Es klingt wie ein Schildbürgerstreich. An zurzeit vier Hauptverkehrsstraßen hat die Senatsumweltverwaltung die Zahl der Fahrspuren verringert, um so den Verkehrslärm zu senken. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie das Beispiel Dudenstraße zeigt. In der Straße, die eine Ost-West-Hauptverkehrsachse zwischen Neukölln und Schöneberg ist, wurde die Zahl der Fahrspuren im vergangenen Jahr von vier auf zwei reduziert. Seither kommt es dort in den Hauptverkehrszeiten zu erheblichen Staus. Anwohner klagen seit der Straßenverschmälerung über deutlich mehr Verkehrslärm und Autoabgase als vor dem Umbau.
Vor allem in den Abend- und Morgenstunden wird die Dudenstraße für viele Autofahrer zu einem Nadelöhr. Im Stop-and-go-Verkehr bewegen sich dann die Fahrzeuge vom Platz der Luftbrücke über die Kolonnenstraße bis zur Hauptstraße nach Schöneberg beziehungsweise in die entgegengesetzte Richtung.
Der Verkehr, sagt Horst Gaudlitz, der in der Dudenstraße wohnt, habe sich „zu einer Endlos-Blechschlange verdichtet“. Die Situation sei nicht tragbar. Eine Nachbarin sieht das ähnlich. Sie zog vor einigen Jahren in eine Wohnung mit Blick auf den Viktoriapark, „weil die Luft besser war als in anderen Gegenden Kreuzbergs“. Nun gebe es dort reichlich „Stau-Luft“, Balkon und Fenster seien oft total verdreckt. Selbst im Innenhof staue sich die schlechte Luft. Mit dem Lüften warte sie nun bis spät abends. Der zuständige Baustadtrat, dem sie all dies schrieb, habe ihr bis heute nicht geantwortet, und von der Senatsumweltverwaltung erhalte sie nur „surreale Korrespondenz“.
Kompletter Unsinn
Harsche Kritik kommt auch aus der Landespolitik. Der „unter Rot-Rot auf breiter Fläche forcierte Rückbau von Straßen“ führe zu mehr Lärm und Staub, sagt FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke. Aber der Senat lasse sich von solcherlei Argumenten nicht von seinem Tun abbringen. „Das ist rein ideologisch geprägt“, sagt von Lüdeke. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Oliver Friederici, argumentiert noch härter. „Was in der Dudenstraße geschieht, ist kompletter Unsinn. Selbst an den Enden staut sich der Verkehr. Man fragt sich, was das wieder gekostet hat, bringen tut es nichts.“
Offenkundig seien an der Dudenstraße auch Ampelschaltungen verändert worden, so dass dort nun sogar die Busse der 104er-Linie im Stau stünden. „Mit Verkehrsbündelung und -beschleunigung, wie vom Senat oft als Ziel postuliert, habe dies nichts zu tun“, resümiert Friederici. In Hamburg, so der CDU-Politiker, käme niemand auf „so eine Schnapsidee“, eine Hauptverkehrsstraße „mit einem künstlichen Flaschenhals“ zu versehen. Dass es dem Senat offenbar auch gar nicht um Lärmminderung gehe, zeige die Tatsache, dass er in der Dudenstraße auch keinen „Flüsterasphalt“ verlegt hat, sondern lediglich neue Fahrstreifen markieren ließ. „Dieses Projekt sollte verkehrspolitisch eine Duftmarke vermeintlichen Fortschritts setzen, sagt Friederici, was es jedoch zeigt, ist vor allem Rückschritt.“
Das Lärmminderungsprojek
Als Reaktion auf Beschwerden von Anwohnern will die Senatsumweltverwaltung im April/Mai betroffene Bürger telefonisch zu ihren Erfahrungen befragen. Die „umfangreichen Begleituntersuchungen“, so heißt es in einem Schreiben der Verwaltung an die Anwohner der Dudenstraße, dienten „zur Beurteilung, ob die Maßnahmen auch in anderen Straßen Berlins genutzt werden können.“ Neben der Dudenstraße gehören zu dem „Lärmminderungsprojekt“ auch die Brandenburgische Straße in Charlottenburg-Wilmersdorf sowie die Drontheimer Straße und die Prinzenallee in Wedding.
Der ADAC kennt die Probleme, die dort seit der Neumarkierung der Fahrstreifen aufgetreten sind. „Wenn die von der Verkehrsverwaltung zugesagten Zwischenüberprüfungen ergeben, dass es zu einer Mehrbelastung der Bürger kommt, muss der Feldversuch beendet und der alte Zustand wieder hergestellt werden“, sagt ADAC-Sprecher Jörg Becker. Bei der Überprüfung müsse auch untersucht werden, wie sich „die Angebotsverknappung“ an Fahrspuren auf Nachbarquartiere auswirke, ob Autofahrer auf Nebenstraßen auswichen. Der ADAC habe bereits 2009 angezweifelt, dass eine Halbierung der Fahrstreifen die Schadstoff- und Lärmbilanz verbessern könne. Deshalb habe man gefordert, dass der „Feldversuch“ notfalls abgebrochen werden müsse. Und er verlaufe nun mal „denkbar schlecht“.