Der Kompromiss zwischen der Berliner SPD und den Grünen zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Südosten der Stadt sieht zumindest vorläufig einen Verzicht auf den Weiterbau der Stadtautobahn A100 vor. Nach Informationen von Morgenpost Online haben die Grünen einem Ausbau der Stadtautobahn in den Sondierungsverhandlungen am Freitag nicht zugestimmt. In der Formulierung des Kompromisses, der am Montag im SPD-Landesvorstand und auch in der Grünen-Parteispitze beraten wird, wird deshalb ein Baubeginn für die A100 nicht mehr genannt.
SPD und Grüne haben sich demnach auf eine „grundsätzliche Aussage“ zur weiteren Entwicklung der Stadt und der Verkehrsinfrastruktur verständigt, was aber von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht wird. Und daraus werde deutlich, dass die A100 in den nächsten Jahren nicht gebaut werde, hieß es am Sonnabend in Kreisen von SPD und Grünen. Beide Seiten hätten in der Sondierungsrunde nachgeben müssen, um den Weg für rot-grüne Koalitionsverhandlungen frei zu machen. Vor allem für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der sich bislang stets für die Stadtautobahn A100 als wichtiges Infrastrukturprojekt ausgesprochen hatte, würde dies de facto eine Niederlage bedeuten. Für ihn geht es jetzt in erster Linie darum, sein Gesicht zu wahren.
Das Bundesverkehrsministerium hat die A100 derzeit nicht auf der Prioritätenliste, im Jahr 2012 sind keine finanziellen Mittel für das Projekt eingeplant. Da 2013 die Bundestagwahl stattfindet, rechnet man in Berlin nicht damit, dass der Bund, der die Autobahn bezahlen muss, dann die Finanzmittel freigeben wird.
Um den Kompromiss am Montag in Ruhe beraten zu können, haben die Berliner SPD und die Grünen Vertraulichkeit vereinbart. „Es gäbe eine Voraussetzung für Rot-Grün“, so Wowereit am Freitagabend. Allerdings hielt er sich auch eine Koalition mit der CDU offen, die die A100 ausbauen will. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann bezeichnete die Lösung bei der A100 als „Kompromiss“ und sprach von einem „guten gemeinsam Weg“, den man jetzt gehen könne.
Beraten wurde nach Informationen von Morgenpost Online auch über den Zustand anderer Autobahnabschnitte in Berlin sowie die neue Autobahn A113 zum künftigen Großflughafen BER in Schönefeld. SPD und Grüne sollen sich auf den Bau der sogenannten Tangentialverbindung Ost (TVO) verständigt haben. Diese Schnellstraße soll die östlichen Bezirke über eine Brücke über die Spree an die A113 zum Flughafen anbinden. Zudem wird geprüft, die Fahrbahnen bestehender Straßen zu verbreitern.
Während ihrer sechseinhalb Stunden währenden Sitzung haben sich die Delegationen von SPD und Grünen auch darüber verständigt, wie die Zukunft der Berliner S-Bahn gestaltet werden soll. Über das Thema sei man sich „weitgehend einig“ geworden, so Klaus Wowereit nach den Sondierungsgesprächen. Zuletzt hatten die Grünen darauf bestanden, einen Teil des Netzes auszuschreiben und damit auch private Unternehmen zu beteiligen. Die SPD favorisierte den Weg, die S-Bahn als Ganzes zu erhalten. So soll es nun auch gemacht werden. Aus SPD-Kreisen hieß es, man habe sich mit der Vorstellung durchgesetzt, die S-Bahn als Ganzes unter kommunale Kontrolle zu bringen.
Einig sei man sich auch darin, als Land für die S-Bahn die dringend erforderlichen neuen Züge selber zu erwerben. Berlin solle die Züge kaufen, um dadurch weniger erpressbar zu sein. Denn so könnte das Land Berlin Verkehrsverträge mit kürzerer Laufzeit abschließen und unabhängiger bleiben. Auch über den eventuell nötigen weiteren Ausbau des neuen Flughafens BER hätten sich beide Seiten verständigt, hieß es. Die Grünen seien nicht dagegen.
Bis Montag soll das Papier, worauf die Verhandlungspartner während des Gesprächs ihre Einigung fixierten, Verschlusssache bleiben. „Sogar für unsere Parteifreunde“, hieß es aus Verhandlungskreisen der SPD. Nicht nur die linken Sozialdemokraten, sondern auch die Pragmatiker hielten sich bisher an die Vereinbarung. Vertreter der Gruppierung Berliner Mitte, deren Sprecherin Iris Spranger Mitglied der Sondierungskommission war, kennen nach eigenen Angaben noch keine Einzelheiten des Kompromisses. Die meisten Sozialdemokraten machen aber keinen Hehl daraus, dass sie eine rot-grüne Koalition wollen und ihre Wunschkoalition nicht durch Bruch der vereinbarten Vertraulichkeit gefährden wollen. Bei den Grünen wiederum gilt die Verschwiegenheitsverpflichtung auch als ein Test dafür, wie verlässlich sie als möglicher Koalitionspartner sind. Brechen sie die Vereinbarung, lieferten sie Wowereit ein wichtiges Argument, eine Koalition mit der CDU einzugehen.
Wenn der SPD-Landesvorstand am Montag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen votiert, wird die Grünen-Parteispitze noch am Montagabend beraten. Am kommenden Freitag findet dann ein Grünen-Parteitag statt, der die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschließen müsste. Schon am späten Freitagabend hatte die SPD-Linke über die Koalitionsoptionen debattiert. „Es ist ausschließlich um die Grünen gegangen“, sagten Teilnehmer des Treffens der SPD-Linken. Man sei übereingekommen, dass es keine Knackpunkte für Rot-Grün gebe. Über eine mögliche Koalition mit der Berliner CDU habe die Runde überhaupt nicht reden wollen. An dem Treffen nahmen auch die beiden Vertreter der Parteilinken in der SPD-Sondierungskommission, Dilek Kolat und Mark Rackles, teil.