Koalitionsverhandlungen

Wowereit kriegt seine Kunsthalle - aber kein Geld

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Gilbert Schomaker
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Berlin baut seine Bibliothek

SPD und CDU in Berlin haben sich auf einen Neubau für die Landes- und Zentralbibliothek auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof geeinigt.

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SPD und CDU in Berlin haben Kompromissfähigkeit in strittigen Punkten bewiesen. In der zweiten Runde ihrer Koalitionsverhandlungen einigten sich beide Parteien auf einen Neubau für die Landes- und Zentralbibliothek – und einen weiteren Terminal in Schönefeld.

Der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel gab sich generös. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz der möglichen Koalitionspartner von SPD und CDU sollte Klaus Wowereit seinen Erfolg selbst verkünden dürfen. „Das ist ein Lieblingsprojekt des Regierenden Bürgermeisters. Deswegen überlasse ich es auch ihm, die Nachricht mitzuteilen“, sagte Henkel. Und so war es an Klaus Wowereit zu verkünden, dass Berlin eine neue Zentral- und Landesbibliothek in Tempelhof bekommen wird, ein Projekt, für das er sich seit Jahren einsetzt. Und nicht nur das: Auch der Großflughafen, dessen Neubau Wowereit seit Jahren vorantreibt, soll noch größer werden dürfen.

„Wissen und Information sind ein öffentliches Gut“, sagte der SPD-Politiker. In den Koalitionsgesprächen sei man übereingekommen, einen Neubau auf dem Tempelhofer Feld zu realisieren. Zwar werde es noch einmal eine Prüfung der Baukosten geben. Ziel sei es, „ohne Bedarfskürzungen“ den Neubau günstiger als die bisher veranschlagten 270 Millionen Euro zu errichten. Aber noch in dieser Legislaturperiode werde mit dem Neubau begonnen, sagte Wowereit. Die bisherigen beiden Standorte der Zentralbibliothek, sowohl die Stadtbibliothek in der Breite Straße als auch die Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg, werden dann zugunsten des Neubaus in Tempelhof aufgegeben.

Neue Kunsthalle mit privatem Geld

Die Verhandlungsrunde der SPD- und CDU-Politiker kam auch überein, eine Kunsthalle für Gegenwartskunst bauen zu wollen – möglichst mit privatem Kapital. „Hier ist auch die Stadtgesellschaft gefordert“, sagte Henkel, dessen CDU sich für eine solche private und öffentliche Finanzierung einsetzt. Die SPD sieht diese Art der Finanzierung grundsätzlich eher kritisch. Aber wenn es Investoren gibt, dann will man ihre Konzepte prüfen. Ob es weiterhin beim bisher favorisierten Standort Humboldthafen bleiben wird, ist allerdings offen. „Das hängt dann auch von den privaten Investoren ab“, sagte der Regierende Bürgermeister.

Zudem beschlossen SPD und CDU, den Großflughafen in Schönefeld weiter ausbauen zu wollen. Geplant ist eine neues Terminal, „wenn das Fluggast-Aufkommen es notwendig macht“, so Wowereit. Gleichzeitig setzte sich die mögliche Koalition von SPD und CDU dafür ein, dass der Lärmschutz für die Anwohner so unbürokratisch wie möglich vorangetrieben werden soll. Auch eine neue rot-schwarze Regierung werde sich für eine Überprüfung der Flugrouten über dem Müggelsee und eine Verlagerung über die Gosener Wiesen einsetzen, so Wowereit. Allerdings gilt eine Verlagerung aufgrund von Sicherheitsbedenken der Flugsicherung als schwierig.

Auch das Feld der Justizpolitik haben die möglichen Koalitionäre schon abgearbeitet. So soll das Neuköllner Modell, das eine schnelle Verurteilung von straffällig gewordenen Jugendlichen und eine enge Zusammenarbeit von Schulen, Sozialbehörden und der Polizei vorsieht, weiter fortgesetzt werden. „Wir wollen eine schnelle Bekämpfung der Jugendkriminalität“, sagte Henkel. Infrage gestellt hatte aber bisher auch niemand das Projekt.

Ausreichend Personal für neue JVA

Die neue Justizvollzugsanstalt Heidering im brandenburgischen Großbeeren, in der 648 Haftplätze für Männer entstehen, soll „sachgerecht mit Personal“ ausgestattet werden. Auf eine genaue Zahl legte sich Rot-Schwarz nicht fest. Auf Nachfrage sagte Henkel, dass es sich dabei um ausreichendes Personal für die Resozialisierung der Straftäter handele.

In der Europapolitik einigten sich SPD und CDU darauf, die Klimaschutzpolitik der EU vorantreiben zu wollen. So will man sich beispielsweise dafür einsetzen, dass nicht mehr die Atomlobby bei der Stromerzeugung das Sagen hat, sondern eine neue Gemeinschaft für erneuerbare Energien geschaffen wird. Mit einmischen wolle sich Rot-Schwarz auch bei Entscheidungen, die Berlin beträfen, wie beim Bau eines Atomkraftwerks auf polnischem Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze.

Von Streit und inhaltlichen Auseinandersetzungen war am ersten Tag der Beschlüsse kaum die Rede. So passte es auch ins Bild, dass Sozial- und Christdemokraten übereinkamen, sich im Streitfalle bei Bundesratsentscheidungen enthalten zu wollen. Ein durchaus gängiges Verfahren in Koalitionen.

Selbst äußerlich ging die zur Schau gestellte Einigkeit der Koalitionäre in spe weiter: Waren Wowereit und Henkel bei der ersten Koalitionsrunde noch beide unter Hinweis des „bequemen Arbeitens“ im offenen Hemd erschienen, hatten sie am Montag eine Krawatte umgebunden – allerdings in unterschiedlichen Farben: in weiß-blau (Wowereit) und in lila (Henkel). „Wir haben beide heute eine Krawatte gewählt, obwohl uns schon angedroht worden war, wer als erster eine Krawatte umbindet, der verliert!“, verriet Wowereit. „Also hatten wir beide keine Angst zu verlieren – ohne Absprache.“