Wenn ein Regierender Bürgermeister das Wahlprogramm seiner Partei vorstellt, dann ist auch interessant, was er nicht sagt. Klaus Wowereit sprach am Montag von „Schnittmengen“ mit anderen Parteien. Er nannte die Grünen und die Linkspartei. Kein Wort zur CDU. Offensichtlich wollte der Spitzenkandidat der SPD nicht den Argwohn nähren, er plane nach der Wahl am 18.September insgeheim auch ein rot-schwarzes Bündnis.
Wowereit ließ sich auch nur ein einziges Essential der SPD für mögliche Koalitionsverhandlungen entlocken. Ein Bekenntnis zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg International als mögliches Drehkreuz mit entsprechenden Flügen auch in den Randzeiten des Tages sei für die SPD nicht verhandelbar. „Hier kann es keine Abstriche geben“; sagte Wowereit. Alle weiteren Themen, so auch der von der SPD trotz deutlichen innerparteilichen Widerstands ins Wahlprogramm aufgenommene Weiterbau der Stadtautobahn A100, wollte Wowereit nicht in den Status einer nicht zur Debatte stehenden SPD-Grundüberzeugung erheben.
In ihrem 52-seitigen „Berlin-Programm“, das am 13. Mai ein Landesparteitag offiziell absegnen soll, konzentriert sich die SPD auf zwei große Schwerpunktthemen. Wirtschaft und Arbeit einerseits sowie „sozialer Zusammenhalt“ andererseits. Im Wettbewerb vor allem mit Grünen und Linken empfiehlt sich die SPD als Partei, die nicht nur Partikularinteressen der „Besserverdienenden“ oder der „sozial Schwachen“ vertritt, sondern an die ganze Stadt denke. „Die SPD bündelt alle Anliegen und schafft Ausgleich“, sagte Wowereit.
„Es ist kein Widerspruch, für Arbeitsplätze, Investitionen und Ansiedlungen zu kämpfen und gleichzeitig für sozialen Zusammenhalt zu sorgen“, sagte SPD-Landeschef Michael Müller.
So präsentiert sich die SPD auch als Partei, die den Tourismus weiter ausbauen will. „Berlin verträgt noch mehr Touristen“; sagte Wowereit. Die SPD sei „nicht auf dem Trip, wir wollen uns selbst genügen“, es gehe nicht darum, „morbide Ecken“ erhalten zu wollen. Wer anfange, Stadtteile zu „No-go-Areas“ für Touristen zu machen, der habe die Welt nicht verstanden. Berlin dürfe nicht nur Toleranz zeigen gegenüber fremden Menschen und anderen Lebensentwürfen, sondern müsse eine Stadt der Akzeptanz sein.
Tegel als Ort für Industrie
Ganz neue Projekte zur Förderung des Wirtschaftsstandortes hat die SPD jedoch nicht im Angebot, es geht den Sozialdemokraten eher um eine Haltung. Die SPD möchte die Partei sein, die willigen und leistungsbereiten Menschen auch den Aufstieg ermöglicht. So soll der Campus Buch weiter zur „Gesundheitsstadt“ ausgebaut werden, das Pharma-Unternehmen Bayer solle in Richtung des Gebiets an der Heidestraße wachsen, für Tempelhof soll der Neubau der Stadtbibliothek als „Wissens- und Medienzentrum“ wirtschaftliche Impulse setzen, Tegel soll nach der Aufgabe des Flugbetriebs ein Ort für neue Industrien werden. „Wir bieten auch die Orte an, wo Neues entstehen kann“, sagte Müller. Im Sozialteil ihres Programms versprecht die SPD, ihre Bemühungen in der Bildungspolitik zu „verstetigen“ und die Schul- und Sportstättensanierung sowie den Ausbau von Ganztagsschulen unvermindert weiterzuführen. Auch neue Studienplätze werden geschaffen. Wie viel diese Verbesserungen kosten werden, wollte Müller nicht beziffern.
In den Kitas sollen Kinder mit schlechten Deutsch-Kenntnissen statt bisher drei Stunden am Tag künftig fünf Stunden „im Rahmen eines verpflichtenden Kita-Besuchs“ zum Lernen gebracht werden.
Wowereit ist zuversichtlich
Um der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt in vielen Bezirken zu begegnen und die Mietsteigerung zu mildern, setzt die SPD auf die kommunalen Wohnungsgesellschaften. Diese sollen ihren Wohnungsbestand durch Ankauf oder Neubau von derzeit 270000 auf 300000 Wohnungen erhöhen. So sollen auf dem Tempelhofer Feld bevorzugt öffentliche Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften bauen können. Zudem will die SPD ein Verbot einführen, Wohnungen für andere Zwecke zweckzuentfremden. „Wir wollen bezahlbaren Wohnraum in der Mitte der Stadt“, sagte Müller.
Klaus Wowereit zeigte sich zuversichtlich, die in den Umfragen wieder führenden Grünen bei der Wahl überflügeln zu können und wieder einen „Regierungsauftrag“ zu erhalten.
Ein Schattenkabinett oder eine Persönlichkeit, die beispielsweise eigens für das Spitzenthema Wirtschaft steht, wollen die Sozialdemokraten nicht für den Wahlkampf aufstellen. Man habe eine „Senatsmannschaft, die erfolgreich arbeitet“, so der Regierende Bürgermeister. Das Team der SPD bestehe aus alle Sozialdemokraten in Berlin „und nicht nur aus drei Vorturner“.