Die Berliner Polizei will mit zusätzlichem Personal und mehr finanziellen Mitteln 188 ungeklärte Mordfälle seit 1976 aufdecken. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat dafür in den beiden folgenden Jahren jeweils rund zwei Millionen Euro eingeplant. Im laufenden Jahr standen zur Aufklärung dieser Fälle nur 5300 Euro zur Verfügung. Folge: Nur 25 Tötungsdelikte konnten aufgrund des Rückstaus bei den DNA-Untersuchungen und dem mangelnden Personal in Angriff genommen werden.
Für den Innenausschussvorsitzenden Peter Trapp (CDU) ist das viel zu wenig: „Wer vom Tatort auswertbare Spuren erwartet, der sollte auch das Personal zur Verfügung stellen, damit der Fall rasch vor den Richter kommt.“ Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) moniert, dass die Erfolgsquote bei der Aufklärung viel höher sein könnte, wenn DNA-Spuren schneller bearbeitet würden.
Konkrete Spuren in sieben Fällen
Erst in sieben Fällen konnten die Beamten bislang verwertbare DNA-Spuren sichern. Keine dieser Spuren führte jedoch zu einem Tatverdächtigen. In einem Bericht der Innenbehörde an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses heißt es dazu: „Die Folge ist, dass sehr arbeitsintensive Ermittlungen bezüglich der möglichen Spurenverursacher zu führen sind.“ Da in den 70er- und 80er-Jahren noch wenig auf den genetischen Fingerabdruck geachtet wurde, gibt es von den Tatorten sehr viele Spuren – auch von unbeteiligten Personen wie Polizeibeamten oder Mitarbeitern von Rettungsdiensten. Diese Spuren müssen erst ausgeschlossen werden, damit man überhaupt einen Verdächtigen ermitteln kann.
Die Polizei berichtet aber auch über Fortschritte: In drei Mordkommissionen werde aktuell jeweils ein Verfahren (aus den Jahren 2000, 2005 und 2007) bearbeitet, bei dem aufgrund der DNA-Spuren „Erfolg versprechende Ermittlungsanhalte“ vorliegen, heißt es in dem Parlamentsbericht. Und in zwei Fällen konnten Spuren für eine Identifizierung aufbereitet werden. Um welche Fälle es sich handelt, sagt die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. „Wir wollen die Täter ja nicht vorwarnen“, so ein Beamter.
Aufgrund der permanenten wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Spurenermittlung arbeitet die Polizei intensiv mit dem DNA-Labor der Rechtsmedizin an der Charité zusammen. Diese Kooperation gibt es seit 2007, als die Polizei den Rückstau bei der Kriminaltechnik nicht mehr in den Griff bekam. Dennoch blieben damals rund 4100 Fälle unbearbeitet.
Zuständig für die Bearbeitung der Altfälle ist das beim Morddezernat des LKA angesiedelte „Sachgebiet Sonderermittlungen“. Da die etwa 70 Beamten der sieben Mordkommissionen bereits mit den laufenden Ermittlungen zu aktuellen Fällen mehr als ausgelastet sind, werden sie zeitweilig von einem halben Dutzend Ermittler eines Kommissariats für Wirtschaftsdelikte unterstützt. Die hohe Zahl der Altfälle ergibt sich aus der Tatsache, dass auch versuchte Tötungsdelikte einbezogen wurden.
Rest von Blut und Speichel gesucht
Die Konzentration der Nachbearbeitung auf Tötungsdelikte hat einen banalen Grund: Mord verjährt nicht. „Daher werden die Akten bei ungeklärten Fällen auch nicht wirklich geschlossen, man nimmt sie sich immer mal wieder vor“, sagt ein Ermittler.
Häufig arbeiten die Spurensicherer und forensischen Biologen der Kriminaltechnik mit Verfahren, die es zum Zeitpunkt, als die Taten begangen wurden, noch gar nicht gab. Aus kleinsten Resten von Blut, Speichel, Sperma, Haaren oder Hautpartikeln lässt sich ein einzigartiges Erbgut herausfiltern, das mit gleicher Sicherheit wie der Fingerabdruck einer Person zuzuordnen ist. Die Spuren werden dann mit dem Bestand der zentralen DNA-Analyse-Datei (DAD) beim Bundeskriminalamt abgeglichen.
Zu den ungeklärten Altfällen gehören die Raubmorde an dem Schuster Franz Quenstedt (68) aus Neukölln und der damals 78-jährigen Rentnerin Fira Miller aus Schöneberg. Beide wurden 2005 in ihren Wohnungen getötet. Auch im Fall der im gleichen Jahr auf einer Müllhalde in Mahlsdorf entdeckten Leiche eines erwürgten Säuglings ist die Kripo nach wie vor dem Täter auf der Spur. Ebenso wie im Fall des Geldtransporter-Fahrers, der 2006 bei einem Überfall vor einer Sparkasse in Hellersdorf erschossen wurde.
Totschlag verjährt
Ungeachtet aller Erfolge, die die moderne Kriminaltechnik ermöglicht, gibt es auch Rückschläge. So ist es vorgekommen, dass Täter nach mehr als zwei Jahrzehnten überführt und angeklagt werden konnten, die Gerichte aber statt auf Mord auf Totschlag erkannten. Und der verjährt nach 20 Jahren.