Es war ein Zeichen gegen das Vergessen - nun hat der frühere Stasi-Häftling Carl-Wolfgang Holzapfel seine alte Gefängniszelle in Berlin vorzeitig verlassen. Dort hatte er seit Donnerstag ausgeharrt und sich dabei filmen lassen. Doch die Kunst-Aktion war für den 65-Jährigen offenbar zu viel.
Der ehemalige Stasi-Häftling Carl-Wolfgang Holzapfel (65) hat ein Internetkunstprojekt in seiner Zelle in der früheren Untersuchungshaftanstalt der DDR-Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen vorzeitig abgebrochen. Er habe die am Donnerstag begonnene Aktion am Samstagnachmittag aus „emotionalen Gründen“ beendet, wurde am Sonntag mitgeteilt. Ursprünglich sollte das Projekt, bei dem Holzapfel von einer Webcam rund um die Uhr gefilmt wurde, eine Woche, bis zum 5. November, gehen.
„Ich fühlte mich psychisch nicht mehr in der Lage, diese Aktion weiter fortzusetzen und bitte dafür um Verständnis“, sagte Holzapfel, der sich jetzt zu Hause erholt. Die Zeit in der Zelle habe ihm noch einmal vor Augen geführt, „welchen psychisch unerträglichen Belastungen Häftlinge ausgeliefert waren“. Er habe diese Situation nicht mehr ertragen. Besonderen Dank sagte er allen Beobachtern des Projekts, Unterstützern wie Kritikern.
Der Aufenthalt in der Zelle 207 der heutigen Gedenkstätte konnte im Internet verfolgt werden. Mit der Kunstperformance „24/7 Stasi-Live-Haft“ wollten Holzapfel und die Künstlerin Franziska Vu nach eigenen Angaben aufrütteln und insbesondere junge Menschen dafür sensibilisieren, was Stasi-Haft für Kritiker der SED-Diktatur bedeutete. Die totale Isolation der Häftlinge von der Außenwelt sollte für jeden nachvollziehbar dargestellt werden.
„Trotz des frühzeitigen Abbruchs ist unser Projekt ein unglaublicher Erfolg und hat weltweit Beachtung und Aufmerksamkeit gefunden“, sagte Vu. Die Website sei von nahezu 20.000 Nutzern besucht worden.
Nach Angaben einer Mitarbeiterin der heutigen Gedenkstätte reagierten viele Besucher negativ auf die Aktion. Das Geschehen in der Zelle war im Internet unter www.stasi-live-haft.de übertragen worden. Wegen seiner einstigen Mitgliedschaft bei den Republikanern war Holzapfel in der vergangenen Woche von mehreren Seiten scharf kritisiert.
Holzapfel, der Vorsitzender der Vereinigung 17. Juni ist, war den Angaben zufolge nach einer Demonstration für die Freilassung der politischen Gefangenen in der DDR im Oktober 1965 am Checkpoint Charlie verhaftet und nach Hohenschönhausen gebracht worden. Dort war er vor und nach seiner Verurteilung zu acht Jahren Zuchthaus insgesamt neun Monate in Einzelhaft.
Holzapfel war bis Juli 2009 stellvertretender Bundesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS). Die Organisation hatte die Kunstaktion kritisch gesehen. Ronald Lässig, stellvertretender Bundesvorsitzender der VOS, hatte erklärt: "Die VOS ist grundsätzlich gegen Links- und Rechtsextremismus aktiv und steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Vor allem deshalb sehe ich die Aktion des Herrn Holzapfel als problematisch an."
ddp/sei