Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind in Berlin und Brandenburg noch fast 7000 Lehrstellen unbesetzt. Kammern, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften starten angesichts des Azubi-Mangels jetzt einen gemeinsamen Aufruf: „Bitte melden!“

Unternehmen in der Hauptstadt und dem Umland plagen heftige Nachwuchssorgen. Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres (1.September) waren in Berlin und Brandenburg noch fast 7000 Lehrstellen unbesetzt. „Eine solch angespannte Situation hatten wir auf dem Lehrstellenmarkt bislang noch nicht“, sagt Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer Bildung der IHK Berlin, Morgenpost Online. Kammern, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften starten angesichts des Azubi-Mangels jetzt einen gemeinsamen Aufruf, damit wenigstens ein Teil der Lehrstellen besetzt werden kann. „Bitte melden! Betriebe in Berlin und Brandenburg suchen noch zahlreiche Auszubildende“, heißt es darin. Jugendliche sollten sich „umgehend bei den Betrieben bewerben“.

Dieser Appell zeigt, in welch kurzer Zeit sich der Ausbildungsmarkt in der Region gedreht hat. Noch vor wenigen Jahren ging es in Diskussionen zwischen Politik, Verbänden und Gewerkschaften stets darum, dass zu wenige Lehrstellen für Schulabgänger bereitstünden. Doch diese Zeit neigt sich nun dem Ende. Jetzt werden händeringend Bewerber für Stellen gesucht. Das gilt umso mehr in diesem Jahr.

Offiziell gab es in Berlin und Brandenburg zum Start des Ausbildungsjahres 6922 offene Lehrstellen. Für diese Stellen wies die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) 9111 junge potenzielle Bewerber in beiden Bundesländern aus. Offiziell ist das immer noch ein „Überschuss“ von mehr als 2000 Suchenden. Nach Erfahrung der Wirtschaftsverbände geht diese Rechnung so jedoch nicht auf.

Im Land Brandenburg ist die Lage auch nach den offiziellen Zahlen der Statistik eindeutig. 3521 unbesetzten Stellen in den Betrieben der Mark standen nur 3435 potenzielle Bewerber gegenüber. Die Unternehmen der Kammern in Potsdam, Cottbus und Frankfurt(Oder) leiden schon seit Längerem unter dramatisch sinkenden Schülerzahlen. Im Jahr 2003 verließen noch 35.000 Jugendliche die Schule. Aktuell sind es rund 19000.

In Berlin schrumpfte die Zahl innerhalb von zehn Jahren von rund 37.000 auf 30.000. Zwar ist die Situation nach offizieller Lesart nicht so dramatisch wie im Nachbarland. Ende August suchten laut Statistik noch 5676 junge Menschen nach einer Ausbildungsstelle, von denen es gleichzeitig 3401 gab. Doch wer bei der Bundesagentur für Arbeit offiziell als unversorgter Lehrstellenbewerber registriert ist, muss nicht wirklich auf der Suche sein. „Jedes Jahr werden die Unversorgten von der BA aufgefordert, zu Nachvermittlungsaktionen zu erscheinen“, sagt von Knobelsdorff. Die Erfahrung zeige jedoch, dass bestenfalls ein Drittel der Angeschriebenen wirklich käme. „Legt man diese Zahl zugrunde, können wir in Berlin nicht von einem Lehrstellenmangel sprechen“, so Knobelsdorff.

Er befürchtet, dass in diesem Jahr zahlreiche Stellen unbesetzt bleiben werden. Im kommenden Jahr hoffen die Unternehmen auf ein wenig Entlastung bei der Nachwuchssuche. Dann wird der doppelte Abiturjahrgang in der Hauptstadt die Schulen verlassen. Es wird dann mehr potenzielle Bewerber für die Betriebe in Handel, Industrie und Dienstleistung geben. Deshalb hatten Wirtschaft und Verwaltung vergangene Woche in Berlin vereinbart, 1100 zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen.