Für Easy-Jetter und Interrailer soll es im Szenekiez von Friedrichshain künftig keine weiteren Übernachtungsangebote mehr geben. Die Bezirksverordneten-Versammlung hat mit den Stimmen von Grünen, SPD und Linken beschlossen, dass die Ansiedlung weiterer Hostels im Bezirk verhindert werden soll. In den ebenfalls bei Rucksacktouristen beliebten Stadtvierteln von Mitte und Prenzlauer Berg wird der Vorstoß des Nachbarbezirks aufmerksam verfolgt.
Der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), hat den Vorschlag für die stärkere Reglementierung erarbeitet und will damit „auf die Beschwerdeflut von Anwohnern“ reagieren. Konflikte zwischen Nachbarn und Hostelnutzern ergäben sich vor allem durch Verkehrsprobleme, Lärmbelästigung und touristische Folgenutzungen wie Kneipenstraßen. „Wir freuen uns darüber, dass es viele Berlin-Touristen nach Friedrichshain zieht. Aber es braucht einen fairen Interessenausgleich mit der Wohnbevölkerung“, so Schulz.
Eine Reihe von Auflagen
Die Genehmigung für neue Hotel- und Hostelbetriebe soll deshalb künftig von einer Reihe von Auflagen abhängig gemacht werden. So soll die Genehmigung neuer Betriebe in Wohngebieten nur gewährt werden, wenn diese nicht mehr als 100 Betten anbieten. Gar keine Genehmigung gibt es, wenn es sich um eine ruhige Wohnstraße handelt, die Herberge nur über einen Wohnhof zu erreichen ist oder bereits andere Betriebe im Umfeld angesiedelt sind.
Zum Handeln veranlasst sieht sich Schulz, weil die Steigerung bei den Übernachtungen im Bezirk (2003: 884.000 / 2009: 2,37 Millionen) die höchste in ganz Berlin ist. Allein im Ortsteil Friedrichshain gibt es mittlerweile 47 Hotels und Hostels, 2005 waren es noch 30. Mehrere Anträge, so Schulz, lägen noch auf seinem Schreibtisch. Dazu kommt, dass sich bereits ansässige Betriebe vergrößern wollen, wie etwa das A & O-Hostel an der Boxhagener Straße. Das Haus auf einem alten Gewerbegelände schließt jetzt die Baulücke zur Straßenfront mit einem Neubau. Das wollte Schulz im Sommer verhindern, doch die A & O-Gruppe legte Widerspruch beim Senat ein. Mittlerweile hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt. So darf die Bettenzahl von 422 auf rund 530 steigen – aber nicht wie ursprünglich geplant auf 650. Die Hotelgruppe selbst reagiert überraschend positiv auf die neuen Regeln des Bürgermeisters. „Wir haben grundsätzlich Verständnis für das Anliegen des Bezirks“, sagt A & O-Sprecher Thorsten Lemke. „Ich rechne damit, dass der Boom weiterer Hostels und Hotels sowieso abebbt, weil der Markt einfach keine weiteren Gründungen mehr zulässt“, sagt Lemke. Insofern sei das Eingreifen der Politik in die Wirtschaft „eigentlich überflüssig“. Ähnlich sieht es auch die CDU im Bezirk, die ebenso wie die FDP gegen den Beschluss gestimmt hat. „Die Entscheidung ist doch völlig daneben“, so der CDU-Fraktionschef Götz Müller. „Die Touristen bringen wirtschaftliches Leben in das Armenhaus Deutschlands“, sagt Müller. Darauf dürfe nicht verzichtet werden.
Im Szenekiez von Prenzlauer Berg reagiert auch Bezirksstadtrat Michail Nelken (Linke) eher verhalten. „Preiswerte Unterkünfte für Jugendliche gehören in die Stadt, auch in Prenzlauer Berg.“ Der Kiez würde ohne sie seine Attraktivität verlieren. Und an den Hauptstraßen wie Schönhauser Allee, Prenzlauer und Greifswalder oder Danziger Straße sei gegen die Hostels, wenn die anderen Bedingungen stimmten, doch nichts einzuwenden.
153 Einrichtungen in Mitte
Mit Interesse beobachtet dagegen Ephraim Gothe, SPD-Baustadtrat in Mitte, den Vorstoß des Nachbarbezirks. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes stehen die meisten Hotels und Hostels in Charlottenburg-Wilmersdorf (202 Betriebe), gefolgt vom Mitte (August 2010: 153 Betriebe) und Friedrichshain-Kreuzberg (75). „Ich werde mir die Regelungsvorschläge und deren planungsrechtliche Durchsetzbarkeit anschauen“, sagt Gothe. Im Bezirk Mitte gebe es zwar auch für größere Hotels noch geeignete Grundstücke, wo eine Beeinträchtigung von Wohnquartieren nicht zu befürchten sei. „Allerdings sehen wir in der Spandauer Vorstadt ebenfalls die Tendenz eines Überhandnehmens von neuen Hotels und Hostels“, sagt Gothe. Möglicherweise könne man von Friedrichshain-Kreuzberg lernen.
An einer stärkeren Regulierung des Hotelmarktes hat auch die Tourismus-Organisation „Visit-Berlin“ nichts auszusetzen. „Berlin braucht eine Verschnaufpause nach der atemberaubenden Entwicklung der vergangenen Jahre“, sagt Sprecherin Natascha Kompatzki. So sei die Zahl der Betten in Berlin in den vergangenen zehn Jahren von 62.000 auf 113.000 gestiegen. „Die Berliner sind tolle Gastgeber, und wir wünschen uns, dass das so bleibt“, sagt sie. Dass die Anliegen der Anwohner berücksichtigt werden müssen, liege deshalb im Interesse der gesamten Branche.