Morgenpost Online: Stuttgart 21, A100 oder die BBI-Flugrouten: Es fällt auf, dass es immer schwieriger wird, Infrastrukturprojekte umzusetzen. Woran liegt das?
Peter Ramsauer: Die Zeiten des großen Wiederaufbaus sind vorbei. Jetzt stoßen Planungen, anders als in vielen Schwellenländern, schnell an ihre Grenzen – sowohl finanziell als auch hinsichtlich der ökologischen Vertretbarkeit und der Akzeptanz der Bevölkerung. Doch ich sage ganz klar: Wo es erforderlich ist, müssen Großprojekte auch weiterhin möglich sein. Sei es in Frankfurt mit der vierten Startbahn oder in München mit der dritten...
Morgenpost Online: Gilt das auch für die Parallelstarts auf dem Großflughafen BBI? Ohne diese fällt der neue Airport in der Spitzenstunde hinter die derzeitigen Kapazitäten Tegel und Schönefelds zurück...
Ramsauer: Bei der Diskussion um die Flugrouten des neuen zentralen Berliner Großflughafens ist viel schiefgelaufen. In der Ursprungsplanung, die auch an die Menschen in der Region verteilt wurde, war von gleichzeitigen Starts auf beiden Bahnen mit abknickenden Routen nicht die Rede. Man hätte es für die Bürger viel früher transparent machen müssen, wenn sich da etwas ändert. Das ist aber jahrelang nicht geschehen. Auch wenn die geradeaus führenden Abflugrouten nach Westen damals nicht formal planfestgestellt worden sind, wurden sie von der Flughafengesellschaft immer wieder kommuniziert. Bis vor wenigen Wochen hat man diese Routen noch an die Bürger verteilt. Auch der Fluglärmsimulator am BBI basiert auf den ursprünglichen Geradeausrouten. Selbst das Lärmschutzprogramm ist auf dieser Grundlage konzipiert und gestartet worden. Die Menschen haben also zu Recht darauf gebaut, dass diese Informationen verlässlich sind. Viele haben daraufhin außerhalb dieser Flugrouten Grundstücke erworben und Häuser errichtet. Deshalb bin ich der Meinung: Die alten Routen müssen die Basis für die Suche nach Optimierungen sein.
Morgenpost Online: Dafür feiern die Bürgerinitiativen Sie jetzt als Helden.
Ramsauer: Das war gar nicht meine Absicht. Mir geht es um Verlässlichkeit. Ich kann den Ärger und die Nervosität der Menschen gut verstehen. Rund zehn Jahre lang konnten sich alle Betroffenen auf geradeaus gehende Flugkorridore einstellen, und plötzlich soll Vieles anders sein. Da musste ich mich als Bundesverkehrsminister dazu äußern. Anweisen kann ich die Flugrouten jedoch nicht.
Morgenpost Online: Das ist bei den betroffenen Bürgern aber ganz anders angekommen. Die haben gehofft, dass der Verkehrsminister sich jetzt für sie einsetzt...
Ramsauer: Ich setze mich dafür ein, dass die Sorgen der Leute ernst genommen werden und endlich alle Fakten auf den Tisch kommen. Aktuelles Kartenmaterial zum Beispiel. Aber ich habe eben kein Weisungsrecht, ich lege keine Flugrouten fest. Wir haben da klipp und klare Regelungen. Die Fluglärmkommission ist das Gremium, das die Aufgabe hat, zusammen mit der Deutschen Flugsicherung Vorschläge zu erarbeiten. Diese Vorschläge gehen an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, welches die amtliche Entscheidung trifft. Zunächst liegt das Heft des Handelns aber wie gesagt bei der Fluglärmkommission. Es ist schade, dass sich die Beteiligten am Montag auf keinen gemeinsamen konkreten Vorschlag geeinigt haben. Dadurch verlieren wir leider Zeit. Ich hoffe, dass sich die Fluglärmkommission schon vor der nächsten Sitzung im Dezember auf Prüfaufträge verständigt, die die Deutsche Flugsicherung dann bereits untersuchen kann.
Morgenpost Online: Die Deutsche Flugsicherung fällt in Ihren Verantwortungsbereich. Der Bund hält außerdem 26 Prozent der Gesellschafteranteile am BBI. Ganz ohne Einfluss sind Sie also nicht.
Ramsauer: Das ist richtig. Deshalb habe ich auch nicht nur ein ökonomisches Interesse, dass der Flughafen wirtschaftlich betrieben werden kann, sondern fühle mich auch politisch mitverantwortlich. Auch deswegen habe ich mich ja geäußert. Mir geht es darum klarzustellen, dass nicht viele Jahre lang andere Fakten kommuniziert werden dürfen, um dann plötzlich ganz andere Pläne aus der Schublade zu ziehen. Bei den weiteren Überlegungen muss gelten: Sicherheit vor Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit – solange diese gegeben ist.
Morgenpost Online: Der Berliner CDU-Chef Henkel hat für den umstrittenen Weiterbau der A100 eine Volksabstimmung zeitgleich mit der Berlin-Wahl im kommenden September angeregt.
Ramsauer: Als Bundesverkehrsminister sage ich ganz grundsätzlich, dass regionale Plebiszite zu Bundesfernstraßen äußerst problematisch zu sehen sind. Der Bund gibt nämlich das Geld. Dann müsste man eigentlich parallel zur Bundestagswahl eine Volksbefragung machen. Und das wäre abwegig. Die Projekte sind oft sehr langwierig, in der Zwischenzeit mag es mehrere Wahlen geben. Ich würde der Berliner CDU zur Vorsicht raten, wenn es um regionale Abstimmungen zu Bundesplanungen geht.
Morgenpost Online: Wären Sie nicht froh, wenn die A100 nicht kommt? Da lässt sich doch auf einen Schlag viel Geld sparen?
Ramsauer: Andere Länder reiben sich jedenfalls die Hände und stehen schon Schlange… Sagen wir mal so: Die Berliner Landesregierung sollte bald sagen, was sie eigentlich will. Es gibt zwar Stimmen im Senat, die den Weiterbau fordern – meine Berliner Amtskollegin zum Beispiel. Aber offenbar steuert die rot-rote Koalition insgesamt in eine andere Richtung. Das kann dazu führen, dass Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe dann anderen Regionen in Deutschland zugutekommen.
Morgenpost Online: Mit welchem Großprojekt werden Sie in die Geschichte eingehen?
Ramsauer: Ich fühle mich nicht gedrängt, mir ein persönliches Denkmal zu setzen. Aber ich will einiges, das in Schieflage ist, wieder in die Spur bringen. Ich habe das Berliner Schloss zum Beispiel in einem ziemlich zerzausten Aggregatszustand übernommen...
Morgenpost Online: ...und es sogleich auf unbestimmte Zeit verschoben…
Ramsauer: Nein, ich habe es vielmehr in eine geregelte Planungsphase überführt. Die Planergruppe um den Architekten Franco Stella arbeitet weiter mit voller Bürobesetzung am Projekt. Auch die nächsten sichtbaren Schritte auf dem Schlossplatz sind geregelt. Noch bevor wir in zweieinhalb Jahren den Grundstein legen, werden schon einige bauvorbereitende Arbeiten abgeschlossen sein. Sowohl für die Planung und diese Bauarbeiten ist das Geld vorhanden. Das Schloss wird gebaut, so viel ist sicher.