Der Bürgerentscheid im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist gescheitert. Wahlamtsleiter Wilfried Groß gab am Sonntag um 19.16 Uhr das Ergebnis bekannt: Lediglich 13,68 Prozent der 237.918 Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben. Das waren 32.558 ausgefüllte Wahlzettel. 15 Prozent, also 35.688 Wahlberechtigte, hätten es sein müssen. Damit wurde das Beteiligungsquorum nicht erreicht. Von den abgegebenen Stimmen waren 29.401 Stimmen für den Erhalt beider Bühnen, 3073 stimmten dagegen. Bei der Abstimmung ging es darum, die beiden Kudamm-Bühnen zu erhalten oder sich in der Zukunft mit nur einem Theater im neu umgebauten Kudamm-Karree abzufinden.
„Wir sind erleichtert, dass der Verein ,Rettet die Kudamm-Bühnen' um Otfried Laur und Franziska Eichstädt-Bohlig nicht die erforderlichen Stimmen erhalten hat“, sagt Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD). „Sehr viele Bürger im Bezirk sind nicht der Auffassung des Vereins gewesen, was vernünftig ist.“ Man müsse nicht das Augenmerk ausschließlich auf die zwei Theater richten, sondern das gesamte Areal betrachten, so die Bezirkschefin. „Jetzt haben wir die große Hoffnung, dass der Investor Ballymore seine bekannten Pläne auch umsetzt.“
Der Weg für ein neues Kudamm-Karree ist durch das Abstimmungsergebnis geebnet. Rund 500 Millionen Euro will der irische Investor Ballymore in das Gebäude und das benachbarte Parkhaus an der Uhlandstraße investieren. Geplant sind Einzelhandelsflächen (21.500 Quadratmeter), Büros (30.000 Quadratmeter) und Gastronomie (11.000 Quadratmeter). Für das neue Theater mit 650 Plätzen in der dritten Etage sind 10.250 Quadratmeter vorgesehen.
„Das Ergebnis ist ein überzeugendes Votum: Für ein Konzept, das dem Kudamm und dem Theater am Kudamm ein Stück des Weges in Richtung einer neuen Zukunft öffnet. Und gegen falsche Sentimentalität. Wir fühlen uns bestätigt und freuen uns auf eine weitere, konstruktive Zusammenarbeit mit der Politik und den zuständigen Behörden“, sagte der Sprecher der Ballymore-Group, Armin Huttenlocher, nach Bekanntwerden des vorläufigen amtlichen Ergebnisses. „Von den Initiatoren des Bürgerentscheids erwarten wir, dass sie das Ergebnis in guter demokratischer Tradition akzeptieren und sich nun ebenfalls einer konstruktiven Sichtweise zuwenden.“
Schon den ganzen Tag über hatte es nach einer sehr geringen Wahlbeteiligung ausgesehen. In 88 Wahllokalen im Bezirk warteten rund 600 Wahlhelfer zwischen 8 Uhr und 18 Uhr auf die ausgefüllten Stimmzettel. Rund 8000 Wählerinnen und Wähler hatten zuvor die Möglichkeit der Briefwahl genutzt. „Um 8.40 Uhr kam der erste Wähler“, sagt Gabriele Birka. Sie ist die Wahlvorsteherin im Wahlbezirk 145. Das Wahllokal ist am Kudamm/Ecke Uhlandstraße im Maison de France – also nur wenige Meter von den zwei Spielstätten entfernt. „Kurz nach 12 Uhr haben erst 45 Wählerinnen und Wähler von 2893 in diesem Wahlkreis eingetragenen ihre Stimmen abgegeben, und nur 137 Briefwähler haben ihre Unterlagen zurückgeschickt.“ Es sei sehr ruhig gewesen – überhaupt kein Vergleich zu anderen Wahlen und Bürgerentscheiden.
Einer der Wähler ist Gunther Dorn. Und er hat auch eine klare Meinung. „Lieber eine Bühne richtig mit ganzem Herzen betreiben, als zwei nur halbherzig“, sagt er. „Ich gehe höchstens mal mit Besuch aus West-Deutschland ins Theater.“
Ein ähnliches Bild bietet sich auch im Wahlbezirk 136, direkt gegenüber vom Rathaus Charlottenburg an der Otto-Suhr-Allee. Gegen Mittag hatten gerade 53 Menschen den Weg in das Wahllokal gefunden. „Ich finde es traurig, dass so wenige Leute Interesse an der weiteren Gestaltung des Kudamms haben“, sagt Ingeborg Zettl.
Trotz der Niederlage erfreut über den relativ großen Anteil der Ja-Stimmen unter den abgegebenen Stimmen äußerte sich Franziska Eichstädt-Bohlig, Sprecherin der Grünen für Stadtentwicklung. „Wir finden die große Zustimmung trotz des Gegenwindes und der Stimmung, die in letzter Zeit gegen uns gemacht wurde, großartig“, sagt sie. „Jetzt sind wir sehr auf das Projekt des Investors gespannt.“
Von bisher acht Bürgerentscheiden in Berlin scheiterten drei am Beteiligungsquorum, zwei davon, obwohl sich eine Mehrheit der Abstimmenden für die Vorlage aussprach, heißt es bei dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“