In der rot-roten Koalition schwindet die Zustimmung für die Verlängerung der Autobahn A100. Nach der SPD-Basis distanziert sich nun auch die Linkspartei vom Ausbau. SPD-Chef Müller will Änderungen an dem 420-Millionen-Euro-Projekt prüfen lassen. Berlins Wirtschaft appelliert an den Senat, den Autobahnbau fortzusetzen.

Das Bundesverkehrsministerium hat zurückhaltend auf den SPD-Beschluss gegen den Ausbau der Autobahn A100 reagiert. „Wir gehen davon aus, dass sich der Senat positionieren und das Projekt weiter betrieben wird“, sagte Sprecher Sven Ulbrich. Das Vorhaben ist als vordringlicher Bedarf im Verkehrswegeplan des Bundes eingestuft. Bislang seien jedoch noch keine Mittel aus dem Bundeshaushalt geflossen. Aufträge zum Bau der Strecke sind noch nicht erteilt, denn es gibt noch kein Baurecht. Bisher sind lediglich Planungskosten angefallen, die das Land Berlin trägt.

Dagegen schwindet in der rot-roten Koalition die Zustimmung für die Verlängerung der Autobahn weiter. Nachdem die SPD auf dem Landesparteitag sich mehrheitlich gegen den Ausbau ausgesprochen hatte, meldete am Montag auch der Koalitionspartner Linkspartei Zweifel an. „Beide Koalitionsfraktionen sind aufgefordert, den umstrittenen Passus aus dem Koalitionsvertrag neu zu verhandeln und über den Abbruch des Planfeststellungsverfahrens zu sprechen“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Linken, Jutta Matuschek.

Dagegen sprach sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) für die Weiterführung des Planfeststellungsverfahrens zur Verlängerung der Stadtautobahn aus. Der Bund habe Berlin den Auftrag dazu erteilt, sagte sie. Bei dem Verfahren würden auch die Bedenken der Bürger und die Kritikpunkte aus den Reihen der SPD berücksichtigt.

Die SPD werde mit dem Koalitionspartner und dem Bund Gespräche führen, sagte Landes- und Fraktionschef Michael Müller. Man nehme den Beschluss ernst. Er bedeute allerdings nicht das endgültige Ende der Autobahn. Schließlich handele es sich um eine Bundesautobahn, für die der Bund rund 400 Millionen Euro bereitstelle. Einen möglichen Kompromiss sieht der SPD-Politiker darin, die Streckenführung und die einzelnen Bauabschnitte zu überprüfen sowie gegebenenfalls abzuspecken.

„Der Weiterbau der A100 ist von der Berliner SPD politisch nicht gewollt“, unterstrich der SPD-Verkehrsexperte Daniel Buchholz die ablehnende Haltung der Parteibasis.

Die Grünen begrüßten die Entscheidung des SPD-Parteitags. „Es ist absurd, das Projekt als logische Fortsetzung ökologischer Verkehrspolitik zu verkaufen“, sagte die Verkehrsexpertin der Grünen, Claudia Hämmerling.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB begrüßt das Votum des Parteitages. „Die SPD hat Weitsicht und Mut bewiesen, eine falsche Entscheidung zu korrigieren“, sagt IGEB-Vorsitzender Christfried Tschepe.

Berlins Wirtschaft appelliert an den Senat

Die CDU und Wirtschaftsverbände fordern dagegen das Festhalten an dem Projekt. Die Autobahn dürfe nicht an der Berliner SPD scheitern, sagte Partei- und Fraktionschef Frank Henkel gestern. Berlin sei auf eine leistungsstarke Infrastruktur angewiesen.

Die Industrie- und Handelskammer fordert den Senat auf, die Stadtautobahn wie geplant nach Treptow zu verlängern. „Das vom Bund finanzierte Projekt ist sowohl aus stadtentwicklungs- als auch aus wirtschaftspolitischer Sicht notwendig“, sagt der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter.

Auch die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg appellierte an den Senat, den Autobahnbau fortzusetzen. „Eine Weiterführung der A 100 wird durch die Bündelung des Verkehrs insbesondere für die Umwelt zu einer deutlichen Entlastung führen und gleichzeitig angrenzende Stadtteile besser miteinander verbinden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Christian Amsinck. Er verwies darauf, dass es auch zu einer Entlastung der Ausfallstraßen kommt, weil es weniger Stop-and-Go-Verkehr gebe. Wirtschaftsverkehr schaffe zudem Arbeitsplätze, was durch den Erfolg von WISTA an der Autobahn 113 in Adlershof belegt werde, so Amsinck.

364 Millionen für 3,6 Kilomenter

Das Vorhaben, um das es geht, ist der bereits 16. Abschnitt der A 100 zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der Straße am Treptower Park. Die Kosten für das 3,2 Kilometer lange Teilstück des Stadtrings sind enorm. Sie belaufen sich auf 364 Millionen Euro allein für den Bau dieses Abschnittes. Dazu kommen weitere 55,5 Millionen Euro für den Ankauf von Grundstücken, über die die Trasse verlaufen soll. Für den Neubau müssen insgesamt vier Mehrfamilienhäuser an der Beermannstraße abgerissen und deren Eigentümer entschädigt werden. Das Land Berlin ist mit rund 20 Millionen Euro für die Planungskosten ebenfalls am Bau der Autobahn beteiligt.

Die Baukosten begründet Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) mit den erheblichen Aufwendungen für Tunnel-, Trog- und Lärmschutzmaßnahmen. Die neuen Abschnitte der A 100 sollen sechsspurig sein. 2270 Meter der Autobahn werden in einem bis zu sieben Meter tiefen, schallabsorbierenden Trog verlaufen; an der Grenzallee wird ein 385 Meter langer Tunnel entstehen. Zwischen Sonnenallee und Dieselstraße (Ostseite) und zwischen der Ringbahnquerung und der Straße am Treptower Park (Westseite) werden sechs Meter hohe Lärmschutzwände errichtet. Nach Fertigstellung werden zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der Anschlussstelle Sonnenallee 100000 Autos am Tag erwartet.