwann zu Bruch“, sagt Carlo Wloch und setzt den Meißel deshalb besonders behutsam an. Unter den Händen des Steinbildhauermeisters nimmt das tonnenschwere kurfürstliche Wappen, das einmal die Fassade des Berliner Schlosses verzieren soll, langsam Gestalt an. Bis jede Verzierung des Wappenschildes an der richtigen Stelle sitzt, ist enormes Fingerspitzengefühl gefragt, schließlich darf nichts abbrechen, sonst wäre die Arbeit vieler Wochen ruiniert.

Der 63-jährige Wloch und ein gutes Dutzend weiterer Steinmetze, Steinbildhauer, Modellbauer und Architekten haben auf dem Gelände der ehemaligen britischen Kaserne Alexander-Barracks am Askanierring in Spandau eine eigene "Schlossbauhütte" bezogen. In der Werkstatt werden während der kommenden Jahre alle Bildhauerarbeiten für die barocken Fassadenteile des Humboldt-Forums in Mitte entstehen.

Bürger sind zum Spenden aufgerufen

Am Dienstag wurde die Schlossbauhütte, die ab Oktober auch besichtigt werden kann, offiziell eröffnet. „Die Schlossbauhütte macht die Arbeit am Wiederaufbau des Schlosses anschaulich. Das wird dabei helfen, für das Projekt zu werben“, sagte Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) anlässlich der Eröffnung und appellierte erneut an die Spendenbereitschaft der Bürger. Denn von dieser hängt es nach wie vor ab, dass nicht nur die Fassade - für die allein 80 Millionen Euro benötigt werden - sondern auch die Kuppel gebaut werden kann. Für den Bau der historischen Kuppel über dem prächtigen Eosanderportal sind noch einmal 15 Millionen erforderlich.

„Wir haben die Kuppel in unseren Planungen fest eingeplant, so dass sie notfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt werden kann“, versicherte Franco Stella bei einem Rundgang durch die Schlossbauhütte. Der italienische Architekt hatte 2008 den Schloss-Wettbewerb gewonnen und arbeitet derzeit an den Detailplanungen für das Bauwerk, an dem drei Fassaden nach historischem Vorbild entstehen sollen. Nur die vierte, nach Osten gerichtete, ist modern gestaltet.

Auf die Bildhauer und Modellbauer wartet indessen noch eine ganze Menge Arbeit. Rund 3000 einzelne Schmuckelemente müssen nach etwa 300 verschiedenen Modellen hergestellt werden. Dazu gehören große Einzelstücke wie die Figuren an den Portalen oder die Säulenkapitelle, zahlreiche Adler, die die Fensterdächer schmücken werden, aber auch viele kleinere Schmuckelemente in Form von Widderköpfen, Blumenformen oder Blättergirlanden.

Während die Arbeit der Modellbauer schon relativ weit fortgeschritten ist - immerhin 40 Prozent der Fassadenmodelle sind bereits vorhanden – brauchen die Steinmetze und Steinbildhauer, die nach diesen Modellen das Schlosszierrat liefern sollen, noch dringend Unterstützung. „Es gibt genügend Künstler und Handwerker, die diese Kunst beherrschen“, so Manfred Rettig. Doch die Kostenfreigabe durch den Haushaltsausschuss des Bundestages sei erst vor zehn Wochen erfolgt, deshalb habe man auch erst ab diesem Zeitpunkt mit der Beauftragung der Firmen beginnen können. Bislang seien bereits vier Firmen in der Schlossbauhütte beschäftigt, zwei weitere würden aus ihren eigenen Werkstätten zuliefern. Im Oktober sollen sechs weitere Aufträge erteilt werden.

In der Schlossbauhütte werden aber nicht nur neue Schmuckelemente hergestellt, dort werden auch die mehreren hundert geborgenen Originalteile der 1950 gesprengten Hohenzollernresidenz gesammelt, begutachtet und gegebenenfalls in die Fassade integriert. So stehen in einem Extra-Raum vier überlebensgroße Figuren, die der Abrissbirne entgangen sind, weil sie bereits 1812 vom Dachgesims heruntergehoben wurden.

Mittelalterliche Tradition

„Der saure Regen hatte die Figuren schon damals so stark beschädigt, dass sie aufgearbeitet werden sollten“, so Bernd Lindemann, der als Direktor der Gemäldegalerie Mitglied in der Expertenkommission ist, die jedes einzelne Fundstück überprüft und entscheidet, ob es wieder eingebaut werden kann oder aufgrund seines angegriffenen Zustandes lieber später im Lapidarium des Humboldt-Forums ausgestellt werden sollte.

Die Idee, für das Humboldt-Forum eine Schlossbauhütte einzurichten, steht in der Tradition mittelalterlicher Dombauhütten. In diesen waren, geleitet vom Baumeister, Handwerker und Künstler versammelt, die gemeinsam am Bau der Kathedrale arbeiteten. Bei den historischen Vorbildern stand die Bauhütte praktischerweise in unmittelbarer Nähe des Bauwerkes. „Das war am Schloßplatz in Mitte leider nicht möglich“, so

Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung "Berliner Schloss - Humboldt Forum". Die Steinmetzarbeiten seien enorm laut und mit Feinstaubentwicklung verbunden. „Das ist in unmittelbarer Nachbarschaft zur Museumsinsel einfach nicht genehmigungsfähig“, so Rettig.

Dass die Wahl auf die Alexander-Barracks im mehr als 20 Kilometer vom Schlossplatz entfernten Spandau fiel, lag vor allem daran, dass diese sich im Bundesbesitz befinden und seit dem Abzug der Briten aus Berlin 1994 in Teilbereichen leer standen. Eine große Wartungshalle für Lastwagen, die die Briten noch in den 1980er-Jahren errichteten, wurde als besonders geeignet ausgewählt. „Die Halle ist groß genug, um mit Lkw rein fahren zu können“, so Rettig weiter. „Zudem gibt es genügend Abstand zu den Nachbarn.“

Damit die Arbeit der Handwerker und Künstler trotzdem begutachtet werden kann, hat der Geschäftsführer des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, einen Shuttle-Service von der Humboldt-Box auf dem Schlossplatz bis zur Werkhalle in Spandau ins Leben gerufen. Gegen die Vorlage eines Spendenausweises, einer Spendernadel oder auch einer gerade erst in der Humboldt-Box erworbenen Spenden-Quittung können sich angemeldete Kleingruppen in die Schlossbauhütte fahren und dort herum führen lassen.