Nach dem Brandanschlag auf die Berliner S-Bahn ist in der Politik das Sicherheitskonzept der Deutschen Bahn und ihrer Tochter, der Berliner S-Bahn, infrage gestellt worden. Der Anschlag sende ein Signal der Unsicherheit aus, sagte CDU-Chef Frank Henkel. Das sei „verheerend“ für die Berliner wie auch für die Gäste der Stadt. Der Innenexperte der SPD, Thomas Kleineidam, kritisierte die Bahn scharf. „Es wird kräftig gespart und dabei nicht geprüft, was passiert, wenn etwas ausfällt“, sagte er. „Was würde passieren, wenn Signale plötzlich für fahrende Züge ausfielen?“ Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, zweifelte an den Sicherheitsvorkehrungen des Konzerns. „Es stellt sich die Frage, wie mit einem Schlag so ein Ausfall möglich ist“, sagt er. „Wir sind zu angreifbar.“
Wie berichtet hatten bislang unbekannte Täter in der Nacht zu Montag eine Achillesferse der Bahn getroffen, als sie eine Kabelbrücke am Markgrafendamm in Brand steckten. Damit auf der Baustelle am Ostkreuz keine Leitungen im Weg liegen, verlaufen Strom- und Signalkabel der Deutschen Bahn dort ebenso oberirdisch wie Glasfaserkabel für Internet und Telefon. Durch den Brand wurden die Kabel zerstört. Die Folge waren am Montag ein Chaos im Bahnverkehr und stundenlange Ausfälle bei mehreren Internet- und Telefonanbietern. Mehrere zehntausend Menschen waren davon betroffen.
Bereits am Montag hatte sich eine Gruppe namens „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ im Internet zu dem Anschlag bekannt und als Begründung an Sammelsurium von Vorwürfen gegen die Deutsche Bahn und den Staat erhoben – von Atommüll- über Rüstungstransporte bis zu Asylgesetzgebung und Profitgier. Der Staatsschutz ermittelt. Konkrete Erkenntnisse zu den Tätern gibt es nach Polizeiangaben aber noch nicht.
"Feige und dumm“
Dafür hat sich eine scharfe politische Debatte um den politischen Hintergrund der Täter entsponnen. CDU-Chef Henkel nannte den Anschlag eine „Kampfansage der militanten Linken an ganz Berlin“. Die FDP warf den Grünen vor, mit „fadenscheiniger Kritik an der Sicherheitsstruktur der Bahn von dem eigentlichen linksextremistischen Anschlag“ abzulenken. Die politischen Gründe, welche die Täter in ihrem Bekennerschreiben angeben, nannten SPD und Linke dagegen „vorgeschoben“. Der Brandanschlag sei „feige und dumm“, erklärten Marion Seelig und Jutta Matuschek von der Linkspartei. „Mit Gewalt erreicht man keine politischen Ziele, sondern diskreditiert sie.“ Wegen der „wirren“ Begründungen der Täter vermutet SPD-Innenexperte Kleineidam, dass der behauptete politische Hintergrund ein „Alibi sei, um Gewaltphantasien auszuleben“.
Ob es sich bei den Drahtziehern um Einzeltäter, eine Splittergruppe oder Organisation handelt, kann der Berliner Verfassungsschutz bislang noch nicht sagen, so Behördensprecherin Isabelle Kalbitzer. Das Bekennerschreiben mit seinen vielen kruden Beweggründen sei aber typisch für die linke Szene. In Berlin zählte der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 2260 Personen zu linksextremistischen Organisationen. Davon werden 1100 als gewaltbereit eingestuft. In Sicherheitskreisen wird vermutet, dass die Täter sich über das wahre Ausmaß der Tat keineswegs im Klaren waren. „Dass damit auch weite Teile der Telekommunikation lahmgelegt werden, wussten die wahrscheinlich gar nicht“, so ein Insider. In erster Linie habe man die Deutsche Bahn treffen wollen.
Vor allem traf der Anschlag aber deren Fahrgäste. Entsprechend waren die Reaktionen am Dienstag. „Wir waren überhaupt nicht auf die Situation hier vorbereitet. Durch die ganze Umsteigerei zwischen Hauptbahnhof und Ostkreuz hatten wir bestimmt eine halbe Stunde Verspätung“, sagte Tom Krüger, als er sich zum Flughafen Schönefeld durchgekämpft hatte. Veronika Matz wartete unterdessen am Ostkreuz auf ihren verspäteten Zug. „Natürlich bin ich sauer auf die Brandstifter“, sagte die Rentnerin. „Jetzt dauert es wieder Tage, bis der Schaden behoben ist.“
Wegen der Reparaturarbeiten an den verkohlten Kabelsträngen kam es auch am Dienstag noch zu erheblichen Einschränkungen im Bahnverkehr. Betroffen waren vor allem Fahrgäste im Ostteil der Stadt und Pendler aus dem Umland. Zwischen den Bahnhöfen Warschauer Straße und Lichtenberg (Linien S5, S7 und S75) sowie zwischen Rummelsburg und Ostkreuz und weiter bis Warschauer Straße (S3) konnten nur Pendelzüge fahren, weil die Signale noch immer nicht funktionierten. Einschränkungen gab es auch in Richtung Flughafen Schönefeld und auf der Ringbahn. Betroffen war auch am Dienstag noch der Regional- und Fernverkehr. Zahlreiche Züge mussten umgeleitet werden und konnten deshalb nicht am Ostbahnhof halten.
„Es sind mindestens 50 Mitarbeiter Tag und Nacht mit den Reparaturarbeiten beschäftigt“, sagte ein Bahnsprecher. Durch den Brandanschlag am Ostkreuz sei die Signal- und Sicherungstechnik dreier Stellwerke beschädigt worden. Eine genaue Prognose zum Ende der Reparaturarbeiten wollte der Sprecher nicht geben. Auch am heutigen Mittwoch und in den kommenden Tagen müssen Fahrgäste noch mit Beeinträchtigungen rechnen.