Personalmangel

In Berliner Finanzämtern fehlen Hunderte Stellen

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Christina Brüning

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In Berlins Steuerbehörden fehlen 712 Stellen. Vor allem in Neukölln, Mitte und beim Amt für Körperschaften. Die CDU bezeichnet die Lage der Ämter als "dramatisch".

In den Berliner Finanzämtern fehlen mehr als 700 Stellen Personal. Wie die aktuelle Berechnung des Personalbedarfs von der Finanzverwaltung ergibt, bräuchten die Behörden zur Bewältigung der anfallenden Arbeit 6719 Stellen, im laufenden Haushalt vorgesehen sind jedoch verteilt auf alle Ämter nur 6008 Stellen.

Die Ausstattungsquote hat sich im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht verbessert – von 86 auf jetzt gut 89 Prozent. Bei der Gewerkschaft Ver.di sorgen die neuen Zahlen aber dennoch für Kritik. Die Zahl der fehlenden Stellen entspreche der Größe der Finanzämter von Prenzlauer Berg, Wilmersdorf und Zehlendorf zusammen, sagte Klaus Wilzer, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Finanzämter. Durch diese „Mangelverwaltung“ würden Berlin Steuereinnahmen entgehen, außerdem sei die gesetzlich festgeschriebene gleichmäßige Besteuerung nicht mehr gewährleistet. Die Verbesserung der Quote im Vergleich zum letzten Jahr gehe hauptsächlich auf die Arbeitszeitverlängerung der Beschäftigten zurück, sagte Wilzer. Durch die längeren Arbeitszeiten würden allein rund 130 Stellen ersetzt.

Wilzer forderte, der Senat solle die bundesweit einheitliche Berechung des Personalbedarfs ernst nehmen und umsetzen. Der bemessene Zeitaufwand für anfallende Aufgaben sei bereits so knapp kalkuliert, dass jede einzelne Stelle auch wirklich benötigt werde. „Die Unterausstattung geht auf Kosten der Qualität“, sagte Wilzer und kritisierte, die Personalnot sei eine „Bankrotterklärung der Senatsfinanzverwaltung“.

Auffällig an der neuen Berechnung, die zum Stichtag 1. Januar 2011 angestellt wurde, ist auch die sehr unterschiedliche personelle Ausstattung einzelner Ämter. So können sich etwa die Finanzämter in Spandau, Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof darüber freuen, ihren Personalbedarf fast vollständig auch mit Stellen gedeckt zu haben. Stark unterversorgt sind dagegen Neukölln mit nur 83 Prozent Personalausstattung, Mitte/Tiergarten mit 86 Prozent sowie die Finanzämter für Körperschaften, wo zum Teil nur 78 Prozent der erforderlichen Stellen existieren. Bei den Ämtern für Körperschaften mache sich besonders bemerkbar, dass die Fallzahlen und damit die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter gestiegen seien, sagte der Gewerkschafter. „Wir verzeichnen allein 1100 mehr Großbetriebe, die betreut werden müssen.“ Als Großbetrieb gilt ein Unternehmen mit mindestens vier Millionen Euro Umsatz oder 260.000 Euro Gewinn.

Laut Ver.di geht der Personalmangel in den Finanzbehörden zu Lasten der Arbeitnehmer, denen die Lohnsteuer direkt abgezogen werde. „Sie werden gegenüber Beziehern von Einkünften aus Unternehmertätigkeit und Vermögen, die mehr steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten haben, benachteiligt“, hieß es, denn deren Angaben würden nur noch stichprobenartig überprüft. Beim sogenannten „Risikomanagement“ müssten die Mitarbeiter nur noch diejenigen Angaben prüfen, die ein Computerprogramm ihnen auswähle, so Wilzer. Das führe zu Frustration.

Inwieweit der Senat bei der Stellenplanung für die Finanzämter nachsteuern wird, könnten die Beratungen zum nächsten Haushalt am Dienstag zeigen. Die Senatsfinanzverwaltung wollte die Personalplanung am Montag unter Verweis auf die erst noch anstehenden Beratungen nicht kommentieren. Die Quote von nunmehr fast 90 Prozent entspricht aber der politischen Zielvorgabe, die Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) im Jahre 2006 ausgerufen hatte.

Bei der Opposition sorgte der politische Dauerbrenner Personalplanung für Kritik. CDU-Finanzexperte Florian Graf bezeichnete die Lage der Finanzämter als „dramatisch“ und „politisch gewollt“. Berlin entgingen so jährlich Steuergelder in dreifacher Millionenhöhe.

CDU, Grüne und FDP werfen Nußbaum vor, die Ämter nicht effizient zu organisieren. „Die Verteilung der Stellen ist seit Jahren ein Problem“, sagte Oliver Schruoffeneger (Grüne). „Da findet keinerlei Schwerpunktsetzung statt.“ Einige Bereiche, wie etwa die Abteilung für Hunde- und Vergnügungssteuer, seien gut ausgestattet, die Außenprüfung aber in der Regel schlecht. Für FDP-Landeschef Christoph Meyer zeigt sich darin die „ungesteuerte Personalentwicklung unter Rot-Rot“. Das Personal müsse dort eingesetzt werden, wo es um die größten Steuervolumina gehe. Außerdem kümmere sich der Senat nicht ausreichend um genügend Nachwuchskräfte in den Ämtern.